Was für ein Lichtermeer! Die vierte Kerze wurde dieses Jahr zusammen mit den Schabbat-Kerzen und daher noch vor Sonnenuntergang gezündet. Bei uns sind das also insgesamt 18 Kerzen! Drei mal eine Chanukia mit jeweils fünf Kerzen und die drei Schabbat-Kerzen, eine für jedes Familienmitglied. Es gab drei verschiedene Sorten von Kerzen: Schabbat-Kerzen, Chanukkah-Kerzen und die Schamasch-Kerzen, also Dienerkerzen. Nur letztere gelten nicht als heilig und dienen den anderen. Sie spenden ihnen das Feuer. Aber wie sagt Herzel in seiner Schrift „Hamenora“:
„Am Anfang leuchtete ein Licht, dann noch eines und noch eines, und noch die übrigen Lichter. Es gibt keine wichtigere und freudigere Rolle, als die Rolle des Schamasch (Dienerkerze), der das Licht bringt“ (Übersetzung: Jenny Havemann)
Für die fünfte Kerze schmücke ich mich mit fremden Federn und übersetze den englischen Text von meinem Freund Rabbi Eliyahu Yaakov Deutsch nach Deutsch:
Heutzutage hat alles mit dem Namen „Makkabi“ mehr mit den Griechen als mit Judentum zu tun. Die Makkabi-Spiele sind das jüdischen Olympia, Makkabi Tel Aviv ist ein Sport-Club und Makkabi Bier soll bestimmt nicht spirituelles über weltliches stellen.
Deswegen bin ich nicht so sicher, ob wie die meisten denken, die Makkabäer den Krieg gegen die Griechen und ihre Kultur gewonnen haben.
Rabbi Tzvi Elimelech aus Dinov, der chassidische Meister, der für sein Buch „Bnei Jissochar“ bekannt ist, erklärt, warum wir keine besondere Schriftrolle am Feiertag Chanukkah lesen. An Purim versammeln wir uns in der Synagoge und lesen die Purim-Geschichte, aber an Chanukkah gibt es keine Versammlung oder Lesung.
Der Grund ist, dass man ein Buch erst dann aufschreibt, wenn die Geschichte zu ende ist. Das Buch Chanukkah wurde bisher nicht geschrieben, weil die Geschichte weiter geht.
Der Krieg gegen die Griechen war nicht wirklich ein Krieg. Es war eine Schlacht im andauernden Krieg von Idealen zischen Judentum und Griechentum/Romanentum/Westlichkeit.
Bei Chanukkah geht es um „Chinuch“, also Bildung und Lehre.
Jüdische Bildung ist nicht einfach eine Checkliste von Erlaubtem und Verbotenem. Unsere Bildung dient der Klarstellung unserer Werte und unserer Richtung. Dafür haben die Makkabäer gekämpft.
Der Chanukkah-Feiertag soll für uns Chinuch sein – uns lehren und uns vorbereiten, damit wir uns darauf konzentrieren können, uns zurückzubesinnen auf jüdische Ideale und Spiritualität in einer Welt, die Wert legt auf und hervorging aus Hellenismus und Weltlichkeit.
Daher hat der Name Mattisjahu (derjenige, der die jüdische Revolution gegen die griechische Unterdrückung losgetreten hat, die zur Chanukkah-Geschichte wurde), den selben numerischen Wert (nach der Gematria Anm. d. Übersetzers) wie das Wort Tempel, Beit Hamikdasch. Denn wir sollen aus dem Einsatz und der Selbstaufgabe Mattisjahus für jüdische Ideale lernen, um endlich in der Messianischen Zeit anzukommen und den Beit Hamikdasch (Dritter Tempel Anm. d. Übersetzers) wieder aufzubauen.
Frohes Chanukkah!
Eliyahu Yaakov
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Chanukkah, 6. Kerze
Die Lichter der Chanukkiah, den neunarmigen Kerzenständer, zündet jede Familie zuhause. Wessen Fenstersims weniger als 10m über dem Boden ist, der stellt seine Chanukkiah ins einer der Straße zugewandten Fenster. Darüber wird es kompliziert. Viele Familien bringen daher ihre Chanukiah in einem solchen Fall vor die Tür und zünden sie draussen. Aber warum?
Das Zünden der Kerzen hat einen Zweck: Das Wunder von Chanukkah bekannt zu machen. Alle Welt soll das Chanukkah-Wunder mit eigenen Augen sehen. Über 10m ist so ein kleiner Leuchter aber nur noch schwer von der Strasse aus zu erkennen.
Über 10m groß sind aber auch manchmal die Chanukkah-Leuchter, die Chabad landein landaus aufstellt. Die Tradition wurde vom letzten Chabad-Rabbiner Rabbi Menachem M. Schneerson im Jahr 1974 ins Leben gerufen. Inzwischen gibt es weltweit über 15.000 dieser überdimensionalen Kerzenständer. Das Zünden dieser an prominenten Plätzen in der Stadt positionierten Leuchter wird oft von wichtigen Personen begleitet, etwa Bürgermeister oder gar Staats-Präsidenten.
Aber wo auch immer der Leuchter steht, Hauptsache ist, die Kerzen brennen und spenden Licht und erinnern uns daran, immer Jude zu bleiben, egal wie widrig die Umstände gerade sind. Denn Licht ist Leben.

Chanukkah, 7. Kerze
Rache! Zorn! Vergeltung! Viele Christen glauben, erst seit Jesus ist der jüdische Racheg’tt zu einem verzeihenden, liebenden G’tt mutiert. Und damit sei das Christentum nicht nur ein einfacher Religions-Fork, wie ich als Computer-Nerd sagen würde, sondern eine echte Weiterentwicklung des Judentums und zudem der Erfinder der Nächstenliebe. Dabei steht der Satz „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“ (Lev 19,18) in der Torah, also aus christlicher Sicht im „Alten Testament“, im Dritten Buch Mose. Und der viel zitierte Satz „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ ist fragwürdig übersetzt (besser: Auge für Auge, Zahn für Zahn) und mitnichten dazu zu gebrauchen, Rache zu legitimieren, sondern eine Aufforderung, verübtes Leid wieder gutzumachen. Und zwar richtig und nicht nur den Wert eines Zahnes für den Verlust eines Auges zu bezahlen.
In meiner Familie ist gerade eine furchtbare Tragödie passiert. Nein, niemand wurde getötet oder verstümmelt oder verschleppt. Aber dass meinem Vater viele persönliche Dinge gestohlen wurden, unter anderem der letzte Gegenstand, den er von seinem Vater, meinem Großvater, der in Auschwitz von den Nazis ermordet wurde bekam, ist eine Tragödie. Es ist furchtbar. Und Rachegedanken an den Verbrechern, diesen ehrlosen Halunken, die in das Haus eingebrochen sind und zwei zentnerschwere Tresore mit persönlichen Dokumenten raus geschleift haben, kommen auch bei mir auf.
Der jüdische G’tt ist ein vergebender G’tt. Jedes Jahr zu Jom Kippur vergibt er uns zuverlässig alle Sünden, die wir ihm gegenüber begangen haben. Selbst die schlimmsten Todsünden, wie etwa das Rauchen einer Zigarette am Schabbat oder der Genuss von einem Stück Schweinefleisch. Aber er vergibt keine Sünde, sei sie noch so klein, die wir an unseren Mitmenschen vergehen. Stehle ich meinem Nachbarn Geld, dann kann nur er mir das vergeben und nicht G’tt. Und auch erst, nachdem ich ihm das Geld zurückgezahlt habe.
Unter den Sieben Gesetzen Noachs, die aus jüdischer Sicht nicht nur für Juden, sondern für alle Menschen gelten, findet sich ein höchst interessantes Gesetz: Du sollst ein Rechtssystem etablieren! Niemand darf also gesetzlos leben! Und ein Gesetz, das keine Strafe kennt, ist ein zahnloser Papiertiger.
Ein alles vergebender G’tt ist also die Abkehr von Recht und Gesetz. Meinen die Christen das tatsächlich so? Das kann ich mir nicht vorstellen. In Amerika wurde der Sohn einer Deutschen Familie erschossen. Sie waren froh darüber, dass der Schütze verurteilt wurde. Aber warum? Sie wohnen weit weg. Dass er noch mal jemanden aus ihrer Familie erschiesst, ist unwahrscheinlich bis unmöglich und eine Verurteilung macht den eigenen Sohn auch nicht wieder lebendig. Alles, was sie davon also haben, ist daher die Gewissheit, dass der Schütze büßen muss. Sollten sie da nicht großherzig vergeben?
Nein! Verbrecher müssen bestraft werden. Die Abwesenheit von Recht und Gesetzt, von Strafe und auch Rache ist Barbarei. Und wenn unser G’tt Rache übt, dann niemals aus purer Rachsucht, sondern um Verbrechen zu rächen.
Den Dieben im Haus meines Vaters wünsche ich nichts. Nicht mal den Tod. Aber wenn sie bei einem Autounfall sterben sollten, von einer langen, schweren Krankheit hingerafft werden sollten oder einfach nur aus Liebeskummer sich totsaufen, es soll mir recht und billig sein. Denn dann hat mein Racheg’tt sie gerichtet. Und ich muss es nicht. Rache sollte man jemanden überlassen, der sich damit auskennt. Für religiöse Menschen ist das vor allem G’tt, für alle anderen der Rechtsstaat. Und den schreibt uns G’tt schon in den Sieben Gesetzen Noachs vor.
Was hat das mit Chanukkah zu tun? An Chanukkah erinnern wir. Wir erinnern, dass die Gerechten über die Bösen siegten, die Gesetzestreuen über die Gesetzlosen, die Schwachen über die vermeintlich Starken. Wir stärken unseren Glauben daran, dass Recht auf der Welt geschieht und nicht das Recht des Stärkeren gilt. Und wenn wir heute Abend, dieses Jahr zum letzten Mal, die Chanukkah-Kerzen zünden werden, wenn der Leuchter in aller Pracht mit allen Kerzen strahlt, dann werden wir hier bei uns zuhause meinem Großvater gedenken. Denn auch wenn das letzte Erinnerungsstück verschwunden ist, die Erinnerung kann uns keiner nehmen.

Chanukkah, 8. Kerze
Chanukkah ist vorbei. Also fast. Deswegen ist jetzt noch die allerletzte Möglichkeit, sich mit religiöser Begründung lecker-fettige Lebensmittel einzupfeifen. Hier in Israel gibt es eine Bäckerei-Kette, die heisst Roladin. Sie zeichnet sich dadurch aus, dass sie in alle ihre Gebäcke viel zu viel Zucker macht. Mir schmeckt das nicht, daher mache ich ein ganzes Jahr einen Bogen um diesen Laden. Nur eine Woche im Jahr ist Roladin das Mekka, äh, ich meine natürlich das Jerusalem für uns: Ihre Sufganiyot, auf Deutsch Berliner oder Pfannekuchen genannt, sind legendär. In allen Farben und Füllungen und Glasierungen in jeder Geschmacksrichtung gibt es. Schokolade, Marmelade und Karamell sind dabei die langweiligsten und trotzdem unglaublich lecker.
Bei Roladin ist man sich dieser Vormachtstellung offenbar bewusst. Sie bewerben ihre Chanukkah-Schmalzgebäck-Kollektion mit dem Spruch: Frohes Roladin-Fest! Puh.
Nun denn. Heute Abend ist es damit vorbei. Und ich erinnere mich an den Wunsch, den mir ein Freund vor den Feiertagen gewünscht hat: Mögest Du Chanukkah als Kerze und nicht als Sufgania beenden! Ich gehe gleich mal auf die Waage nachsehen. Oder auch lieber nicht.