Gut Schabbes Selfie – Madrid

74! Nein, das ist nicht mein Geburtsjahr, aber fast. In heutigen Wochenabschnitt finden sich 74 der 613 Gebote aus der Torah. Manche davon sind heute nicht mehr anwendbar, andere miss- und wenige komplett unverständlich. Ich könnte also einen kilometerlangen Text über „Ki Teitzei“ schreiben. Aber dann würde ich wohl ein tl;dr von vielen hier ernten. Zu Recht.
Ich bin gerade in Spanien, genauer in Madrid, wie man im Foto vielleicht erkennen kann. Die Arbeit hat mich hierher verschlagen und meine Familie konnte daher leider nicht mit. Ich vermisse sie schrecklich und als ich eben mit ihnen geskyped habe, ist mein Jüngster mit seinen fünf Monaten vor Freude fast durchgedreht. Und ich innerlich auch.
Er hat mich also nicht vergessen in der letzten Woche. Und auch der Wochenabschnitt gebietet uns im letzten Satz, nicht zu vergessen. Aber nicht den lieben Papa, sondern das böse Amalek. Das Volk, dass uns nachgestellt hat und die schwächsten hinterrücks erschlagen hat nach unserem Auszug aus Ägypten.
Amalek gibt es nicht mehr. Aber es gibt immer wieder Völker, die sich um diesen Titel bewerben. Vor gut 500 Jahren waren das die Spanier mit der Inquisition. Knapp 500 Jahre danach die Deutschen. Spanien auf hebräisch ist „Sfarad“ und Deutschland „Medinat Aschkenas“. Die Hauptströmungen im Judentum sind sefardische und aschkenasische Juden. Zufall?
Hier in Spanien fällt es mir also nicht so schwer, Amalek zu erinnern. Und auch nicht, mich darauf zu freuen, den nächsten Schabbat wieder zuhause mit meiner Familie in Israel zu feiern.

Gut Shabbes!

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Beruflich in Madrid

Ich bin gerade beruflich in Madrid. Hier gibt es eine Synagoge mit täglichem Gebet für alle drei Gebete (Schacharit, Mincha und Maariv). Bei etwas 7k Juden in der Stadt ist das beachtlich.

Als ich dort zum ersten Mal um Einlass gebeten habe, um beim Morgengebet mitzubeten, musste ich durch die Sicherheitsschleuse. Sie verbirgt sich hinter der Tür im Foto. Die Überwachung mit Kameras vor der Tür, ist nicht zu übersehen, genauso wenig wie ich nicht vom Sicherheitspersonal beim Fotografieren übersehen wurde. Die Tür ist offen, weil gerade jemand herausgestürmt kommt, um mich an meinem Werk zu hindern.
Ich habe im Buch im Kapitel über die Synagoge darüber geschrieben, dass man wissen sollte, was der aktuelle Wochenabschnitt ist, wenn man unangemeldet in eine Deutsche Synagoge hinein möchte. Nunja, hier wurde ich nach meinem Pass, meinem hebräischen Namen, meinem Wohnort UND ausserdem nach dem Wochenabschnitt gefragt. Und als ich nach dem Gebet wieder gehen wollte und meinen Rucksack, den ich nicht mit hineinnehmen durfte wieder aus dem Spint herausschälte, da bat mich der Mann von der Sicherheit, meine Kippa nicht öffentlich zu zeigen. Es wäre zu gefährlich.
Sind die alle paranoid? Oder gibt es hier wirklich so viele gewaltbereite Antisemiten?

Irritierte Grüße aus Madrid!

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Gut Schabbes Selfie – Schoftim

Gut Schabbes Selfie

Der heutige Wochenabschnitt „Schoftim“ enthält den Satz: „Denn der Mensch ist ein Baum im Feld“. Und da ich darüber zum Neujahr der Bäume (Tu BiSchwat) schon mal geschrieben habe und damals auch das wunderschöne Gedicht dazu von Nathan Zach übersetzt habe, behelfe ich mir heute mit Copy-Paste. Gut Schabbes!

Mittendrin in unserem Wochenabschnitt steht der merkwürdige Satz „Ki Ha’adam Etz HaSsadeh“. Wörtlich übersetzt bedeutet das „Weil der Mensch ein Baum im Feld (ist)“. Ich selbst fühle mich nicht wirklich wie ein Baum. Ich habe nicht nur ein Bein und das ist auch nicht am Boden fest gewachsen. Die wörtliche Bedeutung bringt uns also nicht weiter.
Die Kommentatoren der Torah haben diesem Satz über die Jahrhunderte große Aufmerksamkeit geschenkt. Ist er nicht doch eine Frage und keine Aussage? Sind die Baumfrüchte des Menschen seine Kinder oder seine Gedanken und Wissen? Im Abschnitt steht auch, dass man nur Fruchtbäume nicht fällen darf, muss man sich einen neuen Lehrer suchen, also den alten fällen, wenn er keine Wissenfrüchte mehr trägt, von denen man lernen kann? Oder sind die Wurzeln sein Intellekt und die Baumkrone sein Kopf, der zum Himmel gewandt ist?
Ist der Mensch ein Baum im Feld? Bin ich verwurzelt in meinem Intellekt, meinem Glauben, meinem Umfeld und in dieser Welt oder schwankt mein Kopf im Wind herum und ein kleiner Sturm wird mich entwurzeln?
Der Israelische Dichter Natan Zach hat kurz nach dem Holocaust den Satz „Ki Ha’adam Etz HaSsadeh“ in ein wunderschönes, trauriges Lied verdichtet. Ich habe versucht, es nachzudichten:

Ist der Mensch ein Baum im Feld?
Genau wie ein Mensch, blüht auf der Baum
Genau wie der Baum, wird der Mensch gefällt
Und ich, ich weiss nicht
wo war ich und wo will ich noch hin
wie ein Baum im Feld
Ist der Mensch ein Baum im Feld?
Er wirft die Arme wie ein Baum gen Himmel
Und er verkohlt wie er im Brand
Und ich, ich weiss nicht
wo war ich und wo will ich noch hin
wie ein Baum im Feld
Ist der Mensch ein Baum im Feld?
Unstillbar ist sein Durst nach Wasser
Nach Leben in unserer vertrockneten Welt
Und ich, ich weiss nicht
wo war ich und wo will ich noch hin
wie ein Baum im Feld
Ich liebte und ich hasste
Ich habe so vieles probiert
Doch sie verscharrten mich in der Erde
und es schmeckt so bitter und ich werde
wie ein Baum im Feld
wie ein Baum im Feld

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