Menschen und Mörder

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Diese Woche habe ich über Purim und Brüssel geschrieben. Dort schrieb ich den Satz:

Nach Deutschland flüchten Menschen und nicht Flüchtlinge und sie wollen wie Menschen behandelt werden, im Guten wie im Schlechten.

Was ich damit meine, will ich noch mal deutlich machen.

Was ist ein Mensch?

Vor allem ist ein Mensch kein Tier. Der Unterschied zwischen Menschen und Tieren ist aber nicht die Fähigkeit zu sprechen oder zu kommunizieren, ist auch nicht die Fähigkeit zur Herstellung und Nutzung von Werkzeugen, ist nicht die Weitergabe von Gelerntem an die nächste Gerneration und auch nicht die Fähigkeit Empathie und Liebe oder auch Hass zu empfinden. All das findet man auch bei Tieren wieder. Der wesentliche Unterschied ist der Freie Wille. Das lernen wir aus der Bibel, gleich zu Anfang, wenn Eva Adam den Apfel vom Baum der Erkenntnis reicht.

Das heisst, ein Mensch trägt eine Verantwortung für das, was er tut. Man wird nicht zum Mörder, weil die Umstände so sind wie sie sind, man wird zum Mörder, weil man selbst entschieden hat, einer zu werden.

Wem die Bibel nicht gefällt, der kommt mit Hilfe von Sartre zum selben Schluss.

„Jeder kann jederzeit aus dem etwas machen, was aus einem gemacht wurde“
Jean Paul Sartre

Terroristen sind Mörder

Terroristen sind Mörder, weil sie Menschen sind und Mörder sein wollen. Nicht, weil Europa oder die USA in der Vergangenheit falsche Politik betrieben haben. Mag‘ ja sein, dass diese falsche Politik in Afrika und in Nahost bei bösen Menschen die Hemmschwelle gesenkt hat, Mörder zu werden, das macht sie aber nicht weniger schuldig am selbst gewählten Weg. Der Satz „Liebe Deinen Nächsten wie dich selbst“ stammt aus der Torah. Das Judentum kennt die Nächstenliebe schon länger, als das Christentum existiert, versteht darunter aber nicht so einen Quatsch, wie Käßmanns Liebe für Terroristen. Sie bedeutet, dass wir an andere keine strengeren Masstäbe als an uns selbst stellen dürfen. Wenn ich zum Mörder werden sollte, werde ich mich hassen. Genau wie die Mörder von Brüssel, Paris und natürlich von Tel Aviv, Jerusalem, Judäa, Samaria und sonst wo in der Welt, die aus welchen Gründen auch immer Wehrlose und Unschuldige in den Tod reissen.

Flüchtlinge sind Menschen

Flüchtlinge sind Menschen und selbst verantwortlich für das, was sie tun: Für die Risiken, die sie eingehen, die Fehler, die sie machen und für ihr Verhalten, wenn sie ankommen. Wenn man sie in Lager steckt, das Arbeiten verbietet und ihnen jedes Verbrechen mit Hinweis auf kulturelle Unterschiede verzeiht, dann wird es für sie unmöglich, etwas aus sich zu machen. Das kann sich Deutschland mit Blick auf die Geburtenrate eigentlich nicht leisten.

Wirtschaftsflüchtlinge

Die Diskussion dreht sich neben der Bewältigung des Flüchtlingsstroms generell auch um die Unterscheidung zwischen „echten“ und Wirtschaftsflüchtlingen. Dabei macht doch die Motivation zur Flucht aus einem Fliehenden keinen Reisenden.

Fast alle Neueinwanderer Amerikas waren Wirtschaftsflüchtlinge und sie haben eine großartige Nation aufgebaut. Wer flieht, weil er zuhause sich nicht verwirklichen kann, der will sich wo anders entfalten. Der will leisten und an seiner Leistung einen Gewinn haben. Ist das verwerflich? Nein. Im Gegenteil, diese Art Flüchtlinge bringen ein Land mit Geburtendefizit nach vorne. Auf der anderen Seite aber Menschen, die vor Krieg und Vertreibung flüchten, brauchen eher die Hilfe eines Sozialstaates.

Die Menschlichkeit gebietet es, solchen Menschen zu helfen. Wie weit und wie lange und zu welchen Konditionen, darüber kann man und muss man streiten. Diese Menschen sollten und wollen wahrscheinlich sogar so schnell wie möglich zurück in ihr Land, sobald der Krieg vorbei, die Vertreibungen zuende, die Hungersnöte gemildert oder andere „Fluchtursachen“ abgestellt sind. Die Wirtschaftsflüchtlinge aber wollen bleiben. Und Deutschland sollte das als Chance verstehen und nicht als Bedrohung. Andere Länder machen es vor: Wer einen Pass in Kanada oder in Neuseeland will, muss vorher beweisen, dass er leisten kann und will. Die Religion, Herkunft, Geschlecht oder Hautfarbe spielt dabei keine Rolle. Das wäre auch rassistisch.

Wenn man in Deutschland hohe Motivation, eigene Leistung und die Anerkennung des Staates und seiner Gesetze mit einem Pass honoriert und das den Flüchtlingen vorher deutlich kommuniziert, dann sind sie ein Segen und kein Fluch für Deutschland. Wer jedoch nur eine Überlebenspause von den Kriegen zuhause braucht, denen sollte man genau das von Herzen gönnen und geben und nicht mehr.

 

Purim und Brüssel

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Perser an Bäumen aus der Purimgeschichte?

Heute war Purim, ein jüdisches Fest, das vor allem bei den Kindern beliebt ist. Es wird sich verkleidet wie beim Fasching oder auch wie der wilde Max in seinem Wolfspelz in Maurice Sendaks „Wo die Wilden Kerle wohnen“.

Mein älterer Sohn war nicht als Wolf verkleidet wie Max, sondern als Löwe, als gestern Abend in der Synagoge die Geschichte über Esther, Mordechai und Haman aus der Bibel vorgelesen wurde. Immer, wenn letzterer genannt wird, machen die Kinder und auch die Erwachsenen Krach und übertönen seinen Namen. Wer die Geschichte nicht kennt, hier eine kleine Zusammenfassung.

Haman mag weder die Juden allgemein noch Mordechai im Besonderen und plant mit des Königs Hilfe ihre Ermordung in allen seinen Ländereien. Er stellt Bäume oder Galgen auf um Mordechai daran aufzuhängen und erlässt mit dem Siegelring des Königs signierte Erlasse, die die Ermordung aller Juden und der Plünderung ihrer Habe befielt.
Ungünstigerweise für ihn ist Esther, die Königin (eine von vielen im Harem des Königs) die Cousine des Mordechai. Sie bekommt daher Wind davon, ordnet ein Fasten an (Taanit Esther, der Tag vor Purim erinnert daran) und bezirzt unter Einsatz ihres Lebens den König. Mit Erfolg: Am Ende hängt Haman mit seinen Söhnen am Galgen, den er für Mordechai gebaut hat und die Juden werden gerettet und stattdessen Hamans Leute getötet. Eine sehr blutige Geschichte, die ausnahmsweise mal gut ausging für uns Juden.

Wir wollen mit dem Krach den Namen Haman symbolisch auslöschen, denn er war nicht nur ein abgundtief böser Mann, er stammte aus dem Volk Amalek, das die schwachen und hilflosen hinterrücks überfallen hat auf der Flucht Israels aus Ägypten. Und Amalek müssen wir vernichten und vergessen machen, befiehlt uns G’tt und Moses in der Torah.

In Brüssel wurden vor wenigen Tagen auch Wehrlose hinterrücks überfallen und ermordet von Terroristen. Die Taten dieser Mörder werden gerne „feige“ genannt. Warum? Es gehört schon Mut oder zumindest Übermut dazu, ein Attentat zu verüben, bei dem man höchstwahrscheinlich selbst stirbt. Es ist nicht feige, Wehrlose zu ermorden, die von der (Flughafen-)Polizei bewacht werden, es ist niederträchtig und abscheulich und vor allem: böse.

Die Purim-Geschichte in der Bibel ist in einem Punkt sehr besonders. Es ist die einzige Geschichte, in der G’tt nicht vorkommt. Weder als Name, oder als Preisung oder Hoffnung, noch als Helfer beim Kampf gegen das Böse. Denn das Böse müssen wir ganz alleine besiegen.

Das haben wir in Israel verinnerlicht: Wer uns einen Galgen baut, wird selbst daran baumeln. Aber auch, dass wer uns die Hand reicht, den empfangen wir mit offenen Armen.

Europa hat beides noch nicht verstanden. Die Flüchtlinge werden von allen politschen Kräften verschieden schlecht behandelt. Der rechtsaussen-Pöbel verbrennt ihre Häuser, die Konservativen wollen sie schnellstmöglich wieder los werden oder gar nicht erst reinlassen und die Linken wollen sie wie schwer erziehbare Kinder bemuttern, scheren sich am Ende aber nur um ihr eigenes politisches-gesellschaftliches Ansehen, nicht aber um die Bedürfnisse dieser Menschen (von rühmlichen Ausnahmen abgesehen).

Und die Unterstützer und Wegbereiter der Mörder von Brüssel, das sind die Um-jeden-Preis-Relativierer, die Schuld-bei-uns-selbst-Sucher, die Hat-nix-mit-dem-Islam-zu-tun-Verklärer, aber auch all die Muslime, die lautstark schweigen zu solchen Taten, werden auch nicht auf ihre Plätze verwiesen.

Es müssen ja nicht gleich Galgen sein. Es reicht auch, wenn man einfach mal die richtigen Worte findet. Meine Söhne und ich haben heute Abend das Buch von den Wilden Kerlen gelesen. Sie haben furchtbare Augen und furchtbare Zähne und Krallen und brüllen furchtbar laut. Wenn man Kindern unverblümte Sprache in Kinderbüchern und in der Purim-Geschichte zumuten kann, warum dann nicht auch Erwachsenen?

Nach Deutschland flüchten Menschen und nicht Flüchtlinge und sie wollen wie Menschen behandelt werden, im Guten wie im Schlechten. Terroristen wiederum sind Mörder und nicht Kämpfer für ihre Sache und wer das und ihre Motivation nicht beim Namen nennt, sollte lieber Kinderbücher lesen, anstatt in einer Diskussion über Terror in irgendwelchen Talkshows rumzuorwellen.

Dann wird es vielleicht irgendwann mal was mit dem Kampf gegen den Terror und der Integration der Neuankömmlinge. Bis dahin, viel Glück!

Taxi in Madrid – Adrenalin pur

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Der Fahrer dieses Gefährts war die große Ausnahme. Ruhig und entspannter Fahrstil. Die Zielstrasse hat er jedoch am Ende auch verfehlt.

Ich bin gerade beruflich in Madrid und meine Firma lässt mich jeden Morgen mit dem Taxi in unser lokales spanisches Büro und jeden Abend zurück ins Hotel kutschieren.

Taxifahren in Madrid hat echt Vorteile gegenüber dem selben Freizeitvergnügen in anderen Orten. In Berlin etwa muss man froh sein, wenn es einem der Fahrer nicht übel nimmt, dass man mit ihm gefahren ist. In Israel wiederum sollte man sein Testament vorher gemacht haben.

Die Vorteile in Madrid auf einen Blick:

  • Es fahren gefühlt 20 freie Taxen pro Minute an einem vorbei, egal wo man ist. Altmodisches Taxirufen und neumodische Äpps braucht man nicht.
  • Die Fahrer sind durch die Bank freundlich, bieten während der Fahrt Smalltalk und Kaugummis an.
  • Ich habe noch kein Taxi gefunden, in dem man nicht problemlos mit Karte bezahlen kann. Karte rein, Geheimzahl eintippen, Karte raus. Geht schneller als auf Wechselgeld aus der speckigen Arschtasche des Fahrers zu warten.
  • Die Taxen sind sauber und ordentlich und riechen nicht nach Männerschweiss mit Zigarettenasche und Duftbaum Gemisch, so wie viele in Berlin.
  • Die Fahrer fluchen nicht ständig über andere Verkehrsteilnehmer, wie etwa die israelischen, die nach eigenem Bekunden die einzigen auf der Strasse sind, die einen Spurwechsel (einen? Was sage ich, hunderte pro Kilometer!) korrekt durchführen können. Und das ganz ohne lästiges Blinken oder einen Blick in den Rückspiegel.

Aber es gibt auch Nachteile:

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Fernando Alonso, entfernter Verwandter aller spanischen Taxifahrer – Foto von Wikipedia/Ryan Bayona
  • In Madrid scheint jeder Taxifahrer mindestens ein entfernter Verwandter von Fernando Alonso zu sein. Ich habe mir abgewöhnt, auf die Strasse zu gucken, um meine Nerven zu schonen und meinen Adrenalinspiegel auf einem erträglichen Niveau zu halten. Aber manchmal holt einen eine Vollbremsung mitten auf der Autobahn dann doch in die Wirklichkeit zurück.
  • Fremdsprachen heissen Fremdsprachen weil sie Taxifahrern fremd sind und nur Fremde sie sprechen. Ich bin hier so ein Fremder. Nicht mal ein paar Brocken Englisch habe ich aus den Taxifahrern herausbekommen. Dem Drang, Smalltalk zu betreiben tut das leider keinen Abbruch, man wird eben auf Spanisch vollgequatscht
  • Dank Google Maps und Navis verfahren sich die Fahrer nicht komplett. Aber ich musste fast jedes Mal darauf hinweisen, die richtige Ausfahrt aus dem Kreisverkehr nicht zu verpassen, wenn ich keine extra Alonso-Runden drehen wollte.

Donnerstag fahre ich wieder ab. In zwei Wochen bin ich dann in Düsseldorf. Wieder beruflich und wieder oft mit Taxen unterwegs. Mal sehen, was ich dann erleben werde. Sofern ich die Taxifahrten bis dahin überlebe. Am meisten mache ich mir Sorgen bei der Fahrt vom Ben Gurion Flughafen nach Hause.

Koscher Madrid

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lecker koscher, liebe Mary Jeez!

Wenn man in Madrid koscheres Essen sucht, hat man durchaus Möglichkeiten. Ich war eben einkaufen und habe in einem koscheren Laden um die Ecke leckere Pastete und Aufschnitt gekauft. Ausserdem gibt es in der Nähe eine Bäckerei, die koscheres Brot im Angebot hat. Dort habe ich die Brötchen her. Nur der Name der Verkäuferin war irgendwie lustig.

Die Woche der Brüderlichkeit

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Webseite der Jüdischen Allgemeinen.

Die Jüdische Allgemeine hat mich nach einem Kommentar zur Woche der Brüderlichkeit gefragt und ich habe geliefert. In der gedruckten Ausgabe steht der Artikel sogar auf der Seite 1.

Das Motto dieses Jahr ist „Um Gottes Willen“ und ich setze mich mit der Frage auseinander, ob Gottes Wille überhaupt erfassbar für uns ist. Das Thema ist theologisch hochexplosiv, denn wenn alles nach Gottes Wille geschieht, wollte Er dann auch den Holocaust?

Lest einfach hier weiter: http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/24834

Gut Schabbes Selfie – Vayakhel

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Immer dieser Nerd-Humor! Aus Teruma mach Vayakhel mit sed. Hinter dem sed-Link versteckt sich mein Zweitblog „Jetzt aber Shell!

Dieser Schabbat ist Wochenabschnitt Vayakhel und ausserdem ist heute Schabbat Schekalim. Das ist einer von etwa zehn Schabbaten, die eine eigene Bedeutung haben. Es geht diesen Schabbat um den Census, der am Monatsanafang danach genommen wurde. Ein halber Schekel von jedem. Daher der Name.

Moment mal! Darüber habe ich doch gerade letzte Woche geschrieben! Da hätte ich mir doch keine extra Mühe machen müssen und hätte einfach den letzten Selfie recyclen können! Denn letzte Woche lasen wir den Wochenabschnitt mit den halben Schekeln.

Recyclen ist ein gutes Stichwort. Der Abschnitt diese Woche ist eigentlich eine fast wortwörtliche Wiederholung vom Abschnitt Teruma. Dort stand drin, wie der Mischkan, also das Heiligtum gebaut wird und heute, dass er gebaut wird.

Und schon wieder wird uns der Schabbat befohlen! Dass ist gut, denn ohne den gäbe es ja auch keine Gut Schabbes Selfies von mir.

Schabbat Schalom!

Rabbi mit Messer

Ein Blitzableiter auf einem Kirchturm ist das denkbar stärkste Mißtrauensvotum gegen den lieben Gott. (Karl Kraus)

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Naja. Der Spruch vom Satiriker Karl Kraus ist so medium lustig, zumindest aus jüdischer Sicht. Denn wir betrachten einen Blitzableiter an einer Synagoge nicht als Mißtrauensvotum, sondern als gesunden Menschenverstand.

Klar, wir vertauen auf G-ttes Hilfe. Aber wir sagen auch: Den ersten Schritt musst Du selbst gehen, erst dann kann G-tt dir helfen. Und wenn Du krank bist, geh‘ verdammt noch mal zum Arzt und verlasse dich nicht auf Gebete und ein Wunder.

Deswegen ist es auch nicht überraschend, dass Rabbiner Selbstverteidigungskurse besuchen. Zu oft müssen sie nämlich als Blitzableiter herhalten für antisemitische Gewalt. Mein Rabbifreund Schmulik aus Hamburg war auch da, und hat mir den Bild-Artikel geschickt. Ich hoffe vom tiefsten Herzen, dass er das dort gelernte nie anwenden muss.