
Heute ist der Yom HaZikaron, der Tag des Gedenkens an die Opfer von Krieg und Terror in Israel.
Wie jedes Jahr, gab es in fast jedem Ort eine oder mehrere Veranstaltungen, öffentliche Trauerfeiern. Die imposanteste von allen war die aus Jerusalem, wo die Klagemauer ihrem Namen endlich mal alle Ehre macht. Sie wurde live im Fernsehen und auf mehreren Kanälen gleichzeitig übertragen.
Nicht minder beeindruckend ist aber die Veranstaltung auf dem Rabin-Platz in Tel Aviv. Dieses Jahr bin ich leider mal nicht hin gefahren. Aber letztes Jahr war ich dort.
Ich nahm zwei junge Mädchen aus Deutschland mit, die gerade hier in Israel in Ra’anana ein Freiwilliges Soziales Jahr absolvierten. Eine von ihnen arbeitete in dem Kindergarten, in den mein kleiner Sohn ging. Daher kannte ich sie.
Ich musste die beiden ein wenig überreden. Sie dachten, das wird so eine nationalduselige Selbstbeweihräucherungs- und Selbstmitleidsveranstaltung, auf der sie fehl am Platz sind. Erstens, weil sie Deutsche sind und zweitens, weil sie sich selbst als „kritisch“ gegenüber Israels Militärpolitik sahen und daher einer Trauerveranstaltung für Israelische Soldaten nicht wirklich viel abgewinnen konnten.
Dabei lohnt sich diese Veranstaltung schon alleine deshalb, weil man noch nie so viel Stille in Mitten von Tel Aviv und in Mitten von so vielen Menschen erlebt hat. Der Platz im Zentrum der Stadt ist gerammelt voll und während der gemeinsamen Schweigeminute ist es so still, dass ein leises Maunzen einer streunenden Katze am anderen Ende des Platzes laut und deutlich zu vernehmen ist.
Auch wenn gerade nicht geschwiegen wird, ist es ein ungewohntes Setup. Die größten Stars des Landes treten auf, singen traurige Lieder, die viele mitsingen können und es auch leise tun und es klatscht niemand. Wirklich niemand. Gestandene Männer weinen leise und halten sich an ihren starken Frauen fest. Am Ende singt man gemeinsam und andächtig die in Moll gehaltene Hatikva, die Nationalhymne, und geht dann nahezu schweigend nach Hause (Genau wie beim Yom Hashoah, siehe Video).
Ich bereitete die Mädchen auf den Abend vor und erzählte all das obige. Sie waren etwas skeptisch aber neugierig. Aber als ich ihnen versprach, dass zwischen den Liedern die Geschichten von Gefallenen und Terroropfern in kurzen Videos erzählt werden und dass es immer auch eine arabische und drusische Familie gibt, deren Geschichte erzählt wird, da glaubten sie mir einfach nicht.
Ich hatte nicht gelogen. Und auch, wenn es jetzt ein Jahr her ist, das Gesicht des kleinen arabischen Jungen, der voller Stolz von seinem als Israelischer Soldat gefallenen Bruders (oder was es Cousin?) sprach, vergesse ich nicht. In kindlichem hebräisch und mit arabischem Akzent lobte er die Liebe und Aufopferung, die er von ihm erfahren hat und schwor feierlich, in seine Fußstapfen zu treten, wenn er groß ist.

Wir gedenken an diesem Tag all unseren Toten, unbesehen ihrer Religion und Herkunft. So ist es auch nur folgerichtig, dass eine der Künstlerinnen, die dieses Jahr auf der Bühne in Jerusalem stand, eine Israelische Araberin ist. Nasreen Qadri, die als Sängeren der Vorgruppe von Radiohead auf Tournee ist, ist für diesen Tag als stolze Israelin nach Hause gekommen, um zu singen.
Die beiden Deutschen Mädchen vom letzten Jahr waren auf der Rückfahrt im Auto sprachlos. Ich hatte mit nichts übertrieben, alles was ich angekündigt habe, ist genau so eingetroffen. Und doch waren sie überrascht und überwältigt. Ich glaube, wer ein Mal mit uns in Israel den Yom HaZikaron begangen hat, der versteht uns besser. Versteht unsere Sehnsucht, unsere Liebe und unsere Hoffnung als Israelis, als Menschen in dieser Welt auf diesem kleinen Stück Erde im Nahen Osten.
Und der wird uns trotz aller Kritik auch die Freude gönnen, die wir am nächsten Tag versprühen, wenn wir überschwänglich unseren Unabhängikeitstag feiern. Durch den Kontrast wird die Freude noch größer und, was noch wichtiger ist, nicht zu einer bedeutungslosen Party. Wer um die Opfer trauert, die für dieses wunderbare Land gebracht wurden und werden, der kann es auch aus tiefstem Herzen feiern.