Wie jung und hübsch sie doch ist!

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Twitterprofil von Sawsan Chebli

Vorfall: Ich sollte heute Morgen eine Rede halten. Vier Frauen sitzen auf dem Podium. Ich setze mich auf den reservierten Platz in die erste Reihe. Vorsitzende vom Podium aus: „Der Staatssekretär ist nicht da. Ich würde sagen, wir fangen mit den Reden dennoch an.“ Ich antworte ihr aus der ersten Reihe: „Der Staatssekretär ist da und sitzt vor Ihnen.“ Sie antwortet: „Ich habe keinen so jungen Mann erwartet. Und dann sind Sie auch so schön.“ Ich war so geschockt und bin es immer noch. Ich bin jedenfalls ans Pult: „Sehr geehrte Frau Botschafterin a.D., es ist schön, am Morgen mit so vielen Komplimenten behäuft zu werden.“ Im Saal herrschte Totenstille. Dann habe ich meine Rede abwechselnd in deutscher und englischer Sprache frei gehalten. Es war ein internationales Forum. Klar, ich erlebe immer wieder Sexismus. Aber so etwas wie heute habe auch ich noch nicht erlebt.

Diese Geschichte ist genau so passiert, nur die Geschlechter waren vertauscht. Den Originalpost von Sawsan Chebli findet ihr hier. Einen Text mit Hintergründen gibt es in der Morgenpost.

Viele Reaktionen, die ich zu diesem Vorfall gelesen habe, deuten an, dass es ja nichts Schlimmes ist, wenn man einer schönen Frau ein Kompliment macht. Doch wenn man die Geschlechter verdreht, wird es hoffentlich deutlich, wie absurd das ganze ist.

Es ist schon bezeichnend, dass auf dem Podium ausschließlich Männer saßen. Und die Ignoranz, die man aufbringen muss, um eine anwesende Person zu ignorieren, nur weil sie nicht ins übliche Schema passt, kommt nicht von ungefähr. Die Politik in der westlichen Welt wurde zu lange von alten, weißen Männern gemacht. Und das trifft nicht nur Frauen, die sich in die Geschicke der Welt einmischen wollen: Obama ist als erstes ein Schwarzer und dann erst Präsident, Sebastian Kurz ist jung, Troudeau ist gutaussehend und Macron hat eine alte Frau.

Dabei sollte es in der Politik um Inhalte gehen. Äußere Attribute sind keine. Und in diesem Fall sind sie geradezu sexistisch: Frau Chebli wurde erst übersehen, obwohl sie anwesend war und dann wurde ihr ein fragwürdiges Kompliment für ihr Äußeres gemacht. Als ob es unmöglich ist, eine erfolgreiche Politikerin und eine junge Schönheit gleichzeitig zu sein.

Ob der Vorsitzende des Podiums ein Sexist ist, ist gar nicht die Frage. Die Situation war sexistisch und es liegt nicht an dem einen Mann, der falsch reagiert hat, es liegt daran, dass es eben tatsächlich eine Besonderheit ist, wenn junge, schöne Frauen sich inhaltlich einbringen. Denn sie werden auf dem Weg zur Politikerin immer wieder belächelt und nicht ernst genommen.

Es ist schon wahr, dass wir Frauen gerne Komplimente hören, vor allem wenn wir uns mit Kleidung und Make-Up viel Mühe geben, um gut auszusehen. Selbstverständlich gehöre auch ich dazu. Die Frage aber ist, ob es in genau diesem Moment passend ist. Wenn man etwa auf einer Aftershowparty sich unterhält und flirtet, spricht nichts dagegen, so ein Kompliment zu machen. Wenn man aber in der Funktion einer Staatssekretärin bei einer politischen Veranstaltung teilnimmt, ist der Spruch: „Sie sind ja eine schöne, junge Frau“ höchst sexistisch und unpassend.

Es ist noch immer schwierig für eine Frau, gerade in der Politik, in die festgefahrenen männlichen Netzwerke einzubrechen und eine wichtige Position zu erreichen. Ich erlebe auch immer wieder, dass man als Frau oft nicht ernst genommen wird und einer Frau oft weniger zugetraut wird. Und das ist Sexismus. Auch ganz ohne Anzüglichkeiten.

Ich habe inhaltlich große Differenzen mit Sawsan Chebli. Wir wären auf einer politischen Bühne erbitterte Gegnerinnen. Aber mit ihrem Aussehen hätte das überhaupt gar nichts zu tun. Und mit meinem übrigens auch nicht.

8 Gedanken zu “Wie jung und hübsch sie doch ist!

  1. Sexismus ist schlimm. Da gibt es gerade diesen Weinstein-Skandal in Hollywood. Wie dieser Mann aus einer Machtpostion Frauen erniedrigte und seine Sexualität an wirtschaftlich von seinen Entscheidungen abhängigen Frauen auslebte, ist kaum zu glauben.

    Der Fall Chebli liegt anders. Sie wurde übersehen, peinlich. Aus Verlegenheit wurde ihr dann, quasi zum Ausgleich, ein Kompliment gemacht. Dieses Kompliment muss sie unbedingt im facebook veröffentlichen. Ich glaube sie ist sogar ein bisschen stolz auf ihre Schönheit und darauf, dass ein Mann ihr das sagte. Er verlangte nichts von ihr, machte keine Anzüglichkeiten oder Erniedrigungen, wie Weinstein es tat.
    Dass Cheblib eitel ist, erkennt man am letzten Satz, sie lobt sich selbst für ihren Vortrag. Das ist megapeinlich. Hätte ihr eine Frau dieses Kompliment für den zweisprachigen Vortrag gemacht, dann hätte sie Grund stolz zu sein.

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  2. Cornelia von Oheimb von der DIG war auf der Veranstaltung auch anwesend, sie widerspricht Chebli:

    „Ich frage mich nun zu recht, wie sexistisch ist Frau Chebli mir gegenüber, da sie doch in der ersten Reihe saß und mich als Frau nicht wahrgenommen hat“

    Außerdem sagte sie:

    Ihre Rede habe die Staatssekretärin allerdings nicht frei gehalten, sondern vom Blatt abgelesen.

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    1. Was hat die verständliche Eitelkeit einer öffentlichen Person mit Sexismus anderer zu tun? Würde sie wie Putin regelmäßig Halbnacktfotos von sich veröffentlichen, wäre das was anderes. Aber einfach auf Fotos, die man selbst veröffentlicht möglichst gut auszusehen, ist doch völlig normal!

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      1. Da Sie, werter Eliyah, die Eitelkeit als verständlichen Charakterzug anerkennen, warum sollte die bei Äußerlichkeiten aufhören?
        Wahrscheinlich war keiner der Kommentierenden vor Ort, die Verfasserin des Artikels wohl auch nicht.
        Insofern sind alle Stellungnahmen auf Bauchgefühl beruhend.
        Mir kommt die Bemerkung über Äußeres, bei diesem Anlass auch verfehlt vor, aber dann sofort die „schmutziger Mann Keule“ auszupacken ist schon arg die Opferecke bedienend.
        Um so mehr wenn man der Gegendarstellung auch einen gewissen Wahrheitsgehalt zubilligt..

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  3. Eitelkeit ist nur eine Facette. Eitelkeit wäre absolut kein Problem, wenn sie sich nicht so einen Bohei darum gemacht hätte, dass ihr Aussehen am falschén Ort erwähnt wurde. Sie ist nicht ehrlich. Sie prahlt damit, eine freie Rede gehalten zu haben. Tatsächlich las sie vom Blatt ab. Sie beklagt sich, nicht erkannt worden zu sein, während sie selbst eine andere Frau im Raum übersieht. Diese Frau hat sich dann zu Wort gemeldet.
    Chebli ist kein Sexismusopfer, der Mann war ungeschickt, das ist alles. Er hat nichts von ihr verlangt. Er hat einen Fehler gemacht, ihr Aussehen zu erwähnen. Sie beschwert sich darüber, gleichzeitig spiegelt sie per Bildbearbeitung ein glattes Aussehen vor.
    Wie soll sich ein echtes Sexismusopfer dabei fühlen? Eine Frau, die sexistisch bedrängt wird denkt: ich hätte gerne Cheblis Probleme.

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