Gestern Abend war ich in Jerusalem bei der Konrad-Adenauer-Stiftung zu Besuch. Mein Freund Michael Borchard hat seinem Amtsnachfolger symbolisch die Schlüssel für das Büro übergeben und eine pointierte, emotionale Rede gehalten. Das Land Israel wird ihn wohl zeitlebens nicht loslassen.
Dort traf ich mal wieder auf den in Stuttgart geborenen Pater Nikodemus. Auch er wird Israel nicht wieder los, denn er ist gekommen, um zu bleiben. Wir haben einen interessanten interreligiösen Dialog begonnen an dem Abend. Ich hoffe, wir werden ihn vertiefen.
Wenn es klappt, sogar mit Kamera und Ton, damit auch andere an unseren Gedanken und unserem Dialog teilhaben können. Denn eines ist uns beiden klar: Er wird Christ bleiben, ganz egal, was ich sage und ich bleibe Jude, egal welche Argumente er vorbringt. Nur wenn das geklärt ist, kann tatsächlich ein interessanter Austausch von Ideen und Wissen stattfinden.
Am kommenden Sonntag stellt er sich zur Wahl als Abt der Dormitio Abtei in Jerusalem. Ich wünsche ihm und der Abtei, dass er gewählt wird. Einen offeneren, sympathischeren, gewitzteren und besseren Abt werden sie so schnell nicht finden.
geehrt werden Sie in letzter Zeit häufig: Sie sind im Januar stolze 70 Jahre alt geworden und haben vor einem halben Jahr Ihre Autobiographie veröffentlicht. Ich muss zugeben, gelesen habe ich sie nicht. Ich habe es auch nicht vor.
Als Sie am 25. Januar bei Markus Lanz in der Talkshow saßen, erzählten Sie genug aus diesem Buch. Genug für mich zumindest. Ihre mutmaßliche Tätigkeit für die Stasi, die Sie vehement bestreiten, wird im Buch in mageren 1 ½ Seiten abgehakt. Damit Sie sich damit ehrlich auseinandersetzen, muss wohl noch ein zweites Buch dieser Art von Ihnen geschrieben werden. Auch Günter Grass musste einige Zwiebeln häuten, bis er seine SS-Angehörigkeit zugeben konnte. Bereut hat er sie indes nicht.
Sie sind gut gealtert. Sie besitzen Altersweisheit, Witz und eine, wenn auch etwas herablassende, Altersmilde. Ihre politischen Ansichten sind nicht grundverkehrt, sie rühmen sich damit, mit dem Rauchen aufgehört zu haben und damit, dass Sie die Bergpredigt Jesu verstanden haben und Menschen, die Ihnen Hass entgegenbringen „nicht zurück hassen“, auch wenn es Sie Mühe kostet.
Ich glaube Ihnen kein Wort
Ich hasse Sie nicht, daher erspare ich Ihnen diese Mühe. Ich glaube Ihnen nur kein Wort.
In besagter Talkshow sprachen Sie davon, wie Sie den Hausarrest meines Großvaters Robert Havemann als sein Rechtsanwalt aufgehoben haben. Zur Sprache kam er, da Sie Sich damit rühmten, den Bonzen in der Chinesischen Regierung klar gemacht zu haben, dass es im Interesse der Partei wäre, wenn Ai Weiwei frei ist. Denn nur die Gefangenschaft mache ihn berühmt.
China ist eine Diktatur
Sie sagen bei Lanz im Sessel ganz offen in die Kameras, dass China eine Diktatur sei, wie die DDR eine war. Sie sagen ganz frei heraus, dass die Verteidigungsstrategie bei Havemann wie bei Ai eine war, die das Eigeninteresse des Unterdrückerstaates nutzt.
Sie waren also nach eigenem Bekunden in einem Unrechtsstaat Rechtsanwalt. Verzeihen Sie den drastischen Vergleich: Aber das ist doch so, als ob Sie Arzt im Gulag waren. Mag ja sein, dass Sie Menschen zu Ihrem Recht verholfen haben: Die DDR kannte Gesetze, Gerichte und Richter, die nach rechtsstaatlichen Normen arbeiteten, sofern keiner der Streitenden der Staat und einer seiner Helfershelfer war. Sobald aber eine Partei die PARTEI war, war es mit der Rechtsstaatlichkeit passé.
Sie waren kein Zufall
Mein Großvater galt als Staatsfeind. Er wurde in seinem eigenen Haus im halboffenen Vollzug kostspielig gefangen gehalten. Eine Abteilung des MfS mit 120 Mitarbeitern kümmerte sich um ihn. 120 Menschen! Ein durchschnittliches Unternehmen dieser Größe erwirtschaftet Millionenumsätze jedes Jahr! Und Sie waren der Rechtsanwalt der Zielperson.
Bei einer Operation dieser Größe wird nichts dem Zufall überlassen. Und Sie waren kein Zufall. Sie haben sich diesen Job mit Linientreue gegenüber der Partei verdient. Die Partei, derer juristischen Nachfolgerin Sie bist heute treu dienen.
Mein Großvater war ein kluger Mann. Er wusste das alles natürlich. Er enttarnte insgeheim fast jeden IM und benutzte ihn, bis es der Stasi aufgefallen ist und er ausgetauscht wurde. Auch Sie wurden unfreiwillig benutzt als Doppelagent, der von Havemann genau das zu hören bekam, was er seinem Führungsoffizier mitzuteilen hatte. Sie waren also wirklich kein IM, kein Inoffizieller Mitarbeiter des MfS, sie arbeiteten ganz offiziell für die Stasi.
Heute werden Sie dennoch geehrt. Von vielen sogar verehrt. Bitte verzeihen Sie, dass ich nicht dazu gehöre. Sie sind ein armer Wicht, der mit Klugheit geschlagen und Feigheit gerüstet den Übermut aufbrachte, in die Politik zu gehen. Heute sitzen Sie im Bundestag in der letzten Reihe und träumen von einer Regierungsbeteiligung Ihrer Partei. Träumen Sie weiter. Für mich ist das ein Alptraum. Nur gut, dass ich weit weg bin, falls er jemals Wirklichkeit werden sollte.