Schon von Anfang an war klar, dass der Wahlkampf in Israel dieses Jahr ein ganz besonderer wird. Es gab den Geheimfavoriten Benny Gantz, der bevor er auch nur ein Wort sagte, bei den Umfragen 15 Knessetsitze erreichte. Erst Wochen später wusste man überhaupt, wer diese Sitze außer ihm besetzen würde. Es sah nach einem Rennen zwischen Netanyahu und Gantz aus. Als ehemaliger Militärchef und als durchaus charismatischer und charmanter Mann, hatte Gantz sofort das Vertrauen großer Teile der israelischen Bevölkerung. Damit hat er aber hauptsächlich den in den Umfragen bisher zweitplatzierten Yair Lapid unter Druck gesetzt. Am Ende waren beide gezwungen, sich zusammen zutun, um gegen Netanyahu eine Chance zu haben.
Bei den Wahlumfragen der letzen Woche lag die Liste Blue&White von Gantz und Lapid bei 36 und der Likud von Netanyahu bei 30 Sitzen.
Doch der politische Stratege Netanyahu hat schon am Anfang des Wahlkampfes im Januar vermutet, dass sich die Parteien im Zentrum auf irgendeine Art und Weise zusammenschließen werden und er womöglich die Wahl verliert. Er befürchtete, dass ein Paar rechte Parteien, die ihn womöglich in eine Koalition retten können, unter der Sperrklausel von
3,25% fallen könnten und somit den Einzug in die Knesset verpassen würden. Er sorgte daher dafür, dass drei rechte Parteien eine gemeinsame Liste gründen: Die sehr umstrittene Liste besteht aus Bayit Yehudi, National Union und Otzma Yehudit. Seine Rechnung ist aufgegangen. Im Schnitt erreichen sie sieben Sitze in den Umfragen.
Meistens kämpften in Knesset Wahlkämpfen zwei größere Parteien um den Sieg. In diesem Jahr aber sind die kleinen Parteien im Fokus. Außer den drei rechten Parteien, die sich zusammengetan haben, können noch einige andere wahlentscheidend sein. Kulanu, die Partei von Moshe Kahlon schafft es nach den meisten Umfragen noch gerade so über die 3,25%-Hürde. Interessant ist, dass er beim letzten Wahlkampf 2015 als Zentrumspartei gestartet ist und jetzt mit dem Slogan „die vernünftige Rechte“ Werbung für sich macht.
Viel schlechter sieht es im Moment um Liberman’s Israel Beytenu aus. Sie scheinen unter der Sperrklausel zu fallen. Dabei hat Netanyahu sogar versucht, Liberman’s Werte aufzubessern, in dem er erklärte, dass der Likud keinen Wahlkampf auf Russisch machen wird. Liberman’s Erfolg war schon immer mit den Stimmen aus der russischsprachigen Community verbunden. Diese ist tatsächlich in den letzten fünf Jahren stark gewachsen, weil es eine neue große Welle von Neueinwanderern aus Russland und der Ukraine gab. Die meisten von ihnen sind allerdings Junge Familien mit einem sehr europäischen Weltbild und politisch eher liberal. Die wenigsten von ihnen werden wahrscheinlich Liberman und seine Partei wählen.
Die arabische Union-Balad liegt in den Umfragen mal knapp über der Sperrklausel, mal knapp drunter. Ähnlich knapp sehen die Umfragen Gesher, die auch als Geheimfavorit am Anfang des Wahlkampfes galt. Zehut wiederum erreicht in den Umfragen stabile fünf Sitze. Sie waren diejenigen, die das Thema Legalisierung von Marihuana diese Woche in die Diskussion eingebracht haben.
Die ultra-orthodoxe Shas Partei und die linke Meretz stehen auf der Kippe, wobei sie in den meisten Umfragen gerade so über die 3,25% kommen.
Schon am Anfang des Wahlkampfes habe ich in politischen Gesprächen davor gewarnt, zu euphorisch wegen Blue&White zu werden. Auch falls sie die Wahl prozentual gewinnen, werden sie nach dem jetzigen Stand keine Mitte-Links-Koalition bilden können, außer Bibi hat mit seiner Polemik Recht und die Liste von Gantz und Lapid wird versuchen eine Koalition mit den arabischen Parteien einzugehen. Likud’s Slogan im Moment ist „Bibi or Tibi“. Tibi ist einer der Vorsitzenden der arabischen Parteien. Die meisten dieser Parteien sind extrem Anti-Zionistisch und somit trifft Bibi den Angstnerv der Bevölkerung.
Umfragen in der letzten Woche haben ergeben, dass 75% der Befragten sich von einer möglichen Anklage von Netanyahu nicht in ihrer Wahl beirren lassen. Nur 12% sagen, dass die Entscheidung des Generalstaatsanwaltes ihre Wahl beeinflusst und 13% der Befragten haben mit „weiss ich nicht“ geantwortet.
Ich sehe drei Optionen für den Ausgang dieser Wahl:
1. Zum einen könnte Blue&White die Wahl gewinnen und ein Koalition bilden. Dafür müssten sie aber entweder mit den linken und arabischen Parteien koalieren oder mit den linken und einigen rechten. Beides ist unwahrscheinlich und würde weder eine stabile Regierung bringen, noch strategisch gut für Blue&White sein.
2. Blue&White gewinnt die Wahl und Netanyahu tritt zu irgendeinem Zeitpunkt davor zurück und der Likud erklärt sich bereit,eine Koalition mit Blue&White zu bilden. Das halte ich im Moment für noch unwahrscheinlicher.
3. Blue&White gewinnt, bekommt jedoch keine Koalition zustande. Dann wird der Auftrag zur Regierungsbildung an Netanyahu übergeben und er bildet eine weitere rechte Koalition. Das halte ich aktuell für am wahrscheinlichsten. Unter anderem, weil die meisten Umfragen zeigen, dass das rechte Lager zwar nur eine knappe, aber doch eine Mehrheit hat.
Allerspätestens am 9. April werden wir wissen, welche der kleinen Parteien die Wahl entschieden haben!