Corona-Schabbat in Israel

So sieht unsere Synagoge aus

Unsere Gemeinde hat kein eigenes Synagogengebäude. Wir sind zu Gast in einer Schule und sitzen auf Plastikstühlen und haben temporäre Möbel, wie etwa das Lesepult, die auf Rollen stehen.

Ich bin gestern Abend zum Abendgebet mit gemischten Gefühlen gegangen. Die Schulen wurden geschlossen, Veranstaltungen abgesagt, Reisen ins Ausland sanktioniert und vieles mehr. Alles, um die Ausbreitung des Corona-Viruses zu verlangsamen. Ist es da eine gute Idee, in eine Synagoge zu gehen? Mit vielen Menschen gleichzeitig?

Als ich ankam, bot sich mir ein ungewohntes Bild. Der Gabbai (Synagogendiener, der den Gottensdienst organisiert) sagte an, dass wir leider das Gebet zweiteilen müssen, da mehr als 35 Beter anwesend waren. Ich ging also mit etwa 15 anderen Männern in die (geschlossene) Cafeteria der Schule, um dort das Abendgebet zu beten. Der Gabbai sagte an, dass es am nächsten Morgen genau so laufen werden: Ein geteilter „Minjan“.

Ich kam etwas zu spät an am nächsten Morgen zum Morgengebet. Wie eigentlich immer. Aber es waren kaum Menschen da. Die Frauensektion war fast komplett leer und die Männer sassen auf Stühlen, die so arrangiert waren, dass in alle Richtungen ein 2m Abstand zum nächsten Stuhl eingehalten wurde. Ein zweiter Minjan war nicht nötig.

Die Lesung des Wochenabschnitts aus der Torah ist üblicherweise eine gedrängte Veranstaltung. Um den Tisch stehen der Vorleser, der Aufgerufene, der Souffleur, der Gabbai und der Aufgerufene des vorherigen Abschnitts. Fünf Leute! Heute standen dort nur der Vorleser und der Aufgerufene. Alle anderen blieben auf Abstand.

Nach der Lesung gibt es immer ein sogenanntes „Dvar Torah“, einen kleinen Vortrag zum Wochenabschnitt. Man könnte auch „Predigt“ sagen, aber bei uns wird dieser Vortrag von Gemeindemitgliedern und nicht von einem Rabbi gegeben. Heute wurde dieser Vortrag verschoben auf das Ende des Gebets und verlegt auf den Vorplatz der Schule. Draussen ist die Ansteckungsgefahr geringer als in geschlossenen Räumen. Hofft man zumindest.

Das übliche Händeschütteln blieb aus und stattdessen grüßte man sich mit gebührlichem Abstand. Aber das schimmste war, dass der Kiddusch, das gemeinsame Essen nach dem Gebet ausgefallen ist.

Dieser Modus wird sich jetzt wohl mindestens fünf Wochen so hinziehen.

Diese Corona-Krise betrifft inzwischen jeden Aspekt des öffentlichen Lebens. Ich kann gut verstehen, dass Leute in Panik geraten. Ich wünsche uns allen, dass wir die Zeit gut überstehen, mit alten Gewohnheiten brechen lernen, wo es nötig ist und uns dann um so mehr wieder auf sie freuen, wenn wir sie wieder neu beleben dürfen.

Schavua tov, eine gute Woche!

Ist die Gleichberechtigung schon da?

Entstanden ist der 8te März als Initiative zur Gleichberechtigung von Frauen und Wahlrecht für Frauen.Das Wahlrecht gibt es immer noch nicht in allen Ländern. Und die Diskussion, ob Frauen heute in den westlichen Ländern gleichberechtigt sind, erstaunt mich. Dass die Frauen heute eine bessere gesellschaftliche Stellung haben als noch vor 10, 20, 50 Jahren ist unbestritten. Aber dass Frauen heute bereits die Gleichberechtigung erreicht haben, ist eine Ausblendung der Realität.
Dass die Gewalttaten gegenüber Frauen immer noch so verbreitet sind ist nur ein Indikator. Wenn man seine Frau, Freundin, Mitarbeiterin auf Augenhöhe betrachten würde, käme man nicht auf die Idee, die männliche, meistens körperliche Überlegenheit auszunutzen und den Frauen Gewalt antun.
Im Business und in der Politik erlebe ich regelmässig, dass Frauen nicht ernstgenommen werden, belächelt werden, schlechter bezahlt werden. Mit dem Argument, dass sich Frauen schon alleine durchsetzen können, wenn sie wollen, kann ich nichts anfangen. Frauen wurden im beruflichen Leben so lange übergangen, unterdrückt, dass es wohl nicht verwunderlich ist, dass die meisten Angst haben, laut ihre Forderungen im Beruf zu stellen. Das erlebe ich so oft. Frauen kommen zu mir und bitten mich um Rat, wie sie sich beruflich durchsetzen können oder sich trauen, auf Veranstaltungen Männer anzusprechen und ihre Business Idee vorzustellen. Ja, Frauen haben es absolut drauf, aber oft teilen die Männer alles unter sich auf. „Auch noch Expertinnen auf ein Panel einladen? Dann habe ich ja keinen Platz mehr.“
Auch die Gesetzgebung und die Gesellschaft stehen Frauen oft im Weg, vor allem wenn sie auf die verrückte Idee kommen, Kinder zu kriegen und beruflich erfolgreich sein zu wollen. Als ich nach zwei Jungs eine Tochter bekam, sagte mir ein Nachbar: „Ah, jetzt hast du dir eine Helferin im Haushalt geboren.“ Ja, wir leben in Israel und nicht in Deutschland, aber Israel ist ein sehr europäisches und liberales Land. Auch in Deutschland höre ich ähnliche Sätze.
Das sollte eigentlich nur ein ganz kurzer Post werden…
Danke an die Männer, die es als selbstverständlich nehmen, Frauen auf Augenhöhe zu behandeln.
Die anderen Männer, versucht euch in die Situation der Frauen reinzuversetzen.

Und an die Frauen: „Ihr seid toll, klug, ehrgeizig! Kämpft weiter für unsere Rechte! Alles Gute zum Weltfrauentag!“ 💪🏼