Heute ist es sieben Jahre her, dass ich nach Israel eingewandert bin. Man nennt das „Aliyah“ machen. Das Wort bedeutet übersetzt „Aufstieg“, beschreibt also das Verlassen des Exils und die Heimkehr in die Heimat.
Hier in Israel ist viel passiert: Ich habe in insgesamt sechs verschiedenen Wohnungen in drei verschiedenen Städten gewohnt, habe meine wunderbare Frau Jenny geheiratet und sie hat uns sind zwei wirklich tolle Jungs geboren. Und zusammen haben wir viel erlebt und auch erreicht.
Für mich ist die Aliyah nach Israel tatsächlich eine Heimkehr geworden. Ich fühle mich hier zum ersten Mal in meinem Leben in einem Land zuhause. Geboren wurde ich in der DDR in Berlin, aufgewachsen bin ich in Hamburg, Rheinland-Pfalz und im französischen Elsass. Überall war ich auf der Durchreise und habe kaum emotionale Bindungen zu Orten aufgebaut. Meine Familie war meine Heimat, nicht mein Land, Ort oder Haus.
So freut es mich auch bis heute, dass meine Schwester Nelli mich damals begleitet hat auf meinem Weg nach Israel. Wie das damals war, beschreibe ich in meinem Buch „Wie werde ich Jude?“ und das gibt es hier als Leseprobe, die hoffentlich Lust auf mehr macht:
Heute ist es sechs Jahre her, dass ich nach Israel eingewandert bin. Man nennt das Aliyah, also einen Aufstieg in die Heimat.
Meine Schwester Nelli hat mich damals begleitet und mir geholfen, mein erstes Zimmer in einer WG zu beziehen. Die Fotos von damals findet man auf Flickr. Zu sehen ist dort mein erster Ice-Aroma, mein erstes WG-Zimmer, und natürlich meine Schwester und ich.
Am Flughafen Ben Gurion wird man als Neueinwanderer persönlich noch vor der Passkontrolle abgeholt und in einen Bereich gebracht, in dem man seine ersten israelischen Ausweisdokumente und etwas Bargeld erhält. Das Foto weiter oben ist von dort und auf dem Schild im Hintergrund steht in vielen Sprachen „Willkommen Zuhause“.
Für mich war die Aliyah, die Einwanderung nach Israel, tatsächlich ein Nachhausekommen. Als ich heute mit meiner Mutter über das Jubiläum sprach, sagte sie: „Sehr interessant, Du bist nicht ausgewandert, sondern ein. Heute ist der 10.1. und am 11.2. haben wir [meine Mutter und ich] die DDR verlassen, vor 38 Jahren. Weil Du eingewandert bist, zieht Dich nichts mehr zurück. Ich wollte immer nach Berlin zurück.“
Das stimmt. Aber egal ob Aus- oder Einwanderung, beides ist nicht leicht und ohne Hilfe von anderen keine Freude. Ich hatte viele Hilfen und bei denen möchte ich mich gerne bedanken (Reihenfolge irgendwas zwischen zufällig und chronologisch und nicht vollständig):
Meine Frau Jenny, die mir, obwohl wir damals noch nicht mal verlobt waren und sie alles andere wollte, als mich ziehen lassen, mir unglaublich beim Packen half.
Meine Schwester Nelli, die sich ein Flugticket kaufte, mir ihre Inklusivkilos an Gepäck überliess und mit mir die Reise gemacht hat.
Meine erste WG, allen voran Shalva, die mich in allem alltäglichen unterstützte und den Grundstein für viele Freundschaften gelegt hat.
Meinem damaligen Arbeitgeber LWLcomin Bremen, weil sie mich eingestellt haben, obwohl ich gerade im Begriff war, das Land zu verlassen. So kam ich an und hatte gleich einen Job und mein WG-Zimmer war mein Büro.
Die Jewish Agency, die mein Flugticket bezahlt hat (Wie jedem Neueinwanderer, daher weiter unten in der Liste…)
Frank und Lilach, die immer mein Anker waren in Israel und die mich kurz nach meiner Ankunft zum Sandak ihres ersten Sohnes Adam gemacht haben. Adam ist heute sechs Jahre alt und damit meine persönliche Aliyah-Uhr.
Tamir, der mich durch juristische Untiefen sicher geleitet hat und leitet.
Familie Wasser, die für mich und meine kleine Familie hier eine Art Ersatzfamilie geworden sind. Ob zu Feiertagen oder Schabbaten, wir sind immer wieder bei ihnen in Jerusalem zu Besuch. Ausserdem haben sie die Beschneidung unserer beiden Söhne in ihrem Haus organisiert.
Und natürlich wieder Jenny, meiner Frau, die mich besuchte, sich einen Verlobungsring abgeholt hat und dann tatsächlich hinterhergekommen ist. Ich liebe Dich!
Und ich danke allen, die mich in Deutschland vermissen und sich gleichzeitig für mich freuen, dass ich nun Zuhause bin. In Israel. Allen voran meiner Familie, aber natürlich auch meinen Freunden, Kollegen, Betgenossen in der Synagoge und ehem. Arbeitskollegen.
Aliyah!
Heute vor fünf Jahren, am 1.10.2010 habe ich Aliyah nach Israel gemacht. Aliyah nennt man die jüdische Einwanderung in die Heimat am Mittelmeer. Meine Schwester hat mich damals begleitet. Ich hatte den Termin beinahe vergessen. Zu viel ist gerade los: Hier stürmte es und das Land stand still, mein Sohn hat zum ersten Mal in seinem Leben Schnee erlebt und ich zum ersten Mal in Jerusalem. Und in Frankreich wurden Juden ermordet, weil sie Juden sind.
Vor fünf Jahren hat es nicht geschneit, als meine Schwester mich hier abgeliefert hat. Vor fünf Jahren war eine Aliyah aus einem Europäischen Land etwas einigermassen ungewöhnliches. Jetzt ist das anders. Ein paar Zahlen:
– 2014 sind 26.500 Neueinwanderer nach Israel gekommen, das sind 32% mehr als 2013 und ein Zehn-Jahres-Hoch.
– Zum ersten Mal in der Geschichte Israels führt Frankreich mit 7.000 Einwanderern die Rangliste der Ursprungsländer an. 2013 waren es noch 3.400 französische Juden, also hat sich die Zahl mehr als verdoppelt
– Den zweiten Platz hält die Ukraine mit 5.840 Neueinwanderern, was auf die Instabilität und die wirtschaftliche Lage dort zurückzuführen ist
– Zum ersten Mal seit des Bestehens Israels sind mehr Menschen aus freien Ländern eingewandert als aus Krisenregionen
– In 2015 werden mehr als 10.000 Neueinwanderer aus Frankreich erwartet. Diese Schätzungen wurden vor den Anschlägen auf Charlie Hebdo und den jüdischen Supermarkt gemacht. Es könnten also noch mehr werden.
– In Frankreich leben etwa 478.000 Juden. Das heisst in 2015 werden fast 2% dieser Juden das Land verlassen
Was sagen diese Zahlen? Nur in der Ukraine, wo 2014 etwa 9% der jüdischen Bevölkerung das Land verlassen haben, ist es für Juden noch ungemütlicher als in Frankreich. Und das auch nur prozentual, in absoluten Zahlen haben sich mehr französische Juden zur, ich nenne es mal: Flucht entschlossen. Und in der Ukraine ist es gerade für wirklich jeden ungemütlich. Juden haben im Gegensatz zu vielen anderen Ukrainern einen Staat, der sie mit offenen Armen empfängt.
Vor fünf Jahren bin ich hergekommen, um hier eine Familie zu gründen, damit meine Kinder sich nicht dafür werden schämen müssen, dass sie Juden sind. Damit sie nie aus Angst verbergen müssen, dass sie Juden sind. Das für sie jüdisch zu sein so normal ist, wie Mensch zu sein. Damit sie erst als Erwachsene begreifen, dass es in vielen Teilen der Welt problematisch ist, wenn man Jude ist. Frankreich ist einer dieser Orte. Und Deutschland? Ich bin jedenfalls froh, dass ich nach fünf Jahren hier einen Sohn habe, der zum ersten Mal Schnee in seinem Leben gesehen hat, ohne darüber nachzudenken, ob er nun Jude ist oder nicht.
Ich wurde mit offenen Armen empfangen. Dafür möchte ich allen Menschen hier danken. Ich freue mich auf die nächsten fünf Jahre, zusammen mit meiner Familie, die ich hier gegründet habe.