Es ist nicht meine Religion und theologische, exegetische Analysen des Koran stehen mir nicht zu.
Ich will auch nicht, dass mir ein Nichtjude die Torah erklärt und mich darauf hinweist, dass Steinigungen, die dort angeordnet werden, nicht cool sind.
Auf Twitter machte der „Skandal“ um die per Bildbearbeitung entfernten Kreuze von Kirchen auf einer Käseverpackung einer Eigenmarke des Discounters Lidl die Runde und ich fand die Aufregung dort schon stark übertrieben. Jetzt wird es sogar in großen Tageszeitungen thematisiert, also fühlte ich mich geradezu genötigt, einen Text darüber auf dem Autorenblog Salonkolumnisten zu schreiben.
Im Tachles ist nach einer Pause mal wieder ein Text von mir erschienen. Es geht darin um Religionskritik von aussen. In dem Zusammenhang wende ich mich direkt an Markus Lanz, der Hamed Abdel-Samad in seiner Sendung zu Gast hatte:
Lieber Herr Lanz: Was wissen Sie schon vom Islam, dass Sie glauben, einem Gelehrten und Opfer dieser Religion die Leviten lesen zu müssen? Das ist doch eine religiöse Argumentation!
Wann widerspricht endlich jemand diesem Todenhöfer bei einem seiner zahlreichen Talkshowauftritten? Gegenargumente gibt es genug, TiN hat sie zusammengetragen!
Jürgen Todenhöfer hat auf Facebook wieder in die Tasten gehauen. Er hat dabei erneut jene fünf vermeintlichen „Argumente“ rausgehauen, die mittlerweile so oft relativiert wurden, dass jeder einigermaßen klar denkende Mensch sie nicht mehr verwenden würde. Nicht so Todenhöfers Jürgen. Tapfer im Nirgendwo macht sich daher erneut die Mühe, die„Argumente“ zu kommentieren.
1. Argument: Die Kreuzzüge.
Jürgen Todenhöfer schreibt:
„WÄHREND DER KREUZZÜGE des Mittelalters begingen Europäer ‚im Namen‘ des Christentums unbeschreibliche Massaker. Millionen Muslime und Juden wurden ermordet und verstümmelt.“
Tapfer im Nirgendwo antwortet:
Den Kreuzzügen ging eine brutale islamische Expansion voraus. Sie begann im 7. Jahrhundert. Dabei wurden viele Gebiete militärisch erobert und die dort lebenden Menschen dem Islam unterworfen. Es kam zu der Besiedlung christlicher Gebiete durch arabisch-muslimische Eroberer im Nahen Osten, in Nordafrika und in Italien. Die Insel Sardinien wurde erobert und bei dem Einfall in Rom im Jahr 846 unter anderem die Basilika St. Peter…
Zu dem, was in Orlando passiert ist, fehlen mir die Worte. Ich bin in Israel und auch hier erschiessen Islamofaschisten Menschen einfach so. Ich könnte schreiben: Orlando, ich fühle mit euch! Orlando, ich weiss, was ihr durchmacht! Aber das stimmte nicht. Ich kann nicht erahnen, was die Menschen dort erleben mussten, wie sie starben, wie sie Todesangst hatten, wie ihre Angehörigen trauern. Abgesehen davon würde das auch mich selbst zu wichtig nehmen.
Ich könnte das Selbstverständliche betonen, dass Schwule und Lesben auch Menschen sind und man sie nicht für ihre sexuelle Orientierung einfach erschiessen darf! Aber muss man das wirklich noch sagen? Und würde das bei den Hassern etwas ändern?
Ich sage nichts, denn mir fehlen die Worte. Aber andere sprechen. Manche, weil sie müssen, andere aber, weil sie wollen oder können:
Gerd Buurman im tapferen Nirgendwowendet sich an alle Muslime mit der Bitte um Hilfe. Aber wie sollen Muslime ihm helfen, wenn sie sich doch selbst helfen müssen? Er erinnert aber auch daran, dass diese Anschläge nicht „uns allen“ gelten, wie viel gefloskelt wird, sondern hauptsächlich Homosexuellen, Juden und Frauen.
Die Zeit fragt sich, wie SPON auch, ob Trump das hilft, denn er würde den Anschlag instrumentalisieren. Bei aller Abneigung, die ich diesem Schaumschläger entgegenbringe, was soll er denn sonst tun? Ignorieren?
In der WELTwill Angela Merkel das offene und tolerante Leben fortsetzen. Ihres? Das der Ermordeten? Floskeln einer Berufspolitikerin.
In denTagesthemen fragt man sich, ob der Täter (ich finde, Mörder passt besser) nun ein IS Mitglied war oder „nur“ ein Einsamer Wolf. Als ob das für die Opfer einen Unterschied macht, ob der IS durch ihre Internetpräsenzen den Attentäter zu einer Reise nach Syrien und dann erst zu einem Attentat in Orlando ermutigt hat, oder ob er diesen Umweg nicht genommen hat. Und das „nur“ können sie ja nicht ernst meinen. Ein Einsamer Wolf ist als Attentäter viel gefährlicher, er hat eventuell weniger politische Sprengkraft und ich fürchte, das meinen sie.
Ich finde keine Worte. Ich hoffe, dass die Überlebenden und die Angehörigen der Opfer irgendwann jemanden finden, mit dem sie sprechen können, der dann die richtigen Worte findet.
Köln und Hamburg am 1. Januar war ein Wendepunkt in Deutschlands Presselandschaft.
Der Pressekodex verbietet die Nennung der Herkunft, Religion oder Überzeugung von Tätern, wenn sie für die Erklärung der Tat unerheblich sind (Richtlinie 12.1). Das ist sehr richtig und wichtig. Ich will nicht, wenn etwa ein Jude in einen Betrugsskandal verwickelt ist, dass die Zeitungen ihn in diesem Zusammenhang als solchen bezeichnen. Das ist einleuchtend.
Die Grenze, ab wann es als Unerheblich galt, wurde vor allem für Nordafrikaner und Araber so weit verschoben, dass es schon fast unmöglich war, die Herkunft auch nur anzudeuten. Das hat sich seit dem 1. Januar geändert.
Auf ein Mal ist die Herkunft interessant. Aber warum? Wenn ein Nazi eine Straftat begeht, dann interessiert es mich nicht, ob er in Magdeburg oder in Wuppertal geboren ist. Wenn er in Berlin Marzahn wohnt, würde das zwar einiges nahelegen, aber selbst diese Information ist nur bedingt interessant. Mich interessiert aber seine Ideologie. Denn als Nazi begeht man andere Verbrechen als ein Bankräuber.
Die Religionsfreiheit ist ein hohes Gut. Jeder muss das Recht haben, an jeden Quatsch zu glauben, den er will. Ob Scientologen, Katholiken, Muslime, Juden oder Buddisten, jeder hat das Recht auf seine eigene Unvernünftigkeit und auch das Recht, alle anderen als die eigene Religion beknackt zu finden. Ich persönlich halte das Judentum für die einzig wahre Religion. Das sage ich ganz ohne Ironie. Ich weiss aber auch, dass ich mich darin grotesk irren kann und gestehe jedem daher seine eigene Irrung zu. Sogar den Katholiken.
Religion ist keine Rasse oder Staatsangehörigkeit. Sie ist eine Überzeugung. Viele „erben“ ihre Religion zwar von ihren Eltern, was sie auch zu einer Herkunft macht, aber im Gegensatz etwa zur Hautfarbe, kann man die Religion wechseln oder ablegen.
Religion ist eine Ideologie, die einen Gott hat. Es gibt Ideologien, die wir mit Recht verachten. Die Nazi-Ideologie ist so eine. Es gibt Ideologien, in deren Namen schlimme Verbrechen begangen wurden. Der Kommunismus ist so eine, genau wie der Katholizismus, insbesondere der Spanische. Und es gibt Ideologien, in deren Namen Frauen vergewaltigt werden.
Wenn in Deutschland, in Köln, in Hamburg und in vielen anderen Orten Frauen angegangen, geschlagen, verachtet, erniedrigt, vergewaltigt und sogar getötet werden, weil sie Frauen sind, dann will ich wissen, welche Ideologie dahinter steckt. Der Pressekodex verbietet das nicht, denn es besteht ein „begründbarer Sachbezug“. Nur so sind die Anhänger dieser Ideologie in der Pflicht, sich selbst zu hinterfragen, sich zu entwickeln. Genau wie der Katholizismus. Obwohl der auch noch Arbeit vor sich hat.
Dass jetzt die Herkunft dieser Verbrecher genannt wird, verstösst immer noch häufig gegen den Pressekodex. Die Ideologie zu verschleiern, ist und war aber ein Fehler.
Wer unter Online-Artikeln von großen Zeitungen, die die Herkunft der Täter thematisieren die Kommentare liest (die, die nicht wegmoderiert wurden), der merkt schnell, dass man vor allem als Jude nicht glücklich sein kann über diese Artikel. Da kommentieren doch tatsächlich Menschen, die offenbar der Bedienung eines Computers mächtig sind, also zumindest eine Grundbildung genossen haben, dass Nordafrikaner nur deshalb nach Deutschland kommen, weil wir Juden das eingefädelt haben, um die Deutsche Rasse zu vernichten. Manchmal wünscht man sich für solche Leute die Spanische Inquisition zurück. Und sei es nur, um über sie zu lachen.