Gut Schabbes Selfie – Vayezei

Zugegeben, ich sehe nicht sonderlich glücklich aus auf dem Foto. Es ist Donnerstag Abend und ich habe gerade den Wochenabschnitt für diesen Schabbat gelesen. Da die Freitage im Winter so kurz sind, schaffte ich es die letzten zwei Wochen einfach nicht, einen Gut-Schabbes-Selfie zu schreiben, daher diese Woche schon jetzt. Das Buch in meiner Hand ist eine Ausgabe der Torah, kommentiert und mit einer Übersetzung ins Englische.
Der Abschnitt heisst „Vayezei“, also „Es verliess (Jakob)“. Mich verlassen die Kräfte, daher mein Gesichtsausdruck. Jakob wiederum verlässt seine Heimat, um zu Laban zu gehen. Dort wird er seine Frauen heiraten und seine Söhne, die später die Stammesfürsten der 12 Stämme Israels werden, werden geboren.
Auf dem Weg dort hin macht er auf dem Berg Moria eine Pause und schläft. Der Ort, an dem er schläft ist genau der, an dem heute der Felsendom in Jerusalem steht und die Stelle auf dem Berg ist die, an der der Jüdische Tempel sein Allerheiligstes hatte. Jakob träumte dort einen Traum von Engeln, die auf einer Leiter gen Himmel und wieder hinabstiegen.
Heute an diesem Donnerstag wurden wieder viele Menschen getötet in Israel, in den „Gebieten“ und im Zentrum Tel Avivs. Dieser Berg, auf dem Jakob schlief, ist der Anlass für die Gewalt. Aber der Grund ist grundloser Hass.
Jakob wurde von Laban mehrfach betrogen. Hundertmal, sagt die Torah, hat Laban seine Abkommen gebrochen. Und trotzdem hielt Jakob Wort. Und trotzdem machte er Frieden mit Laban. Es war ein kalter Frieden mit einer Mauer, die die beiden trennen sollte, aber er hielt.
Auch wir Israelis wurden und werden hundertemal hinterrücks gemeuchelt, zerbombt, erschlagen und betrogen, und dennoch wollen wir weiter Frieden schliessen. Und auch wir haben eine Mauer gebaut.
Manchmal ist es erschreckend, wie aktuell doch die Torah ist.
Ich sehe nicht glücklich aus. Wie soll ich es auch sein angesichts der Toten in Paris, in Tel Aviv und überall auf der Welt, gemordet von grundlosem Hass.
Schabbat Schalom.

#JeSuisParis

cd_felix

#‎JeSuisParis‬ Die Nachricht von den Attentaten in Paris traf mich wie ein Schlag. Es passierte Freitag Abend und da sind bei uns alle Computer aus und Telefone stumm. Erst Samstag Mittags in der Synagoge machten erste Gerüchte die Runde. Ich wollte es nicht glauben, so wenig überraschend es auch leider ist.
Es ist schrecklich. Schrecklich, was passiert ist und schrecklich, was daraus folgen wird und nicht folgen wird und schon gefolgt ist. Die Sache wird mal wieder nichts, aber rein gar nichts mit dem Islam zu tun haben, was natürlich absoluter Blödsinn ist. Das ist, als würde man sagen, die Kreuzzüge hätten nichts mit dem Christentum zu tun. Das große Problem dabei ist: Die einzigen politischen Kräfte, die laut rufen „Der Kaiser ist nackt!“, sind entweder echte oder verkappte Nazis.
Die Menschen sind doch nicht saublöd! Wer von den großen Parteien, den meisten Medien und der Regierung orwellsch alles, was mit dem Islam zu tun hat (oder angeblich nicht zu tun hat) schöngeredet bekommt, der wählt irgend wann eine Partei, die zu diesem Thema ausnahmsweise mal keinen offensichtlichen Dummfug erzählt. Und davor habe ich Angst.
Ich bin für Religionsfreiheit. Ich bin dafür, dass jeder Glauben darf, was er will und das dem Ansehen seiner Person nicht schaden darf. Ich bin schon aus rein egoistischen Gründen dafür, denn auch ich bin religiös. Aber man muss Dinge beim Namen nennen dürfen. Sonst wird es alles nur schlimmer. Noch schlimmer. (Und noch viel schlimmer, als meine Frisur auf meinem Teenagerperso aus Frankreich)