Tu BiSchwat – Öko in der Torah

tubishvat
Ist der Mensch ein Baum im Feld?

Heute ist Tu Bi’Schwat, das Neujahr der Bäume. Es ist ein kleinerer Feiertag, der im Kalender leicht unbemerkt an einem vorbeigeht. Es gibt keine besonderen Gebete, man isst wenn möglich ein Paar Baumfrüchte, vorzugsweise Trockenfrüchte und Nüsse, auch Trauben, Datteln, Feigen, Oliven und Granatäpfel, die die Torah als Früchte des Landes Israel preist und das war es schon.

Der Kabbalist Arizal hat zwar einen „Seder„, also eine an Pessach angelehnte Festmahlzeit entworfen, bei der man auch vier Gläser Wein trinkt, aber das ist keine weit verbreitete Tradition. Ich trinke nicht mal gerne Wein, daher warte ich mit exzessivem Alkoholgenuss lieber auf Purim. Da kann man auch Bier trinken.
Der Feiertag ist in Israel für die Beurteilung, wie alt ein Baum ist, wichtig. Früchte darf man nämlich erst nach drei Jahren von einem jungen Baum ernten. Daher ist das Neujahr der Bäume so was wie ein gemeinsamer Geburtstag für unsere hölzernen Freunde.

Man sieht, Bäume bekommen in der Torah eigene Rechte. Fast wie Tiere und Menschen. Es ist etwa verboten, einen Fruchtbaum zu fällen, nur weil einem in einem Krieg im Weg ist.

Die Halacha, das jüdische Gesetzt interpretiert aus diesem Gebot das Verbot der Verschwendung und sinnlosen Zerstörung von Gegenständen, Häusern, der Natur und der Umwelt. Die Torah ist also voll öko, wie man auf Neudeutsch sagt! Die entsprechenden Gesetze findet man im Deuteronomium, dem 5. Buch Mose, Verse 20:19-20.

Und dort mittendrin steht der merkwürdige Satz „Ki Ha’adam Etz HaSsadeh“. Wörtlich übersetzt bedeutet das „Weil der Mensch ein Baum im Feld (ist)“. Ich selbst fühle mich nicht wirklich wie ein Baum. Ich habe nicht nur ein Bein und das ist auch nicht am Boden fest gewachsen. Die wörtliche Bedeutung bringt uns also nicht weiter.

Die Kommentatoren der Torah haben diesem Satz über die Jahrhunderte große Aufmerksamkeit geschenkt. Ist er nicht doch eine Frage und keine Aussage? Sind die Baumfrüchte des Menschen seine Kinder oder seine Gedanken und Wissen? Wenn man nur Fruchtbäume nicht fällen darf, muss man sich einen neuen Lehrer suchen, also den alten fällen, wenn er keine Wissenfrüchte mehr trägt, von denen man lernen kann? Oder sind die Wurzeln sein Intellekt und die Baumkrone sein Kopf, der zum Himmel gewandt ist?

Tu Bi’Shvat ist also nicht nur ein Neujahr der Bäume, es ist auch für uns mal wieder ein Anstoss, sich mit uns selbst und unserer Umwelt zu befassen. Ist der Mensch ein Baum im Feld? Bin ich verwurzelt in meinem Intellekt, meinem Glauben, meinem Umfeld und in dieser Welt oder schwankt mein Kopf im Wind herum und ein kleiner Sturm wird mich entwurzeln?

Der Israelische Dichter Natan Zach hat kurz nach dem Holocaust den Satz „Ki Ha’adam Etz HaSsadeh“ in ein wunderschönes, trauriges Lied verdichtet. Ich habe versucht, es nachzudichten:

Ist der Mensch ein Baum im Feld?
Natan Zach – Deutsch: Eliyah Havemann

Ist der Mensch ein Baum im Feld?
Genau wie ein Mensch, blüht auf der Baum
Genau wie der Baum, wird der Mensch gefällt
Und ich, ich weiss nicht
wo war ich und wo will ich noch hin
wie ein Baum im Feld

Ist der Mensch ein Baum im Feld?
Er wirft die Arme wie ein Baum gen Himmel
Und er verkohlt wie er im Brand
Und ich, ich weiss nicht
wo war ich und wo will ich noch hin
wie ein Baum im Feld

Ist der Mensch ein Baum im Feld?
Unstillbar ist sein Durst nach Wasser
Nach Leben in unserer vertrockneten Welt
Und ich, ich weiss nicht
wo war ich und wo will ich noch hin
wie ein Baum im Feld

Ich liebte und ich hasste
Ich habe so vieles probiert
Doch sie verscharrten mich in der Erde
und es schmeckt so bitter und ich werde
wie ein Baum im Feld
wie ein Baum im Feld

Anmerkung: Dieser Text erschien fast wortgleich schon mal hier im Blog.

An der Grenze zum Libanon

Es sind gerade Pessach-Ferien und alle fahren in Urlaub. Die Hotels nehmen Mondpreise. Erstens, weil sie es können und zweitens, da viele von ihnen ihre Küche für Pessach umkrempeln mussten. Wer Angst hat vor dreckigen Hotelküchen, der sollte genau jetzt Urlaub machen. Zu Pessach wird in koscheren Hotels garantiert jede Krume Dreck entfernt.

Wir haben uns in unserem alten Opel auch auf den Weg in den Norden des Landes gemacht. Und wenn ich Norden sage, dann meine ich Norden. Im diesem Moment sitze ich keine 200m von der Grenze zum Libanon entfernt. Hier sind wir im Kibbutz Misgav Am:

  

Die Fahrt dauerte ein paar Stunden länger als erwartet, da wir nicht die einzigen waren, die den Weg nach Norden eingeschlagen haben und so waren wir froh, in den Abendstunden uns im Kibbutz ein wenig die Füsse zu vertreten. Dabei sind die folgenden Bilder entstanden.

Leider ist der Himmel bedeckt und es regnet sogar ein paar Tropfen. Aber ich finde, die Bilder sind doch ganz gut geworden. Und den Schnee auf dem Berg Hermon konnten wir auch sehen.

Auf dem Rückweg unseres Spazierganges wurden wir noch Zeuge der Muezzin, die vom Libanon zu uns herüberschallten. Sie holen alles aus den Lautsprechertröten heraus, was da ist, ungeachtet jeder disharmonischen Übersteuerung. Und Klänge, vor allem die lauten, halten sich nicht an Staatsgrenzen und schallen einfach hinüber.

Tel Aviv im Frühling 

Ron Huldai, der Bürgermeister Tel Avivs

Der Bürgermeister von Tel Aviv, Ron Huldai, hat meine Frau Jenny (und damit auch mich und unsere Kinder) zum Frühlingsfest auf dem Givon-Platz eingeladen. Er sprach über Pessach, die Freiheit, für die dieser Tag steht und natürlich über Tel Aviv.

Jenny und ich

Die Stadt ist eine einzige Dauerbaustelle. Das kann furchtbar nervig sein, vor allem, wenn man mit dem Auto vorankommen will oder einfach mal etwas Ruhe braucht. Aber für Ron zeugt es von der Lebendigkeit der Stadt. Tel Aviv ändert täglich sein Gesicht und bewahrt dennoch sein Antlitz. Und der Givon-Platz ist ein fantastischer Ort für solche Gedanken. Denn dort prallen Erneuerung und Verfall aufeinander. Ich habe das in ein paar Fotos eingefangen.

Kalenderfrühjahrsmonat Nissan

nissanfruehling
Frühlings-Nissan

Es ist Frühling! In Israel blühen die Blumen und die Temperaturen sind endlich wieder deutschlandhochsommerlich.

Heute früh bin ich noch vor 6 Uhr aufgestanden, um in die Synagoge zum Morgengebet zu fahren. Wir sprachen das besondere Gebet für „Rosch Chodesch Nissan“, also für den Neumond und Monatsbeginn des ersten Monats im Jahr, der Nissan, und das wollte ich nicht verpassen.

Der erste Monat? War Neujahr nicht irgendwann im Oktober? Und warum Nissan? Gab es etwa Product Placement schon in der Torah?

Natürlich nicht. In der Torah heisst der Monat einfach „Der erste Monat“ oder der „Frühlingsmonat“. Der Grund ist, dass dies der erste Monat nach dem Auszug aus Ägypten war und damit der Monat, in dem das Jüdische Volk geboren wurde und einen eigenen Kalender etablierte. Daher ist Nissan zwar nicht der erste Monat im Kalenderjahr, aber dafür der erste Monat in einem jüdischen Kalender überhaupt! Damals hatte er noch keinen eigenen Namen, den hat er erst, seit ein japanischer Großindustrieller, der heute Autos baut, sich im rabbinischen Judentum eingekauft hat. Die Sponsoren der anderen Monatsnamen, etwa Marcheschwan oder Aw, sind inzwischen leider pleite gegangen und niemand anderes wollte deren Platz im Kalender kaufen*.

In den Monat Nissan fällt das Pessachfest. Wir feiern bei diesem Frühlingsfest, wie Pessach auch heisst, den Auszug aus Ägypten, die Geburt unsere Volkes, unsere Freiheit. Da unsere Monate aber Mond-Monate sind, ist das reguläre Jahr etwa 11 Tage zu kurz gegenüber einem Sonnenjahr. Ohne Korrektur würde Pessach also durch das Jahr wandern, so wie etwa der Ramadan bei den Muslimen, die einen reinen Mondkalender haben. Das darf nicht sein, Pessach muss im Frühling sein. Die nötige Korrektur erfolgt durch das Einschieben eines zweiten Monats Adar, der vor Nissan eingefügt wird. Bevor der Kalender festgeschrieben war, wurde dieser Einschub je nach Reife der ersten Gerste in Israel entschieden, denn die Gerste ist essentieller Teil des Pessachopfers.

Der jüdische Kalender ist also am Frühjahrsfest Pessach ausgerichtet, und daher ist Nissan tatsächlich der erste Monat im Jahr.

*Aber das mit dem Namenssponsoring ist natürlich Quatsch. Die Namen der Monate sind Persisch und wurden anstelle der einfachen Numerierung wie in der Torah während des Babylonischen Exils übernommen.

P.S.: Der jüdische Kalender ist wirklich faszinierend. Ich habe vor etwa einem Jahr einen zwölfstündigen Online-Kurs dazu bei Lilmod.org gegeben, den man sich hier noch mal als Video ansehen kann.

Vorbei! Pessach ist vorbei!

IMG_1136
Müll, viel Müll

Pessach ist vorbei! Endlich dürfen wir wieder Brot essen und Bier trinken. Mit anderen Worten, Chametz, also Gesäuertes, ist wieder erlaubt.

Um sicherzustellen, dass kein Chametz an das Essen kommt, muss man alles, was mit Essen in Kontakt kommen könnte, abdecken. Wir haben einfach unsere Küche mit Alufolie und Gummimatten zugekleistert. Ich frage mich wirklich, wie eine koschere, jüdische Küche vor der Erfindung von Alufolie und Einweggeschirr funtktioniert haben soll. In Äthiopen haben sie zu Pessach einfach ein neues Haus gebaut, wie ich gerade gelernt habe. Ist natürlich auch eine Möglichkeit, wenn man den Platz dafür hat.

Das meiste an Abdeckmaterial habe ich gestern Abend wieder entsorgt. Was für eine Müllproduktion! Gut, dass Pessach nur ein Mal im Jahr ist.

Pessach in Äthiopien

aleveleliyah
Alevel und Eliyah im Büro

For an English version of the text, please scroll down!

In Israel leben viele Juden, die aus Äthiopien geflohen sind. Die Vorfahren dieser Juden verliessen Israel noch vor dem Bau des Zweiten Tempels. Alle Schriften und Feiertage, die danach entstanden sind, sind ihnen daher unbekannt. Dazu gehört der Babylonische Talmud genau wie Purim oder Channukkah.

Dennoch haben sie über ein Jahrtausend ihre Traditionen bewahrt. Einer meiner Arbeitskollegen ist so ein Jude aus Äthiopien. Sein Name ist Alevel Samuel. Er kam als Zwölfjähriger nach Israel und hat mir seine Erinnerungen an Pessach in seinem Geburtsort aufgeschrieben:

Erinnerungen an Äthiopien: Passach in Äthiopien

Ich wurde in einem Dorf in der Region Nord-Gondar in Äthiopien geboren. In unserem Dorf feierten wir die Feiertage anders, als sie in Israel gefeiert werden.
In Vorbereitung auf Passah bauten wir ein völlig neues Haus und Möbel, „Gojobait“ genannt, aus Erde, Lehm und Gras.

Gojo_3
Ein Gojobait in Äthiopien

Die Wände waren fest, aus Lehm gebaut und das Dach wurde mit Schindeln aus Gras gedeckt. Alles wurde gründlich gereinigt.
Wir stellten neue Küchengeräte aus Ton zum Backen und Kochen her. Sie waren handgemacht und wurden in einer speziellen Ecke des Hauses gelagert.
Jede Familie stellte Tongefäße her und brannte sie in einem Feuer, um sie für das Kochen haltbar zu machen.
Auch die Kleidung für Pessach vorzubereiten, war nicht einfach. Die weisse Pessachkleidung wurden zum Fluss zum Waschen gebracht.
Matza Brot wurde entweder aus Israel gebracht oder im Dorf gebacken.
Vor dem Sederabend (Erew Pesach) brachten wir das Passah-Opfer und aßen das Fleisch „in Eile“, wie es in der Torah über die Kinder von Israel heisst, die Ägypten verlassen: „Und so sollt ihr es essen: mit deinen Lenden umgürtet Ihre Schuhe an den Füßen, und Ihre Stöcke in der Hand, und ihr werdet sie in Eile essen – es ist Pessach für HASHEM“. (Exodus 12-11).
Das Lesen der Haggadah wurde in der liturgischen Sprache Ge’ez gehalten und wurde in Amharisch von den Kias (Rabbi) übersetzt.
In den sieben Tagen Chol Hamoed, aßen wir täglich frisch gebackenes ungesäuertes Brot (siehe Video) und Gemüse.
Wir tranken ein besonderes Getränk zu diesen leichten Mahlzeiten. Es wurde aus Zuckerrohr gemacht. Wir mahlen dafür den Rohrstock und erhalten eine Paste. Dieses Getränk hilft bei der Verdauung der ungesäuerten Brote und des Gemüses.
Äthiopischen Juden halten die Gebote, wie sie in der Tora beschrieben sind. Wir pflegen die Tradition unserer Vorfahren seit den Tagen des (ersten) Tempels.
Frohe und koschere Feiertage!

English

Many Ethiopian Jews that fled their homes, live in Israel today. The ancestors of these Jews left Israel before the construction of the Second Temple. All scriptures and holidays that were established after this, are therefor unknown to them. For example the Babylonian Talmud and holidays like Purim or Hanukkah.

But they preserved their traditions for over a millennium. One of my coworkers is such a Jew from Ethiopia.  His  name is Alevel Samuel. He came to Israel at the age of twelve. He shared with me his memories about Pessah in his birthplace, a small village in Ethiopia.

Memories of Ethiopia: Passover in Ethiopia

I was born in a village in the region of North Gondar in Ethiopia. In our village, we celebrated the holidays differently from how they are celebrated in Israel.
In preparation for Passover we built a completely new house and its furniture called „Gojobait“ built from mud, clay and grass. The walls were built of matter like clay and the roof was made of grass shingles. Everything was thoroughly cleaned.
We created new kitchen tools out of clay. They were handmade, for baking and cooking and stored in a special corner.
Each family made clay vessels and burned them in a fire to make them durable for cooking.
Also to prepare the holiday clothing was not simple. The white holiday clothes were brought to the river for washing.
Matza bread was either brought from Israel or baked in the village.
Before the Seder Night (Erev Pessach) we brought the Passover sacrifice and ate the meat „in a hurry“, as it says in the torah about the children of Israel who left Egypt: „And thus shall ye eat it: with your loins girded, your shoes on your feet, and your staff in your hand; and ye shall eat it in haste – It is the HASHEM’s passover.“ (Exodus 12-11).
The reading of the Haggadah was held in the liturgical language Ge’ez, and was translated into Amharic by the Kias (Rabbi).
During the seven days of Chol Hamoed, we only ate newly baked unleavened bread (see video) and vegetables.
We drank a special drink on these light meals. It was made from cane extraction. We grind the cane, squeezing the paste obtained. This drink helps with the digestion of unleavened bread and vegetables.
Ethiopian Jews observe the commandments as they appear in the Torah. Elders maintain the tradition as did our ancestors since the days of the (first) Temple.
Have a happy and kosher holiday!!

Chametz vernichtet und verkauft!

pessachkueche
Alles sauber und abgedeckt, damit kein böses Chametz ans Essen kommen kann!

Endlich! Ich habe unser Chametz mit Hilfe meines Nachbarn vernichtet (Bier in Flaschen) oder verkauft mit Hilfe von Chabad.org. Deren Rabbi Yosef Landa verkauft in meinem Auftrag an einen Nichtjuden alles, was gesäuertes in unserem Haushalt zu finden ist und kauft es nach Pessach wieder für mich zurück, damit wir es wieder nutzen dürfen. Chametz, also Gesäuertes, dürfen wir an Pessach nämlich nicht nur nicht essen, wir dürfen es nicht mal besitzen und daher müssten wir es ohne diesen Verkauf vernichten.

Der Verkauf ist rechtlich bindend. Ich habe sogar eine Transaktionsnummer von Chabad bekommen: 9486781 Und was ist, wenn der Käufer nach Ende der Pessachwoche nicht wieder verkauft? Dann muss er eben vorbeikommen und sein Chametz abholen und mir den Kaufpreis ausbezahlen. Das wird teuer für ihn, daher wird er es wohl nicht machen. (ist aber schon mal passiert!)

Klingt alles nach einem miesen Trick, um das Gesetz zu umgehen, dass man Chametz an Pessach vernichten muss? Tja, das ist eben mit dem Gesetz und nicht nach dem Gesetz leben. Wer mein Buch gelesen hat, erinnert sich bestimmt an die fiktiven Rasenjuden, an denen ich humorvoll dieses Prinzip veranschaulicht habe.

Pessach kascher ve’sameach!

Update 26.4.16

Vernichten kann man natürlich nicht nur durch verbrauchen. Was sich nicht verbrauchen lässt, das muss man eben verbrennen. Am Erev Pessach gibt es dafür mehr oder weniger öffentliche Feuer in den Städten.

IMG_1125
Hier brennt nicht der Kopf meines Sohnes, sondern Chametz in einem Container.

Eine Kiste mit Chametz habe ich vergessen und musste sie im Nachhinein privat verbrennen:

IMG_1129
Brenn, Chametz, brenn!

Und davon gibt es verständlicherweise kein Foto: In meinem Rucksack auf der Arbeit war noch ein Packung Cracker, die ich mangels Feuerstelle zerbröselt im Klo runtergespült habe.

Nächstes Jahr muss ich wohl besser suchen, damit mir so was nicht wieder passiert!

Kidniyot – Aschkenasischer Wahnsinn an Pessach

matza
Mazza: Für eventuell im Bild versteckte Botschaften in Braille Schrift bin ich nicht verantwortlich!

Pessach steht vor der Tür. Das Fest ist ungefähr so wichtig wie Weihnachten und Ostern zusammen für uns Juden. Wir feiern den Exodus aus Ägypten und die Volkwerdung am Berg Sinai. Das Fest dauert eine Woche und wenn man es genau nimmt, sogar noch 50 Tage länger, denn es ist mit Schawuot, dem Wochenfest erst so richtig zuende. Die Christen haben aus Pessach Ostern gemacht, aus dem Pessach Seder das Letzte Abendmahl und aus dem Wochenfest ihr Pfingsten, das auch genau 50 Tage (daher der Name) nach Ostern gefeiert wird.

An Pessach essen wir nur ungesäuerte Brote, auch Mazza genannt. Das erinnert uns daran, dass wir auf der Flucht aus Ägypten keine Zeit hatten, gesäuertes Brot zu backen. Um so mehr Zeit verwenden wir jetzt darauf, vor Pessach die Wohnung komplett zu reinigen, alle Reste Gesäuertes aufzuspüren und entweder zu essen, verbrennen (an öffentlichen Feuerstellen) oder zu verkaufen. Kommt hierher der in Deutschland übliche Frühjahrsputz? Wer weiss.

Wir sind an Pessach besonders streng mit uns selbst. Während im Rest des Jahres ruhig ein 60stel des Essens unkoscherer Herkunfst sein darf, muss an Pessach der Anteil von gesäuertem, auch Chametz genannt, unter die Nachweisgrenze fallen. Nicht mal Sprudelwasser mit CO2, das aus Getreide gewonnen wurde, dürfen wir trinken!

Aschkenazen gehen noch einen Schritt weiter. Wir essen keine Hülsenfrüchte (Kidniyot) und keinen Reis in dieser Woche. Der Grund ist, dass früher™ solche Lebensmittel in den selben Säcken transportiert wurden, in denen auch Mehl gelagert wurde. Heute ist das nicht mehr so, aber die Tradition bleibt. Sefarden wiederum kennen diese Tradition nicht. Sie essen das Zeug munter weiter und belächeln uns Aschkenazen milde.

Manche Aschkenazen haben keine Lust mehr auf den Kindniyot-Quatsch. Da auch Aschkenazen zugeben, dass es sich dabei nicht um Chametz handelt, der Verzehr also eigentlich erlaubt aber eben nicht unsere aschkenasische Tradition ist, gibt es immer lautere Stimmen, endlich mit dem Unsinn aufzuhören.

Die Argumente sind stimmig: Wir kaufen ja nicht mehr bei Nichtjuden ein sondern zusammen mit Sefarden in den selben, koscheren Supermärkten! Die Regel ist daher eine unnötige und damit verbotene Verschärfung der Regeln!

Aber sie vergessen eines: Diese Tradition ist so ziemlich die älteste aschkenasische Tradition überhaupt. Manche sagen, es ist die älteste. Wer sie aufgibt, gibt das aschkenasische Erbe seiner Vorväter auf. Und Tradition hat einen Stellenwert im Judentum, der unbeschreiblich wichig ist. Es gibt bei uns kaum etwas, das stärker als Tradition ist: Wir müssen unsere Eltern ehren, und dazu gehört eben auch, ihre Traditionen und die Traditionen ihrer Vorväter zu übernehmen.

Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass die lautesten Stimmen gegen die Kidniyot Regel aus dem liberalen Lager kommen. Die scheren sich ja eh nicht sonderlich um Traditionen.

Pessach kascher ve’sameach wünsche ich allen Lesern!