Zurück nach zwei Wochen Pause

Zwei Wochen waren wir im Urlaub und daher ist hier im Blog so wenig passiert. Es war schön! Wir entspannten im Nirgendwo an der Flensburger Förde.

Das Wetter war durchwachsen, aber oft heiter. Wir genossen die Abkühlung und sind selbst bei leichtem Regen gerne zum Strand Spazieren gegangen.

Mit der Fähre machten wir einen Tagesausflug nach Sønderborg und sahen unterwegs so viele Segelboote, dass es das Wort in den Wortschatz unseres Kleinsten (2) geschafft hat.

Dann verbrachten wir Zeit in Hamburg mit Familie und Freunden.

Auch einen Tagesausflug im ICE nach Berlin zu meiner Mutter und den Geschwistern war Teil der Reise.

Im Hambuger Park „Planten un Blomen“ gibt es einen Kletterbaum für Kinder und Väter.

Aber jetzt sind wir zurück! Es waren zwei wirklich schöne Wochen. Aber das Schönste am Urlaub ist immer noch das Losfahren und das Nach-Hause-Kommen. Das hat man am deutlichsten bei unserem Ältesten (5) gemerkt. Er hat sich auf beides so sehr gefreut, dass er es jedem ungefragt erzählte: „Wir fliegen morgen nach Raanana! Das ist in Israel!“

Den Sonnenuntergang in Raanana tauchte uns in das Licht, das Heimat bedeutet.

Tag der Erinnerung in Israel – Yom HaZikaron

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(Photo: IDF)

Heute ist der Yom HaZikaron, der Tag des Gedenkens an die Opfer von Krieg und Terror in Israel.

Wie jedes Jahr, gab es in fast jedem Ort eine oder mehrere Veranstaltungen, öffentliche Trauerfeiern. Die imposanteste von allen war die aus Jerusalem, wo die Klagemauer ihrem Namen endlich mal alle Ehre macht. Sie wurde live im Fernsehen und auf mehreren Kanälen gleichzeitig übertragen.

Nicht minder beeindruckend ist aber die Veranstaltung auf dem Rabin-Platz in Tel Aviv. Dieses Jahr bin ich leider mal nicht hin gefahren. Aber letztes Jahr war ich dort.

Ich nahm zwei junge Mädchen aus Deutschland mit, die gerade hier in Israel in Ra’anana ein Freiwilliges Soziales Jahr absolvierten. Eine von ihnen arbeitete in dem Kindergarten, in den mein kleiner Sohn ging. Daher kannte ich sie.

Ich musste die beiden ein wenig überreden. Sie dachten, das wird so eine nationalduselige Selbstbeweihräucherungs- und Selbstmitleidsveranstaltung, auf der sie fehl am Platz sind. Erstens, weil sie Deutsche sind und zweitens, weil sie sich selbst als „kritisch“ gegenüber Israels Militärpolitik sahen und daher einer Trauerveranstaltung für Israelische Soldaten nicht wirklich viel abgewinnen konnten.

Dabei lohnt sich diese Veranstaltung schon alleine deshalb, weil man noch nie so viel Stille in Mitten von Tel Aviv und in Mitten von so vielen Menschen erlebt hat. Der Platz im Zentrum der Stadt ist gerammelt voll und während der gemeinsamen Schweigeminute ist es so still, dass ein leises Maunzen einer streunenden Katze am anderen Ende des Platzes laut und deutlich zu vernehmen ist.

Auch wenn gerade nicht geschwiegen wird, ist es ein ungewohntes Setup. Die größten Stars des Landes treten auf, singen traurige Lieder, die viele mitsingen können und es auch leise tun und es klatscht niemand. Wirklich niemand. Gestandene Männer weinen leise und halten sich an ihren starken Frauen fest. Am Ende singt man gemeinsam und andächtig die in Moll gehaltene Hatikva, die Nationalhymne, und geht dann nahezu schweigend nach Hause (Genau wie beim Yom Hashoah, siehe Video).

Ich bereitete die Mädchen auf den Abend vor und erzählte all das obige. Sie waren etwas skeptisch aber neugierig. Aber als ich ihnen versprach, dass zwischen den Liedern die Geschichten von Gefallenen und Terroropfern in kurzen Videos erzählt werden und dass es immer auch eine arabische und drusische Familie gibt, deren Geschichte erzählt wird, da glaubten sie mir einfach nicht.

Ich hatte nicht gelogen. Und auch, wenn es jetzt ein Jahr her ist, das Gesicht des kleinen arabischen Jungen, der voller Stolz von seinem als Israelischer Soldat gefallenen Bruders (oder was es Cousin?) sprach, vergesse ich nicht. In kindlichem hebräisch und mit arabischem Akzent lobte er die Liebe und Aufopferung, die er von ihm erfahren hat und schwor feierlich, in seine Fußstapfen zu treten, wenn er groß ist.

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Nasreen Quadri (Photo: Ron Kedmi)

Wir gedenken an diesem Tag all unseren Toten, unbesehen ihrer Religion und Herkunft. So ist es auch nur folgerichtig, dass eine der Künstlerinnen, die dieses Jahr auf der Bühne in Jerusalem stand, eine Israelische Araberin ist. Nasreen Qadri, die als Sängeren der Vorgruppe von Radiohead auf Tournee ist, ist für diesen Tag als stolze Israelin nach Hause gekommen, um zu singen.

Die beiden Deutschen Mädchen vom letzten Jahr waren auf der Rückfahrt im Auto sprachlos. Ich hatte mit nichts übertrieben, alles was ich angekündigt habe, ist genau so eingetroffen. Und doch waren sie überrascht und überwältigt. Ich glaube, wer ein Mal mit uns in Israel den Yom HaZikaron begangen hat, der versteht uns besser. Versteht unsere Sehnsucht, unsere Liebe und unsere Hoffnung als Israelis, als Menschen in dieser Welt auf diesem kleinen Stück Erde im Nahen Osten.

Und der wird uns trotz aller Kritik auch die Freude gönnen, die wir am nächsten Tag versprühen, wenn wir überschwänglich unseren Unabhängikeitstag feiern. Durch den Kontrast wird die Freude noch größer und, was noch wichtiger ist, nicht zu einer bedeutungslosen Party. Wer um die Opfer trauert, die für dieses wunderbare Land gebracht wurden und werden, der kann es auch aus tiefstem Herzen feiern.

Anschlag in Tel Aviv kurz vor dem Holocaust-Gedenktag

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Veranstaltung in Ra’anana zum Yom Hashoah

Seit gestern machte ich mir Gedanken darüber, ob und was ich zum heutigen Holocaust-Gedenktag schreiben soll. Irgendwie schreibt man doch sowieso immer das selbe: „Erinnern ist wichtig, Holocaust darf sich nicht wiederholen“ und andere Floskeln.

Als ich heute Nachmittag auf dem Weg zum Kindergarten war um meine Kinder abzuholen, las ich, dass mitten in Tel Aviv an der Strandpromenade vier Menschen von einem Terroristen mit einem Messer angegriffen wurden. Zum Glück wurde nach jetzigem Stand niemand ernsthaft verletzt.

Aber es trifft mich doch mitten ins Herz. Ein Paar Stunden, bevor wir unseren im Holocaust verstorbenen Verwandten gedenken und wir bei den zahlreichen Gedenkfeiern in fast jeder Stadt in Israel in Tränen ausbrechen, versucht jemand meine Mitmenschen umzubringen, nur weil sie Juden sind.

Einige sind der Meinung, wir haben Israel dem Holocaust zu verdanken. Das ist natürlich äußerst zynisch und ist meiner Meinung nach auch nicht zutreffend. Was aber schon stimmt ist, dass durch den Holocaust das Nationalgefühl in Israel ein Besonderes ist. Man hat es satt, immer wieder Opfer in der Geschichte sein. Holocaust war der Höhepunkt der jüdischen Opfergeschichte. Jetzt sind wir in der Lage, uns selbst zu verteidigen. Deshalb hing der Anschlag heut in Tel Aviv mit dem heutigen Holocaust-Gedenktag zusammen. Der Terrorist wurde überwältigt und eingesperrt. Er wird seine Strafe bekommen. Das war für unsere Verwandten vor nicht mal 80 Jahren nicht möglich. Nicht nur wurden sie systematisch und grausam ermordet und kaum einer ist eingeschritten, sondern sogar noch nach dem Holocaust sind bis heute etwa 90% der Deutschen, die am Holocaust beteiligt waren, nicht zur Rechenschaft gezogen worden.

Zu diesem Thema habe ich letztes Jahr die Kampagne #WoSindDieTäter gestartet.

Ich kenne aber auch viele tolle Menschen, die sich gegen das Vergessen mit wichtigen Projekten einsetzen. Ich kenne auch tolle Organisationen, die gegen den Antisemitismus heute kämpfen. Ihnen möchte ich danken.

Ich habe mich entschieden, auch einen bescheidenen Beitrag für die Zukunft zu leisten. Letztes Jahr gründete ich hier in Israel eine Organisation, die sich für Deutsch-Israelische Beziehungen einsetzt. Eines unserer Projekte ist ein Deutsches Bildungszentrum, wo Kinder aus deutschsprachigen Familien die Deutsche Kultur und Sprache lernen.

Trauern und Erinnern an die Deutsch-Jüdische Vergangenheit ist und bleibt wichtig, aber was wir aus unserer gemeinsamen Zukunft machen, ist noch viel wichtiger.

Die Deutsche Flaschensammlerin

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Lecker Brötchen, kleiner Mann

Das war ein #onlyinisrael Moment! Ich saß mit den Jungs in Ra’anana im Café, da kam eine ältere Frau vorbei, die Verwertbares aus dem Müll sammelte. Sie hörte die Kinder miteinander sprechen und während ich meinen Kaffee geholt habe, fing sie damit an, mit meinem Älteren auf Deutsch zu sprechen. Auch wir unterhielten uns kurz. Die Frau fragte mich etwa, wie lange wir schon in Israel wohnen. Sie erzählte, dass sie in Frankfurt geboren wurde und schon seit „100 Jahren“ hier lebt.

Es war eine interessante Begegnung und ich finde es etwas schade, dass wir nicht länger sprechen konnten. Über ihren Weg aus Frankfurt nach Ra’anana und ihr Leben hier als als Flaschensammlerin, hätte ich gerne mehr gehört. Aber am schönsten war, dass daraufhin der Junge, der in dem Café arbeitete und uns beobachtet hat, der Frau auf  Kosten des Hauses Kaffee angeboten hat. Sie hat ihn übrigens abgelehnt.

Danke, Tachles!

In meiner Gemeinde hier in Raanana gibt es eine Familie aus der Schweiz. Das sind nicht nur wirklich nette Menschen, es ist auch unglaublich praktisch, sie zu kennen. Denn so merken meine Kinder, dass wir zuhause nicht die einzigen auf der Welt sind, die diese sonderbare Sprache „Deutsch“ sprechen, es gibt noch mehr solche Menschen! Sogar hier in Raanana!

Und ausserdem bekam ich so erstmals eine gedruckte Ausgabe der Zeitung Tachles in die Hand, in der seit ein paar Monaten regelmässig Texte von mir erscheinen:

Beim Durchblättern habe ich diese wunderschöne Empfehlung für dieses Blog hier entdeckt.

Danke, Tachles!

Die Angst vor dem Terror, jeden Tag

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„A gute woch“ oder „shavua tov“ wünscht man sich, wenn der Shabbat vorbei ist. Doch diese Woche wünschten wir uns eine sichere Woche. Während mein Mann am Samstag Nachmittag in der Synagoge zum Nachmittags- und Abendgebet war, war ich mit den Kindern am aufwachen nach dem Mittagsschlaf, oder auch Schabbesschluf genannt. Wir spielten, lasen ein Buch über Tiere, die fröhlich, bockig und ängstlich sind. Ich ahnte jedoch nicht, dass mich dieses Gefühlschaos auch erwartet.

Die Uhr zeigte auf 17:20. Da sagte ich zu meinem Älteren: „nun ist Shabbat zu Ende“. Er entgegnete: „jetzt kann ich Jeep gucken!“, ein Zeichentrick mit Autos mit großen Rädern. Ich habe schon erwartet, dass dieser Satz kommt. Da wir den Schabbat einhalten, weiss er, dass wir an diesem Tag kein Telefon, Computer etc. benutzen.

Ich  holte als erstes mein Handy, um zu schauen, ob wir was wichtiges verpasst haben. Ich sah mehrere Anrufe von Freunden und Nachbarn, alle etwa zum selben Zeitpunkt und wunderte mich, warum sie uns zum Henker am Schabbat anrufen?!

Also rief ich zurück und erfuhr, dass es einen Terroranschlag in Ra’anana gab, keinen Kilometer von unserem Haus entfernt. Der 20-Jährige Attentäter, der sich illegal aus dem Westjordanland nach Israel eingeschleust hat, kam mit einem Komplizen hierher und stach auf der Strasse auf mehrere Menschen ein und verletzte drei von ihnen.

Meine Nachbarin, die im Sommer aus Slovenien nach Israel kam, weil ihr Mann hier nun in der ersten israelischen Fussball Liga für Hapoel Ra’anana spielt, kam vorbei. Sie erzählte mir, dass sie kurz vor dem Anschlag im Park mit ihrer zweijährigen Tochter war und jetzt sehr ängstlich und verunsichert ist.

Ich kann ihre Sorge natürlich teilen. Doch für uns ist es Alltag. In Israel ist das Alltag. Seit fast 70 Jahren gibt es in Israel Anschläge. Als wir vor fünf Jahren nach Israel zogen, war uns das klar. Meine Sorgen ist jedoch eine andere. Wie die meisten Israelis hoffe ich, dass es endlich Frieden gibt mit den Palästinensern im Westjordanland und Gaza.

Aber die neuste Umfrage zu den Messerattacken seit diesem Sommer zeigt, dass sich zwei Drittel der Palästinenser diese Angriffe auf Israelis gutheissen.

Wie sollen wir unter solchen Voraussetzungen eine Lösung für den Konflikt finden?

Hapoel Ra’anana hat heute 1:0 gegen Bnei Sakin, den einzigen arabischen Club in der israelischen Liga, gewonnen. Der Mann meiner Nachbarin hat mitgespielt.

Gut Schabbes Selfie – Va’etchanan

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Diesen Schabbat lesen wir den Torahabschnitt Va’etchanan. Darin werden die Zehn Gebote wiederholt und wir lesen die Aufforderung, Gebetsriemen anzulegen und an unsere Türen eine Mesusa anzubringen. Letztere ist eine kleine Pergamentrolle mit dem wichtigsten Gebet im Judentum, dem Schma, das auch in diesem Wochenabschnitt steht. Diese Rolle wird in eine hübsche Hülle gesteckt und leicht angewinkelt an den rechten Türrahmen angebracht.
Das Schma und die Zehn Gebote sind so etwas wie die Quintessenz des Judentums. Alles, was uns wichtig ist, in wenige, prägnante Sätze verpackt.
Mein Leben ist auch gerade verpackt in Kisten, Taschen und Boxen. Meine kleine Familie und ich ziehen am Montag in ein neues Zuhause im Zentrum Israels. Ich bin traurig, dass wir Jerusalem verlassen, bin unpassenderweise auch noch erkältet und gestern hat sich ein alter Freund von mir entschlossen, sein Leben nicht mehr weiter zu leben. Zusammenfassend kann man sagen: Es geht mir nicht so gut.
Aber nächste Woche werde ich auch wieder eine Mesusa an unserer neuen Tür anbringen und wie jeden Tag Gebetsriemen anlegen und mich hoffentlich wieder freuen daran. Aber am meisten freue ich mich auf den Schabbat heute Abend. Eine Auszeit in der Umzugshektik, Essen bei Freunden, eine Chance für mich, wieder gesund zu werden und auch emotionale Ruhe, meinem alten Freund zu gedenken.

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