Twitters Laienrichter

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Tsafrir Cohen, der Leiter der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Tel Aviv mit ihrem Büro auf dem noblen Rothschild-Boulevard, sagte dem Deutschlandfunk etwas zum kürzlich erneut aufgeflammten Gaza-Konflikt, das mich ärgerte. Er ist der Meinung, dass wir Israelis und alle die hier leben (und damit auch er selbst) leider mit den Raketen leben müssen, die ziellos auf bewohntes Gebiet in Israel abgefeuert werden, denn so würden sich die Leute in Gaza jeden Tag fühlen. Das ist in so vieler Hinsicht schrecklicher Unfug, dass ich auf Twitter schrieb: „Da möchte man fast wünschen, dass so eine Rakete auf die Rosa-Luxemburg-Stiftung in Tel Aviv fällt.“

Man beachte das „fast“ vor dem „wünschen“ und auch den Zusammenhang. Ich möchte natürlich nicht, dass eine Rakete im Rothschild-Boulevard im Zentrum einer der dichtbesiedeltsten Städte der Gegend herunter geht. Ich wünsche es nicht mal der Rosa-Luxemburg-Stiftung selbst, dass ihre Belegschaft samt Leiter sich in den obligatorischen Bunkerraum zurückziehen muss und dann aus eben diesem befreit werden muss, falls eine Rakete ihr Gebäude zerstört. Ich möchte nur darauf hinweisen, wie unglaublich zynisch Herr Cohen ist, wenn er solches sagt.

Irgend ein Twitter-User hat diesen Tweet wegen „abuse and harassment“ gemeldet. Und ich finde, der Vorwurf passt sehr gut auf die Aussage von Herrn Cohn. Nur nicht auf meinen Tweet. Deswegen habe ich der Sperrung widersprochen. Warum soll ich 7 ganze Tage meiner geliebten Timeline fremd bleiben, weil Herr Cohn ein menschenverachtendes Statement gemacht hat? Ich?

Twitter wurde vom NetzDG dazu verdonnert, Tweets zu moderieren. Es ist natürlich richtig, dass nicht jeder Müll einfach so stehen bleibt. Es ist nur nicht richtig, wie es umgesetzt wird. Und daran ist nicht mal Twitter selbst schuld. Das NetzDG verpflichtet Twitter, Richter und Vollstrecker in einem zu sein und gleichzeitig noch Anwalt und Staatsanwalt. Das finde ich mehr als problematisch. Das Argument, dass Twitter selbst entscheiden dürfen muss, wer was auf ihrer Plattform sagt, auch wenn es gegen kein Gesetz verstößt, greift zu kurz. Die Plattform ist zu groß, zu wichtig, als dass sie rein privatwirtschaftlich betrachtet werden kann.

Mein Widerspruch wurde drei Tage lang ignoriert. Das war leider nicht anders zu erwarten. Ich habe also klein beigegeben und den Tweet gelöscht (im Grunde aber: Der bereits erfolgten Löschung zugestimmt). Die 7 Tage zählen ab diesem Moment. Jetzt sind es noch vier Tage und 7 Stunden. Dann komme ich wieder und muss in Zukunft höllisch aufpassen. Die Laienrichter bei Twitter sind eben meistens nicht in der Lage, einen Tweet im Zusammenhang zu beurteilen und der Widerspruch ohne Unterstützung durch einen Anwalt zwecklos. Die Schere im Kopf, die meine Tweets verorwellt, wird wohl in Zukunft schneller zuschnappen.

Networking – NRW Delegation

Networking – NRW Delegation.

People ask me all the time: „How did you manage to build such a great Network?“ At events I see three types of Networkers:

  1. is trying to collect business cards from every single person at the event,
  2. not interested/too shy,
  3. talking to those, who are interesting to him and his business.

You can probably guess, which one I find more productive: 3.

The Art of Networking surely needs few components. The talent is important but not less important are interest in people and practice. And I truly believe that anyone can learn it.

Last week I went with a friend to an event, organised by the AHK, and we met some very interesting people. One of them was Julia. We talked about business and our interests. It was also great to see friends, because honestly I barely see friends outside of business at the moment. Well, being a mom and Entrepreneur is not easy.

Go to events and practice, it’s worth it!

#israel #nrw #businessdelegation #innovation #startups #essencity #networking #telaviv

Das Sommerfest 2017- Hauptsache Wasserpistolen

Gastbeitrag von Katharina Kunert

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Kamfu mir helfen?“ fragt der Elefant

„Pssst, Eltern – ihr seid zu laut!“ Beim Taka-Tuka-Land-Sommerfest tauschen Eltern und Kinder die Rollen.

Gespannt sitzen rund 20 Kinder jeden Alters auf ihren Stühlen und lauschen konzentriert Eliyah, der mit verstellter Stimme aus dem Kinderbuch-Klassiker „Wo die wilden Kerle wohnen“ vorliest. Wenn er brüllt wie ein wilder Kerl zucken die Kinder zusammen – wenn es spannend und gefährlich wird rücken die Kleinen vor Spannung an den Rand ihrer Stühle. In ihren bunt geschminkten Gesichtern breitet sich erst ein erleichtertes Lachen aus, als der kleine Protagonist wieder in Sicherheit ist. Dann dürfen sie selbst ran – mit Puppen spielen sie die Geschichte des nächsten Kinderbuchs nach und bangen bei Wettrennen und -Namenschreiben um den Sieg ihrer Gruppen: Die Gruppe, deren Mitglieder als erstes ihre Namen eigenhändig nacheinander auf eine Tafel geschrieben hat, gewinnt. Als eine Gruppe schon in Siegesjubel ausbrechen will wird es plötzlich spannend: Wer ist dieser „RIFO“ der sich vorne auf der Tafel verewigt hat?

Dann die Erleichterung: Gruppenmitglied Ofir hat auf die Schnelle einfach in Spiegelschrift geschrieben – bei so viel Deutsch und Hebräisch auf einem Haufen kann man eben schnell mal durcheinander kommen.

Doch genau dafür sind sie hier: Um deutschsprachige Freunde zu finden und auf deutsch lesen und schreiben zu lernen – so wie Tommy (8) und Mia (5), Hellas Kinder. „Vor allem Musik hilft Kindern beim Sprachen lernen“, sagt sie – „Obwohl Kinder auch ganz flexibel sind, Wörter zu singen, die sie nicht verstehen, da helfen dann entsprechende Bewegungen“.

Auch Julia hat das Sommerfest gefallen: „Das Programm war wirklich gut – und ohne Programm geht gar nichts“, sagt sie.

Und für Felicitas ist eines klar: „Wasserpistolen müssen immer dabei sein“.

Zuerst erschienen auf http://idach.org.il/taka-tuka-land

Tag der Erinnerung in Israel – Yom HaZikaron

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(Photo: IDF)

Heute ist der Yom HaZikaron, der Tag des Gedenkens an die Opfer von Krieg und Terror in Israel.

Wie jedes Jahr, gab es in fast jedem Ort eine oder mehrere Veranstaltungen, öffentliche Trauerfeiern. Die imposanteste von allen war die aus Jerusalem, wo die Klagemauer ihrem Namen endlich mal alle Ehre macht. Sie wurde live im Fernsehen und auf mehreren Kanälen gleichzeitig übertragen.

Nicht minder beeindruckend ist aber die Veranstaltung auf dem Rabin-Platz in Tel Aviv. Dieses Jahr bin ich leider mal nicht hin gefahren. Aber letztes Jahr war ich dort.

Ich nahm zwei junge Mädchen aus Deutschland mit, die gerade hier in Israel in Ra’anana ein Freiwilliges Soziales Jahr absolvierten. Eine von ihnen arbeitete in dem Kindergarten, in den mein kleiner Sohn ging. Daher kannte ich sie.

Ich musste die beiden ein wenig überreden. Sie dachten, das wird so eine nationalduselige Selbstbeweihräucherungs- und Selbstmitleidsveranstaltung, auf der sie fehl am Platz sind. Erstens, weil sie Deutsche sind und zweitens, weil sie sich selbst als „kritisch“ gegenüber Israels Militärpolitik sahen und daher einer Trauerveranstaltung für Israelische Soldaten nicht wirklich viel abgewinnen konnten.

Dabei lohnt sich diese Veranstaltung schon alleine deshalb, weil man noch nie so viel Stille in Mitten von Tel Aviv und in Mitten von so vielen Menschen erlebt hat. Der Platz im Zentrum der Stadt ist gerammelt voll und während der gemeinsamen Schweigeminute ist es so still, dass ein leises Maunzen einer streunenden Katze am anderen Ende des Platzes laut und deutlich zu vernehmen ist.

Auch wenn gerade nicht geschwiegen wird, ist es ein ungewohntes Setup. Die größten Stars des Landes treten auf, singen traurige Lieder, die viele mitsingen können und es auch leise tun und es klatscht niemand. Wirklich niemand. Gestandene Männer weinen leise und halten sich an ihren starken Frauen fest. Am Ende singt man gemeinsam und andächtig die in Moll gehaltene Hatikva, die Nationalhymne, und geht dann nahezu schweigend nach Hause (Genau wie beim Yom Hashoah, siehe Video).

Ich bereitete die Mädchen auf den Abend vor und erzählte all das obige. Sie waren etwas skeptisch aber neugierig. Aber als ich ihnen versprach, dass zwischen den Liedern die Geschichten von Gefallenen und Terroropfern in kurzen Videos erzählt werden und dass es immer auch eine arabische und drusische Familie gibt, deren Geschichte erzählt wird, da glaubten sie mir einfach nicht.

Ich hatte nicht gelogen. Und auch, wenn es jetzt ein Jahr her ist, das Gesicht des kleinen arabischen Jungen, der voller Stolz von seinem als Israelischer Soldat gefallenen Bruders (oder was es Cousin?) sprach, vergesse ich nicht. In kindlichem hebräisch und mit arabischem Akzent lobte er die Liebe und Aufopferung, die er von ihm erfahren hat und schwor feierlich, in seine Fußstapfen zu treten, wenn er groß ist.

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Nasreen Quadri (Photo: Ron Kedmi)

Wir gedenken an diesem Tag all unseren Toten, unbesehen ihrer Religion und Herkunft. So ist es auch nur folgerichtig, dass eine der Künstlerinnen, die dieses Jahr auf der Bühne in Jerusalem stand, eine Israelische Araberin ist. Nasreen Qadri, die als Sängeren der Vorgruppe von Radiohead auf Tournee ist, ist für diesen Tag als stolze Israelin nach Hause gekommen, um zu singen.

Die beiden Deutschen Mädchen vom letzten Jahr waren auf der Rückfahrt im Auto sprachlos. Ich hatte mit nichts übertrieben, alles was ich angekündigt habe, ist genau so eingetroffen. Und doch waren sie überrascht und überwältigt. Ich glaube, wer ein Mal mit uns in Israel den Yom HaZikaron begangen hat, der versteht uns besser. Versteht unsere Sehnsucht, unsere Liebe und unsere Hoffnung als Israelis, als Menschen in dieser Welt auf diesem kleinen Stück Erde im Nahen Osten.

Und der wird uns trotz aller Kritik auch die Freude gönnen, die wir am nächsten Tag versprühen, wenn wir überschwänglich unseren Unabhängikeitstag feiern. Durch den Kontrast wird die Freude noch größer und, was noch wichtiger ist, nicht zu einer bedeutungslosen Party. Wer um die Opfer trauert, die für dieses wunderbare Land gebracht wurden und werden, der kann es auch aus tiefstem Herzen feiern.

Anschlag in Tel Aviv kurz vor dem Holocaust-Gedenktag

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Veranstaltung in Ra’anana zum Yom Hashoah

Seit gestern machte ich mir Gedanken darüber, ob und was ich zum heutigen Holocaust-Gedenktag schreiben soll. Irgendwie schreibt man doch sowieso immer das selbe: „Erinnern ist wichtig, Holocaust darf sich nicht wiederholen“ und andere Floskeln.

Als ich heute Nachmittag auf dem Weg zum Kindergarten war um meine Kinder abzuholen, las ich, dass mitten in Tel Aviv an der Strandpromenade vier Menschen von einem Terroristen mit einem Messer angegriffen wurden. Zum Glück wurde nach jetzigem Stand niemand ernsthaft verletzt.

Aber es trifft mich doch mitten ins Herz. Ein Paar Stunden, bevor wir unseren im Holocaust verstorbenen Verwandten gedenken und wir bei den zahlreichen Gedenkfeiern in fast jeder Stadt in Israel in Tränen ausbrechen, versucht jemand meine Mitmenschen umzubringen, nur weil sie Juden sind.

Einige sind der Meinung, wir haben Israel dem Holocaust zu verdanken. Das ist natürlich äußerst zynisch und ist meiner Meinung nach auch nicht zutreffend. Was aber schon stimmt ist, dass durch den Holocaust das Nationalgefühl in Israel ein Besonderes ist. Man hat es satt, immer wieder Opfer in der Geschichte sein. Holocaust war der Höhepunkt der jüdischen Opfergeschichte. Jetzt sind wir in der Lage, uns selbst zu verteidigen. Deshalb hing der Anschlag heut in Tel Aviv mit dem heutigen Holocaust-Gedenktag zusammen. Der Terrorist wurde überwältigt und eingesperrt. Er wird seine Strafe bekommen. Das war für unsere Verwandten vor nicht mal 80 Jahren nicht möglich. Nicht nur wurden sie systematisch und grausam ermordet und kaum einer ist eingeschritten, sondern sogar noch nach dem Holocaust sind bis heute etwa 90% der Deutschen, die am Holocaust beteiligt waren, nicht zur Rechenschaft gezogen worden.

Zu diesem Thema habe ich letztes Jahr die Kampagne #WoSindDieTäter gestartet.

Ich kenne aber auch viele tolle Menschen, die sich gegen das Vergessen mit wichtigen Projekten einsetzen. Ich kenne auch tolle Organisationen, die gegen den Antisemitismus heute kämpfen. Ihnen möchte ich danken.

Ich habe mich entschieden, auch einen bescheidenen Beitrag für die Zukunft zu leisten. Letztes Jahr gründete ich hier in Israel eine Organisation, die sich für Deutsch-Israelische Beziehungen einsetzt. Eines unserer Projekte ist ein Deutsches Bildungszentrum, wo Kinder aus deutschsprachigen Familien die Deutsche Kultur und Sprache lernen.

Trauern und Erinnern an die Deutsch-Jüdische Vergangenheit ist und bleibt wichtig, aber was wir aus unserer gemeinsamen Zukunft machen, ist noch viel wichtiger.

Tel Aviv im Frühling 

Ron Huldai, der Bürgermeister Tel Avivs

Der Bürgermeister von Tel Aviv, Ron Huldai, hat meine Frau Jenny (und damit auch mich und unsere Kinder) zum Frühlingsfest auf dem Givon-Platz eingeladen. Er sprach über Pessach, die Freiheit, für die dieser Tag steht und natürlich über Tel Aviv.

Jenny und ich

Die Stadt ist eine einzige Dauerbaustelle. Das kann furchtbar nervig sein, vor allem, wenn man mit dem Auto vorankommen will oder einfach mal etwas Ruhe braucht. Aber für Ron zeugt es von der Lebendigkeit der Stadt. Tel Aviv ändert täglich sein Gesicht und bewahrt dennoch sein Antlitz. Und der Givon-Platz ist ein fantastischer Ort für solche Gedanken. Denn dort prallen Erneuerung und Verfall aufeinander. Ich habe das in ein paar Fotos eingefangen.

Zugfahrt nach Jerusalem

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Endstation unserer Reise nach Jerusalem: Die Kotel

Mein älterer Sohn liebt Eisenbahnen. Die echten wie auch die aus Holz im Spielzimmer. Ich selbst war 1995 das erste Mal in Israel und bin vor sechs Jahren eingewandert und bin seither noch nie mit der Eisenbahn in diesem Land gefahren!

Ich musste mein Defizit ausgleichen und konnte damit meinem Sohn gleich noch eine Freude bereiten: Wir sind mit der Eisenbahn von Tel Aviv nach Jerusalem gefahren.

Auf dem Weg muss die Bahn etwa 700 Höhenmeter überwinden. Die Strecke stammt noch aus der Britischen Mandatszeit und ist weitestgehend eingleisig.  Heute passt man die Landschaft an die Streckenführung an, damals war es noch umgekehrt: Sie schmiegt sich in Täler und an Berge an und zwingt mit ihren vielen Kurven die Bahn zu einer gemütlichen Fahrt. Die modernen Dieseltriebwagen mit etwas heruntergekommenem Interieur sind bequem und quietschen sanft in den Kurven.

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Die Bahn fährt langsam die Serpentinen hoch. (Screenshot Google Maps)

Leider habe ich so gut wie keine Fotos von der Fahrt. Die SD-Karte der Kamera steckte noch zuhause im Rechner, so war die mitgebrachte Kamera funktionslos. Daher müsst ihr mir einfach glauben: Die Fahrt ist malerisch schön. Die Strecke mäandert sich den Berg hoch durch menschenleere Täler, neben Flüssen und auch trockenen Flussbetten, durch einen dichten Nadelbaumwald mit verlassenen Bahnhöfen und unbefestigten Wegen auf der Strecke. Da der Zug so langsam fährt, kann man entspannt aus dem Fenster schauen und den Ausblick geniessen. Handyempfang gibt es auch keinen, eine absolute Entschleunigung ist also garantiert.

Wer es eilig hat, fährt Bus. Der ist fast doppelt so schnell, wenn nicht gerade Stau ist und kostet nur ein kleines bisschen mehr. Ausserdem endet die Bahnfahrt in Malcha, also am anderen Ende der Stadt neben dem gleichnamigen Einkaufszentrum und nicht im Stadtzentrum.

Die Bahn ist daher angenehm leer, zumindest wenn man nicht zur Rushhour fährt. Und die Fahrt kostet für Erwachsene ohne Rabatte nur 20 , also knapp 5 Euro. Dafür bekommt man einen Blick auf das Land, wie man ihn noch nie zuvor gesehen hat.

Aber man muss sich etwas beeilen. Eine neue Bahnstrecke ist bereits im Bau und soll Anfang 2018 in Betrieb gehen. Spätestens dann wird die alte Strecke wohl stillgelegt und man fliegt in unter einer halben Stunde von Tel Aviv nach Jerusalem. Auch diese Strecke werde ich dann mit meinem Sohn probefahren!