„Scheiss Israel! Scheiss Zionisten! Hat nix mit Juden zu tun! Zionisten sind schlimmer als die Nazis!“
So schallte es gestern Abend durch Berlin Mitte. Hier sind wir gerade auf der Durchreise und zu Besuch bei meiner Mutter. Wir haben Schabbat in der Gemeinde Adass Yisroel in der Brunnenstrasse in Berlin gefeiert und sind nach Schabbatausgang noch kurz zum Kaisers gelaufen, um koscheres Eis für einen netten Fernsehabend zu holen. Meine Frau liebt die Sorte „dulce de leche“ von Häagen-Dazs besonders.
Auf dem Rückweg von Supermarkt mit unserem zweijährigen Sohn und der Tüte Einkäufe beladen, begegneten wir diesem Mann: Er wirkte betrunken und sprach mit Akzent Deutsch. Die Flüche „Scheiss Israel, Scheiss Zionisten“ wiederholte er mehrfach und klang dabei so klagend und aufgebracht, als hätte ihm ein Zionist höchstpersönlich gerade eben sein letztes Bier geklaut. Und durch den Satz „Hat nix mit Juden zu tun“ und den Hinweis auf die Nazis machte er deutlich, dass er eben doch die Juden und nicht die Zionisten meint.
In mir kochte es langsam hoch. Keiner auf der Strasse widersprach und der Typ schreit seinen Hass einfach so heraus. Meine Frau hielt mich zurück. Doch als er dann behauptete, wir Zionisten, ich bin auch einer, wären schlimmer als die Nazis, war für mich eine Linie überschritten. Es gibt noch mehr Knallchargen, die sich nicht entblöden, den Gazastreifen mit dem Warschauer Ghetto zu vergleichen und auch das bleibt viel zu oft unwidersprochen. Ich schrie ihm also irgend was blödes zurück aber er taumelte unbeeindruckt weiter.
Heute Nachmittag gehen meine Frau und ich und viele unserer Freunde auf die Demo „Steh auf! Nie wieder Judenhass.“ in Berlin um zu zeigen: Wer einem Antisemiten, der durch die Strassen läuft laut widerspricht, ist nicht allein! Denn der fehlende Widerspruch macht uns Juden in Deutschland mehr Angst, als die antisemitischen Ausfälle irgend welcher Idioten.
Mein Buch, „Wie werde ich Jude„, kann helfen, Antisemitismus abzubauen. Die meisten Nazis in Deutschland leben dort, wo sie selten bis nie auf einen Ausländer treffen. Das Unbekannte wird leichter zum Feindbild als das Bekannte. Wer mit anderen Gruppen zusammenlebt, ihre Bräuche versteht und ihre Gewohnheiten kennenlernt, der hat eher Verständnis für manche Schrulligkeiten. Und von denen haben wir Juden wahrlich genug!