Frauen sind die Verlierer der Corona-Krise

Dass Frauen systemrelevant sind und gleichzeitig schlechter bezahlt werden als ihre männlichen Kollegen, wissen wir nicht erst seit der Corona-Krise.
Allerdings stoßen Frauen auf weitere Probleme, die mit den Einschränkungen des gesellschaftlichen Lebens zurzeit einhergehen. Homeschooling und häusliche Gewalt.

 

Seit nun vier Wochen ist hier in Israel alles dicht: Schulen, Kitas, Cafés, alles was nicht lebensnotwendig ist. Kurz darauf wurde auch in Deutschland alles zugemacht. Das hatte zur Folge, dass viele Menschen ihre Jobs zeitweise oder ganz verloren haben, Unternehmen ihre Aufträge verloren haben und sich viele Menschen auf neue beruflichen Realitäten anpassen mussten. Das betrifft auch mich mit meiner Firma. Alle Aufträge für dieses Jahr sind auf Eis gelegt.

Anders sieht es jedoch bei den Menschen aus, die in den sogenannten systemrelevanten Berufen arbeiten. Dazu zählen unter Anderem medizinische Berufe und alle, die sich um die Lebensmittelversorgung kümmern. Meistens arbeiten Frauen in diesen Berufen. Diese Frauen müssen weiter arbeiten, während ihr Familien zu Hause sind. Teilweise arbeiten sie sogar mehr als vorher. Die Bezahlung in diesen Berufen, außer ÄrztInnen vielleicht, ist sehr schlecht. Die Diskussion darüber muss nach Corona weiter geführt werden.
Eine zusätzliche Belastung für Frauen ist das Homeschooling. Da in vielen Familien, vor allem mit kleinen Kindern, die Männer Vollzeit arbeiten und mehr verdienen, ziehen die Frauen den Kürzeren und übernehmen das Homeschooling. Leider ist es bei uns auch so. Mein Mann arbeitet im Hightech als Produktmanager und muss weiter den Großteil der Arbeit wie gewohnt machen, Meetings, Präsentationen usw. Ich, als Selbstständige muss mich eben um unsere drei Kinder kümmern. Meine Aufträge für dieses Jahr liegen zwar auf Eis, aber auf dem Eis möchte ich nicht liegen. 😉 Ich versuche jetzt die Projekte weiter zu machen, die ich mir schon lange vorgenommen hatte und nicht dazu gekommen bin. Ich schreibe ein Buch und bereite einen Online Kurs vor. Viel Zeit zum Arbeiten bleibt mir aber nicht. Drei Kinder rund um die Uhr zu betreuen, ist ein harter Job. Wir genießen die Zeit zu fünft wirklich sehr, einfach ist es aber nicht.

Ein letzter und wichtigster Punkt, warum Frauen die Verlierer dieser Corona-Krise sind, ist häusliche Gewalt gegen Frauen und Kinder. Die Zahlen sind bereits nach den jetzigen Berechnungen in Deutschland um mindestens 10% höher als im Vorjahr. Weltweit ist der Anstieg vermutlich noch stärker. Vor allem trifft es Frauen besonders hart in Ländern, wo häusliche Gewalt nicht mal illegal ist, wie es in Russland der Fall ist. Auch dieses Problem muss auch nach der Corona-Krise im Fokus des gesellschaftlichen Diskurses bleiben.

Ist die Gleichberechtigung schon da?

Entstanden ist der 8te März als Initiative zur Gleichberechtigung von Frauen und Wahlrecht für Frauen.Das Wahlrecht gibt es immer noch nicht in allen Ländern. Und die Diskussion, ob Frauen heute in den westlichen Ländern gleichberechtigt sind, erstaunt mich. Dass die Frauen heute eine bessere gesellschaftliche Stellung haben als noch vor 10, 20, 50 Jahren ist unbestritten. Aber dass Frauen heute bereits die Gleichberechtigung erreicht haben, ist eine Ausblendung der Realität.
Dass die Gewalttaten gegenüber Frauen immer noch so verbreitet sind ist nur ein Indikator. Wenn man seine Frau, Freundin, Mitarbeiterin auf Augenhöhe betrachten würde, käme man nicht auf die Idee, die männliche, meistens körperliche Überlegenheit auszunutzen und den Frauen Gewalt antun.
Im Business und in der Politik erlebe ich regelmässig, dass Frauen nicht ernstgenommen werden, belächelt werden, schlechter bezahlt werden. Mit dem Argument, dass sich Frauen schon alleine durchsetzen können, wenn sie wollen, kann ich nichts anfangen. Frauen wurden im beruflichen Leben so lange übergangen, unterdrückt, dass es wohl nicht verwunderlich ist, dass die meisten Angst haben, laut ihre Forderungen im Beruf zu stellen. Das erlebe ich so oft. Frauen kommen zu mir und bitten mich um Rat, wie sie sich beruflich durchsetzen können oder sich trauen, auf Veranstaltungen Männer anzusprechen und ihre Business Idee vorzustellen. Ja, Frauen haben es absolut drauf, aber oft teilen die Männer alles unter sich auf. „Auch noch Expertinnen auf ein Panel einladen? Dann habe ich ja keinen Platz mehr.“
Auch die Gesetzgebung und die Gesellschaft stehen Frauen oft im Weg, vor allem wenn sie auf die verrückte Idee kommen, Kinder zu kriegen und beruflich erfolgreich sein zu wollen. Als ich nach zwei Jungs eine Tochter bekam, sagte mir ein Nachbar: „Ah, jetzt hast du dir eine Helferin im Haushalt geboren.“ Ja, wir leben in Israel und nicht in Deutschland, aber Israel ist ein sehr europäisches und liberales Land. Auch in Deutschland höre ich ähnliche Sätze.
Das sollte eigentlich nur ein ganz kurzer Post werden…
Danke an die Männer, die es als selbstverständlich nehmen, Frauen auf Augenhöhe zu behandeln.
Die anderen Männer, versucht euch in die Situation der Frauen reinzuversetzen.

Und an die Frauen: „Ihr seid toll, klug, ehrgeizig! Kämpft weiter für unsere Rechte! Alles Gute zum Weltfrauentag!“ 💪🏼

Hamburg meine Perle

Wenn Israelis erfahren, dass wir aus Deutschland ausgewandert sind, fragen sie meistens: „Aus Deutschland? Warum seid ihr aus Deutschland weg gegangen?“ Wenn Deutsche erfahren, dass wir aus Deutschland nach Israel ausgewandert sind, fragen sie oft: „Vermisst du Deutschland?“

Meine Antwort ist dann: „Deutschland nicht wirklich, aber Hamburg vermisse ich.“

Ja, ich bin mit Leib und Seele Hamburgerin. Ich war 11 als wir mit kleiner Zwischenstation aus der Ukraine nach Hamburg ausgewandert sind. So Vieles verbinde ich mit dieser Stadt, aber vor allem finde ich, dass es die schönste Stadt ist.

Dieses Foto ist von vor 2 Wochen, als ich auf meiner Tour durch Deutschland in Hamburg war. Von dieser Stelle, wo das Foto gemacht wurde, stieg ich ins Auto und fuhr weiter nach Bielefeld zum dritten Vortrag. Als ich über die Elbbrücke fuhr und Hamburg Richtung Autobahn verließ, kamen mir fast die Tränen.

Dein Mann ist eben keine Mutter

Darf eine Frau, die auch noch Mutter ist, eigentlich auf Geschäftsreise gehen? Die meisten werden wahrscheinlich sagen: „Na klar.“ Darf aber diese Frau und Mutter ihren Mann und den Vater der Kinder mit den Kindern allein lassen? Da sehen die meisten Antworten leider anders aus. Heute bin ich auf meine vermutlich längste Geschäftsreise aufgebrochen. Ich bin die ganze Arbeitswoche weg und komme kurz vor Schabbat wieder zurück.

Was meint ihr wieviele Male ich in den letzten Tagen gefragt wurde: „Was? Dein Mann bleibt alleine mit den drei Kindern zu Hause? Wie wird er es schaffen?“ Meine Antwort war dann: „Wenn er auf Geschäftsreise ist, bin ich doch auch mit den Kindern alleine.“ Dann kommt immer dieselbe Reaktion nämlich, dass das doch nicht dasselbe sei. Ich frage dann provokativ: „Warum?“ Die Antwort lautet dann meistens: „Naja, er ist ja keine Mutter.“

Mit manchen diskutiere ich dann weiter, bei manchen lasse ich es bleiben.

Unsere Kinder sind jetzt 7,4 und 1. Doch ich erinnere mich, dass es auch schon so war, als wir nur ein Kind hatten oder zwei. Also ist es nicht unbedingt die Anzahl der Kinder, um die sich ich oder mein Mann in dem Fall alleine kümmern, die die Menschen wundert, sondern wer sich um die Kinder kümmert.

Viele Diskussionen rund um Women Empowerment drehen sich gerade darum, ob man die ganzen Initiativen braucht, um Frauen zu unterstützen oder ob die Frauen es ganz alleine schaffen sollen.

Meiner Meinung nach ist es notwendiger denn je. Es gibt immer mehr Frauen, die Karriere machen und erfolgreich sind, aber die Probleme und mangelnde Unterstützung seitens der Gesellschaft sind gravierend. Viele Frauen trauen sich nicht, diese Gleichberechtigung von der Gesellschaft einzufordern.

Von meinem Mann habe ich diese Gleichberechtigung von Anfang an eingefordert, was jetzt in meinem Fall einfach war. Auf Diskussionen über die Gleichberechtigung lasse ich mich auch ohne Probleme ein. Aber wie oft habe ich von Freundinnen, Bekannten oder Frauen, die ich auf Veranstaltungen oder online kennen lerne, gehört: „Ich bewundere dich so sehr für deinen Feminismus. Ich schaffe es nicht, meine Gleichberechtigung einzufordern“. Das macht mich traurig. Ich versuche, diesen Frauen Mut zu machen. Und ich versuche ein gutes Beispiel zu sein, dass man Mutter von drei kleinen Kindern sein kann und eine Geschäftsfrau.

Ich wette, mein Mann wurde noch nie vor einer Geschäftsreise gefragt: „Was? Deine Frau bleibt alleine mit den drei Kindern zu Hause? Wie wird sie es schaffen?“

Selbstständig und Mutter. Geht das?

Gastbeitrag von Katharina Tolle
Frage:
„Was machst du eigentlich beruflich?“
Antwort:
„Ich schreibe Geburtsgeschichten.“
Reaktionen:
„Aha. [Pause] Was genau machst du?“
„Oh nein. Noch ein Mama-Blog.“
„Verdient dein Mann so gut, dass du zu Hause bleiben kannst?“
„Wer kümmert sich bei euch eigentlich um die Kinder?“
„Das ist aber schon eher Hobby, oder?“
Doch von vorne. Jenny und ich lernten uns 2013 auf der Konferenz IsraMUN kennen. Seitdem verfolgen wir unsere Entwicklungen gegenseitig auf Facebook. Jenny ist eine großartige Ansprechperson, wenn es darum geht, von Unternehmerin zu Unternehmerin Tacheles zu reden. Wir haben nämlich etwas gemeinsam, das häufig immer noch nicht normal scheint: Wir wuppen unsere Selbstständigkeit und unsere Rollen als Mutter dreier Kinder. Deshalb freut es mich, dass ich auf den Dreizehn Blumen über ein Thema schreiben darf, dass Jenny und mich verbindet: Wie genau machen wir das eigentlich mit unserer Selbstständigkeit?
Familie und Selbstständigkeit schließen sich nicht grundsätzlich aus. In manchen Aspekten ist eine Selbstständigkeit sogar einfacher, als ein Angestellten-Job. Dennoch ist es nach wie vor nicht die Regel, sich als Mutter dreier kleiner Kinder selbstständig zu machen. Die Sicherheit eines geregelten Einkommens ist für viele der einzige Entscheidungsfaktor. Selbstständigkeit ist nun mal mit unternehmerischem Risiko behaftet.
Ich habe lange überlegt, wie genau ich das Thema aufreiße. Letztendlich entschied ich mich zu einer Aufzählung der Vorurteile, Risiken und Fragen, die mir seit meinem Sprung in die Selbstständigkeit am häufigsten begegnet sind. Ich wünsche mir, dass meine Reaktion auf diese Themen anderen Müttern den Mut gibt, über ihren Schatten zu springen und den Schritt hin zu mehr Eigenverantwortung zu gehen. Ich wünsche mir, dass diejenigen, denen diese Fragen immer wieder gestellt werden, schneller eine Antwort finden, so dass sie ihre Hirnleistung auf Wertvolleres ausrichten können. Und ich wünsche mir, dass diejenigen, die diese Fragen bisher stellten, verstehen, warum Frauen sich für die Selbstständigkeit entscheiden. Und trotzdem gute Mütter sind.
Mutter und Job
Ja, ich könnte ein ganzes Buch darüber schreiben. (Oh, gute Idee. Hey, ist jemand von euch in einem Verlag beschäftigt!?) Die Kurzfassung hier: Muttersein ist ein Vollzeitjob. Oh, und übrigens: Vatersein ist auch ein Vollzeitjob! Wir alle, die wir Kinder haben, richten unser restliches Leben nach diesen Kindern aus. Trotzdem kommt kaum jemand auf die Idee, dass ein Mann jetzt bitteschön seinen Job an den Nagel hängen sollte, weil er Kinder hat. Sollten Mütter ihren Job an den Nagel hängen? Nein. Sollten sie Unterstützung erfahren? Ja. Muttersein ist ein Vollzeitjob, und Muttersein ist ein Job, von dem man auch mal eine Auszeit braucht. Früher war es selbstverständlich, dass Familien, und besonders auch Frauen, sich mit ihren Kindern untereinander halfen. Ich backe das Brot, du passt auf. Jetzt schlachten wir gemeinsam ein Huhn. Wer gerade weniger Blut an den Fingern hat, hält das Kleinkind davon ab, in den Teich zu springen. Ja, diese Darstellung romantisiert. Und sie bringt es auf den Punkt: Über den Großteil unserer Menschheitsgeschichte wurden die Kinder zur Arbeit mitgenommen. Entweder von den Müttern, oder den Vätern, oder anderen Menschen. Für die Kinder war es eine Kombination aus Spielen, Lernen und Mithelfen. Die Erwachsenen teilten sich die Aufsicht. Erst in den letzten Generationen wurde die Trennung zwischen Arbeit einerseits und Kinderbetreuung andererseits immer schärfer. Das hat natürlich mit unserer Arbeitsteilung zu tun, und es hat auch mit veränderten Berufsbildern und dem Konzept der Kindheit zu tun. Aus einem logischen Grund (Mütter können stillen) fiel die Kinderbetreuung fast immer in die Hände der Mutter. Daraus kristallisierte sich dann auch, dass, wenn überhaupt, die Mutter ihre Arbeit aufgeben solle. Der Vater sollte weiter arbeiten gehen.
Ich bin mit Leib und Seele Mutter. Und ich bin auch noch so viel mehr. Dieses Mehr will ich auch weiterhin sein. Deshalb baue ich mir meine „Dorfgemeinschaft“, meine Familienunterstützung, wieder auf. Die Großeltern sind wunderbare Menschen, die in unserem Fall leider für die täglichen Bedürfnisse zu weit weg wohnen. Die örtliche Kindertagesstätte gefällt mir nicht in allen Punkten. Trotzdem gehen meine Kinder dort hin. Das hat nicht nur mit Logistik zu tun, sondern auch mit dem Wissen, dass es überall Aspekte geben wird, die mir nicht gefallen. Um ehrlich zu sein, glaube ich, dass auch ich meinen Kindern nicht in allen Aspekten gefalle. Zusätzlich haben wir immer mal wieder eine Babysitterin. Sie kommt zwischendurch, obwohl ich zu Hause bin oder obwohl mein Mann zu Hause ist. Manchmal ist es einfach schön, eine helfende Hand zu haben. Und manchmal kommt sie, weil mein Mann und ich zusammen etwas unternehmen. Es ist selten — viel zu selten. Selten ist immer noch so viel besser als gar nicht! Sind wir privilegiert, weil wir genug Geld für die Kinderbetreuung haben? Ja. Ich würde mir wünschen, dass der Staat mehr dazu gibt, so dass es kein Privileg mehr ist! Bin ich eine Rabenmutter, die ihre Kinder abgibt? Nein. Wenn ich bei den Kids bin, bin ich nicht nur physisch da, sondern auch mental. Das könnte ich nicht, wenn ich nur noch die Kids hätte. Gibt es andere Frauen, bei denen es anders ist? Ja, die gibt es — und ja, das ist auch vollkommen okay so! Nicht jede Frau muss sein wie ich. Ich muss nicht sein wie jede Frau.
Fazit: Mütter waren über die größte Zeit unserer Menschheitsgeschichte berufstätig. Heutzutage kaufen wir uns das, was früher selbstverständlich zusammen getan wurde, wieder ein. Es ist manchmal mühselig, aber es geht. Mutter und Berufstätigkeit schließt sich nicht grundsätzlich aus. Muttersein mit bestimmten Arbeitszeitmodellen schon eher. Und damit sind wir beim nächsten Punkt:
Selbstständigkeit = Selbst * Ständig
„Als Selbstständige hast du doch nie Feierabend! Wie machst du das mit der Familie?“
Es erfordert eine gehörige Portion Selbstdisziplin, den Rechner auszumachen und pünktlich an der Kita zu sein. Gerne würde ich die Rechnung noch schnell schreiben… Und eigentlich müsste ich ja auch mal wieder neue Visitenkarten bestellen… Und ach, der Blogpost wartet ja noch auf die Überarbeitung. Ja, als Selbstständige hat meine eine nie endende Aufgabenliste. Ehrlich gesagt haben vermutlich fast alle Erwachsenen so eine Liste, egal, ob selbstständig oder nicht. Nur hängt bei Selbstständigen das Einkommen unmittelbarer davon ab, so dass der Druck entsprechend höher ist. Ich erzähle wohl kein Geheimnis, wenn ich verrate, dass ich unter der Dusche Blogposts im Kopf durchgehe, dass ich selbst auf dem Klo einen Notizblock für Ideen habe, dass ich auf dem Weg zum Zug überlege, wen ich anrufe wegen des nächsten Interviews. Ein kleiner Teil von mir ist tatsächlich ständig bei der Arbeit. Doch mal ehrlich: Wenn euch eure Arbeit wichtig ist, kennt ihr dieses Gefühl — auch, wenn ihr nicht selbstständig seid. Ein fester Zeitplan und die Fokussierung auf das wirklich Wichtige ist deshalb unumgänglich. Dabei hilft natürlich, das langfristige Ziel vor Augen zu haben und außerdem die Aufgaben nach dem Eisenhower-Prinzip abzuarbeiten. Ja, Selbstständigkeit hat auch mit Selbstmanagement zu tun. Das Schöne ist: Ich kann entscheiden, wann ich arbeite und wann nicht. „Mama, nächsten Donnerstag ist Vorlesetag. Kommst du?“ Vormittags mal eben in der Kita die Geschichte von Dingi dem Hafendetektiv vorlesen? Kein Problem. Dann arbeite ich dafür Samstagvormittag. Und in dieser Zeit habe ich auch den Notizblock dann nicht in der Hand. Höchstens im Rucksack. Selbstständigkeit bietet die Chance, die Arbeit dem Rest des Lebens anzupassen, nicht umgekehrt. Natürlich habe ich Kernarbeitszeiten und natürlich erwarten meine Kundinnen von mir, dass ich einen angenommenen Auftrag möglichst zügig auch abarbeite. Und das tue ich. Ob morgens um 4, bevor der Mittlere mich weckt, oder abends um 11, wenn das Baby mit verschnupfter Nase lieber im Kinderwagen draußen schläft und ich daneben sitze und meinen Monatsabschluss mache, interessiert keine Sau.
Damit kann man Geld verdienen?
Mit allem Sch*** verdienen Leute Geld. Dennoch hören selbstständige Frauen oft, dass ihr Thema ja wohl eher ein Hobby sei. Das Stichwort „Selbstverwirklichung“ spricht uns frei von jeglicher finanzieller Absicht. Und außerdem wäre es doch schade, wenn manche Leute nicht in den Genuss meiner Leistung kämen, nur, weil ich so teuer bin. Was für eine umgekehrte Welt! Ja, was ich tue, ist mir wichtig. Und ich kann das so nur tun, weil ich auch mein Geld damit verdiene! Es ist immer wieder erstaunlich, dass Menschen der Meinung sind, dass ich entweder Geld damit verdienen darf, oder es mir Spaß machen kann. Beides zusammen scheint unmöglich. Ich sehe das anders. Wir können Geld verdienen. Und es darf uns trotzdem gut tun, was wir tun.
Wie viel verdienst du damit so?
Das Gehalt von Selbstständigen ist nicht zu leicht zu berechnen. Wir haben Ausgaben, wir zahlen unsere Steuern auf das, was am Monatsende übrig bleibt. Wir kümmern uns um Sozialleistungen, für die bei Angestellten der Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin aufkommt. In einer ehrlichen Diskussion halte ich nicht damit hinter den Berg, wie viel ich verdiene. Ich halte auch nicht hinter den Berg, welche Ausgaben ich habe und was davon auf die Firma läuft und was privat ist. (Nein, ich kann nicht alles als Kosten deklarieren, was meine Familie so an Ausgaben hat…) Selbstständigkeit kann sich lohnen. Es ist schön, wenn das so ist. In den Monaten, in denen das nicht so ist, kann ich immerhin sagen, dass ich meine Zeit mit etwas verbracht habe, was ich gerne tue und was den Frauen, für die ich arbeite, einen echten Mehrwert bringt.
Du bereitest doch bloß deine Scheidung vor
Mit wurde tatsächlich vorgeworfen, ich wollte mich ja bloß finanziell unabhängig machen, damit ich meine Scheidung durchsetzen könne, ohne danach mittellos dazustehen. Hallo, geht es noch!? Abgesehen davon, dass ich es total wichtig finde, finanziell unabhängig zu sein, um sich freiwillig — Achtung, Spoiler! — aus Liebe an jemanden zu binden, ist der Vorwurf, meine Selbstständigkeit sei die Vorbereitung meiner Scheidung, absoluter Humbuk. Ja, meine Firma ist meine Firma und mein Mann hat auf mein Firmenkonto keinen Zugriff. Trotzdem ist mein Herzensbusiness nur möglich, weil mein Mann mitzieht. Er unterstützt mich, wir beraten gewisse Themen auch zusammen („Wie viele Aufträge nehme ich in diesem Zeitraum an, wenn du da deine Jahrestagung hast und die Kitaschließzeit ansteht?“). Nein, ich bereite nicht meine Scheidung vor. Ich trage dazu bei, dass wir unsere gemeinsamen Träume leben können.
Du stellt deine Firma über die Familie
Ja. Nein. Ich stelle die Familie über die Firma und die Firma über die Familie. Jetzt, da ich diesen Beitrag schreibe, bin ich nicht für die Familie da. Dadurch, dass ich diesen Beitrag schreibe, kann ich später wieder bei meiner Familie sein. Ich stelle meine Selbstständigkeit nicht mehr über meine Familie, als jede andere Person das tut, wenn sie einen Job annimmt.
Das ist doch nur eine Phase
Kann sein. Und wenn? Dann mache ich in dieser Phase genau das, was ich machen will. Und wenn dann die nächste Phase kommt, dann mache ich das.
Das hat ja gar nichts mit deinem Studium zu tun
Nein, ich brauche keinen Abschluss in Politikwissenschaften mit Abschlussarbeit zu Somalia, um Geburtsgeschichten zu schreiben. Nein, ich brauche keinen Abschluss in Volkswirtschaft mit Abschlussarbeit zu Ruanda und Burundi, um Schwangerschaftstagebücher zu schreiben. Mein Lebensweg ist nicht geradlinig. Trotzdem waren meine Studienjahre keine „verschwendete Zeit“. Alles im Leben hat mich zu dem gemacht, was ich jetzt bin. Viele Dinge aus der Studienzeit helfen mir jetzt. Vieles ist mir wichtig und hat Einfluss darauf, wie ich die Welt heute sehe. Ich weiß nicht, ob ich ohne das Studium diesen Weg gewählt hätte. Ich weiß, dass dieser Weg jetzt das ist, was ich will.
Kannst du auch noch über was anderes reden als Geburtsgeschichten?
Ja, kann ich. Und ja, tue ich auch. Es gab schon den Fall, dass Menschen mir nach einem Kennenlernen „vorgeworfen“ haben, dass ich ja gar nicht von meinem Business erzählt hätte. Ich erzähle davon, wenn es passt. Wenn es nicht passt, erzähle ich nicht davon. Wir unterhalten uns zum Thema Sommerurlaub? Da berichte ich vermutlich lieber vom Negev als von meinem Finanzkonzept. Ja, wir Frauen sind oft mit Leib und Seele selbstständig, wenn wir uns dafür entschieden haben. Wir sehen unser Business als Teil von uns. Wir freuen uns, wenn es wächst, und wir nehmen uns Kritik sehr zu Herzen. Deshalb schwanken wir zwischen zwei Extremen: „Ich liebe meinen Beruf und erzähle sofort allen alles darüber!“ und „Wenn ich das erzähle, finden die das bestimmt voll doof. Deshalb bleibe ich lieber ganz still und hoffe, dass mich niemand bemerkt.“ Keine Panik — wir finden auch ein Thema jenseits von Geburten, um zu quatschen. Wie wäre es mit Tanzen!?
Danke, dass ich das Schreiben darf, denn…
Der Sprung in die Selbstständigkeit ist für viele Frauen ein Sprung in die Unsicherheit. Es werden uns oft Steine in den Weg gelegt — manchmal absichtlich, manchmal unabsichtlich. Deshalb ist es so wichtig, dass wir wissen: Wir sind nicht allein.
Du, als Selbstständige, als Mutter, als Frau, als Weltverbessererin, du mit deinen unfertigen Projekten, mit deiner nicht makellosen Bude, mit all den Kleinigkeiten und großen Sorgen, mit den geheimen Tänzen durch’s Zimmer, wenn du einen Auftrag bekommst: Du bist nicht allein. Jenny, du, ich — wir sind die Generation Unternehmerinnen, die sich nur selbst aufhalten kann. Und du, die du den Sprung wagen möchtest: Du brauchst nicht perfekt sein, um Mehrwert zu bieten. Starte.
Und du, der du das liest und denkst: Die ist vollkommen durchgeknallt: Jop, kann schon sein 🙂 Danke, dass ich so durchgeknallt sein darf. Und jetzt: Shalom, sii juu. Mein Monatsabschluss wartet auf mich.
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Über Katharina:
Katharina wohnt in der Nähe von Berlin. Sie schreibt Geburtsgeschichten, Sternenkindbriefe und Schwangerschaftstagebücher. Ihren Blog findest du über www.ichgebaere.com und zu ihrem Newsletter kannst du dich hier anmelden: https://ichgebaere.com/geburtsgeschichtennewsletter/

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Katharina Tolle

Autorin von individuellen Geburtsgeschichten
Bloggerin
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Gut Schabbes Selfie – Milka

Endlich komme ich wieder dazu: Ein „Gut Shabbes Selfie“. Wir sind gerade in Deutschland zu Besuch und hier gibt es an jeder Ecke günstig und gut und dennoch koscher (Chalav Nochri) Milka-Schokolade!
So süss wie sie ist unser Wochenabschnitt aber nicht. Es geht um die Musterung von wehrfähigen Männern und handelt von den Tier- und Speiseopfern für die vielen Feiertage, Neumondstage und Schabbate. Im besten Fall eine eher dröge Lektüre mit vielen Zahlen und Abfolgen von nur gering abweichenden Wiederholungen von Beschreibungen und Aufzählungen.
Die Schokoladenseite des Abschnitts ist aber die Stelle, die von Milka und ihren Schwestern erzählt. Sie hiessen Machlah, Noah, Choglah und Thirzah. Sie waren die Töchter Zelophchads, hatten keinen Bruder und sollten daher bei der Verteilung des Erbes übergangen werden. Sie begehrten auf, gingen zu Mosche und er brachte ihr Anliegen vor G-tt. Mit Erfolg! Sie bekamen ihren gerechten Anteil. Sie waren wohl die ersten Feministinnen der Geschichte.
Ich wünsche euch einen süßen Schabbat, der hier in Hamburg erst gegen Mitternacht zu Ende geht. Da bleibt viel Zeit über Milka und ihre Schwestern nachzudenken und vielleicht auch mal ein Stück Schokolade zu naschen! Aus rein religiösen Gründen, versteht sich.

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