Querdenken. Zeit, die Maske(n) abzulegen

Ein Gastbeitrag von Julia Stallinger

Aus dem Alltag ist die Maske nicht mehr wegzudenken. Sie dient dem Schutz anderer vor Corona und kann in gelebter Solidarität nicht nur vor schweren Krankheitsverläufen schützen, sondern sogar Leben retten. Dieser Wirkung trauen aber besonders Querdenker:innen nicht. Die Maske schütze nicht vor der Pandemie, sie sei vielmehr ein Symbol des Mundtotmachens kritischer Stimmen. Doch wer will hier wen mundtot machen? Verfolgt man die Reden auf Querdenken-Demonstrationen, so wird einem schnell klar, dass das Ablegen der Maske vor allem eine symbolische Wirkung erzielen soll. Die häufig als „Maulkorb“ bezeichneten Masken werden abgelegt im vermeintlichen Kampf um die Freiheit. Freiheit, sich wieder mit Menschen zu treffen, aber eben auch Freiheit, sich öffentlich zu radikalisieren und ein altes neues Feindbild über ein größeres, verschwörerisches Narrativ zu etablieren. Was zunächst aussieht wie ein Wunsch nach Ausbruch aus der Pandemie ist tatsächlich nur eine Maske für den eigentlichen Wunsch nach Ausbruch aus der Demokratie.

Von Schuldkult und Opferneid

Die Aussagen und Gedankenspiele auf Querdenken-Demonstrationen sind vielfältig, aber ähnlich im Inhalt. Von einer Studentin, die sich selbst mit Sophie Scholl gleichsetzt, weil sie sich im „Widerstand“ befände, über ein elfjähriges Mädchen, das von ihren Eltern dazu instrumentalisiert wird, zu sagen, sie lebe wie Anne Frank, bishin zu Menschen, die Judensterne auf Masken und andere Kleidungsstücke drucken und behaupten, sie seien „die neuen Juden“. Es finden sich verschiedene Formen der Anspielung auf das NS-Regime und schließlich auch auf die Shoa auf Querdenken-Veranstaltungen. Das ist problematisch, weil Sprache Bilder formt. Die Bilder, denen sich hier bedient wird, sind grausame Bilder von der Ermordung von Millionen von Menschen, die vollkommen grundlos brutalst von einem faschistischen Regime vernichtet wurden. All diese Anspielungen und Vergleiche mit einer Diktatur werden also gemacht, während man selbst in einer Demokratie lebt, in der Gewaltenteilung herrscht und man sogar während einer Pandemie unter Polizeischutz demonstrieren kann und darf, es also keinerlei Ähnlichkeiten mit dem NS-Regime gibt. Wieso also die Vergleiche?

Die Verunsicherung, die Angst, etwas ausgesetzt zu sein, das niemand kontrollieren kann, ist nicht ungewöhnlich zu Zeiten einer Pandemie. Nicht nur Querdenker:innen haben Sorgen und Ängste, nicht nur Querdenker:innen sehnen sich wieder zurück in ein Leben ohne Maske mit engen sozialen Kontakten. Aber gerade die Tatsache, dass wir sozusagen kollektiv „Opfer der Pandemie“ sind ist auch ein wesentlicher Punkt, weshalb die Bewegung auch in zunächst nicht antisemitischen oder radikalen Kreisen Einzug gewinnt. Diese Selbstidentifkation als Opfer der Umstände kann der erste Berührungspunkt mit Querdenken sein. Gleichzeitig bietet die Bewegung vermeintliche Antworten auf Fragen, die man sich zuvor vielleicht gar nicht gestellt hat. Denn dort, wo ein Opfernarrativ erzählt wird, da gibt es auch Täter:innen.

Wir sind die neuen Juden!“ oder auch: „Die Zionisten sind schuld!

Rothschild. Soros. Die Finanzeliten. Lügenpresse. Big Pharma. Oder auch direkt, laut Attila Hildmann: die Zionisten. Codes für vermeintliche Täter:innen findet man auf Querdenken-Veranstaltungen genug. Abstrakte Größen, die unnahbar scheinen. Wer sind diese Zionisten? Spätestens, wirklich allerspätestens hier muss klar sein: Was auf Querdenken-Demonstrationen verbreitet wird, ist Antisemitismus. Und das auch nicht mehr subtil, sondern offenkundig und toleriert von der Gesellschaft.

Querdenken bedient sich jahrhundertealter antijüdischer und antisemitischer Stereotype und adaptiert diese. Vom geldgierigen Juden, der die Medien kontrolliert, die Coronaimpfung in die Welt setzt, um die Menschen zu vergiften (ganz nach dem Brunnenvergiftungsmotiv) und die Regierungen dazu bringt, Menschen diese große „Corona-Lüge“ zu verkaufen, um sich so an ihnen für die grausame Geschichte der Verfolgung zur NS-Zeit zu rächen. Antisemitische Narrative sind tief im deutschsprachigen Raum verwurzelt. So tief, dass heute noch zwischen 20 und 24% der Bevölkerung in Deutschland glauben, dass Juden zu viel Macht in der Poltik, Wirtschaft, Finanzwelt und Medienlandschaft haben und sogar glauben, dass Jüdinnen und Juden sich für etwas Besseres hielten. Zudem denken 41% der Deutschen, Jüdinnen und Juden wären Israel gegenüber treuer als Deutschland, das entspricht auch dem Prozentsatz der Bevölkerung, der denkt, Jüdinnen und Juden sprächen zu häufig über die Shoa (vgl. Brumlik, 2020, S. 4f.). Gerade deshalb funktionieren subtile antisemitische Codes sehr gut, denn sie müssen nicht neu erlernt werden. Sie waren nie weg, sondern haben sich nur weiterentwickelt. Querdenken macht sich diese Muster zu nutze und instrumentalisiert die Shoa, indem sie ihre heutige Situation mit der der NS-Zeit gleichsetzen und mit den dadurch hergestellten emotionalen Konnotationen Zuspruch gewinnen. Spricht man nun aber selbst als Jüdin oder Jude über die grausamen Ermordungen, wird einem Schuldkult vorgeworfen, also bewusstes Hervorrufen von Schuldgefühlen aufgrund der Geschichte. Betrachtet man die Menge an Menschen, die antisemitische Narrative verinnerlicht haben, dann überrascht es nicht, dass diese Schuldumkehr erfolgreich funktioniert, auf dessen Basis sich neue Feindbilder bauen lassen. „Die Zionisten“, Israel, „deutschlanduntreue“ Jüdinnen und Juden, die zu viel über die Shoa reden, um einem selbst Schuldgefühle einzuflößen. Sie seien doch diejenigen -– so glaubt ein nicht geringer Prozentsatz der Deutschen – die Macht in Form von Geld, Einfluss auf die Politik und Medien wie auch auf die Pharmabranche haben. Es ist für Querdenker:innen also naheliegend, sich nicht nur selbst zu viktimisieren, sondern gleichzeitig Schuldumkehr zu betreiben und zu behaupten, Jüdinnen und Juden, unter dem Code der „Zionisten“, wollen mit der Coronapandemie anderen schaden. Das Motiv? Rache.

Auf der Suche nach einem neuen, nicht greifbaren, elitären Feindbild kommt auch die Nähe von Querdenken zu Qanon, die nicht nur symbolisch, sondern auch ideologisch verankert ist, hervor. Gegen Jüdinnen und Juden in Deutschland zu hetzen, das ist ­– zum Glück – auf legaler Ebene schwierig. Das führt aber unweigerlich dazu, Zionistinnen und Zionisten, also jene Leute, die die Existenz des einzigen jüdischen Staates Israel befürworten und unterstützen, als neues Vehikel für ihren Hass zu legitimieren. Unter der Schätzung, dass 95% der Jüdinnen und Juden weltweit Zionist:innen sind wird ebenso klar erkennbar, dass es sich wieder nur um ein Codewort handelt, das den eigenen Antisemitismus kaschieren soll. Und nicht nur das: Unter dem kollektiven Hass auf Zionismus finden Gruppen zusammen, die sonst nie zusammenfinden würden. Wenn eine von Rechtsradikalen organisierte Free Palestine-Demonstration vor einer Synagoge in Deutschland, wo deutsche Jüdinnen und Juden beten, nicht genehmigt wird, dann wird das kollektive antisemitische Motiv unter dem Deckmantel des Antizionismus klar erkennbar. Dieses gemeinsame Narrativ der bösen Zionist:innen, das für viele zunächst gar nicht greifbar ist, funktioniert. Es funktioniert, weil es verharmlost werden kann, schließlich hat ja niemand explizit von „den Juden“ gesprochen. Es funktioniet, weil es abstrakt erscheint und weil Zionismus „ein umstrittenes Thema ist“, weil Zionismus aber eigentlich zunächst ein Begriff, ist, der den meisten Menschen im deutschsprachigen Raum gar nichts sagt und es schwer ist, gegen einen unbekannten Begriff zu argumentieren. Es funktioniert nicht zuletzt aber auch, weil Antisemitismus schlichtweg, selbst wenn er offen praktiziert wird, in der Mehrheitsgesellschaft toleriert wird.

Demonstrieren für die Freiheit

Tatsache ist: Es gibt legitime Punkte, die man am Pandemiemanagement kritisieren kann und muss. Das ist aus rein medizinischer, ethischer und juristischer Perspektive nicht nur möglich, sondern auch notwendig, um sicherstellen zu können, den effektivsten Schutz für die Gesellschaft zu gewährleisten. Gleiches gilt für Kritik an der Regierung, wie die Opposition beispielsweise veranschaulicht. Diese gerechtfertigte Kritik kommt aber ohne antisemitische Verschwörungsmythen, die sich häufig als antizionistisch kaschieren, aus.

Auf Coronademonstrationen geht es nicht darum, legitime und notwendige medizinische und juristische Fragen zu stellen und Kritikpunkte aufzuwerfen. Es geht darum, die Demokratie in Frage zu stellen und zu überwinden. Ein demokratisches System umzustürzen, das von Querdenker:innen als Diktatur betrachtet wird, weil das eigene Narrativ der jüdischen/zionistischen Weltverschwörung bereits so verinnerlicht ist, dass man gar nicht mehr wahrnehmen kann, dass Gewaltenteilung existiert, Wahlen nicht gefälscht werden, Menschen frei demonstrieren dürfen (auch während einer Pandemie) und, Baruch HaShem, niemand ermordet wird, weil wir in einer Demokratie und nicht einer Diktatur leben.

Geschichtsrevisionistische und -relativierende Aussagen befördern die eigne Viktimisierung und verharmlosen die Shoa und damit den brutalen Mord and sechs Millionen Jüdinnen und Juden. Zugleich schaffen diese Aussagen Implikationen und Bilder, die dazu führen, sich selbst in heutiger Zeit als Opfer, zunächst der Pandemie und schließlich einer vermeintlichen Diktatur zu sehen. Diese Diktatur verfolgt Ziele, die den Bürger:innen nicht bewusst sein können, die sie also selbst aufdecken müssen. So entwickelt sich das Verschwörungsnarrativ der zionistischen Eliten, die im Geheimen von Israel aus, aber auch in der Diaspora agieren, das Virus in die Welt setzen, die Medien, Finanzen, Pharma und die Regierung kontrollieren und so als Weltmacht die Rache an der deutschen Bevölkerung üben. Es beginnt also mit zunächst unscheinbaren Codes, die man vielleicht als Laie gar nicht als antisemitisch kategorisieren würde. Daraus entwickelt sich aber schnell ein neues Feindbild, in dem die „Deutschen“ die Opfer und Jüdinnen und Juden die Täter:innen sind.

Umso wichtiger ist es, nicht nur von „Covidioten“ zu sprechen und ihren gelebten Antisemitismus müde zu belächeln und dadurch zu verharmlosen. Eine Verharmlosung bietet Platz in der Gesellschaft. Den gibt es aber nicht für Antisemitismus. Geschichtsrevisionismus und antisemitische Verschwörungsmythen, so absurd sie klingen, müssen ernst genommen, eingeordnet, diskutiert und widerlegt werden. Wenn „nie wieder“ auch wirklich „nie wieder“ bedeuten soll, dann muss es Aufgabe der nichtjüdischen Mehrheitsgesellschaft sein, nicht nur Jüdinnen und Juden zuzuhören, sondern auch sich selbst klar gegen alle Formen des Antisemitismus zu positionieren.

Zahlen zu antisemitischen Einstellungen in Deutschland:

Brumlik, M. (2020). Antisemitismus. 100 Seiten. Bonn: Reclam.

Über die Autorin

Julia Stallinger, BEd studiert derzeit im Master Jüdische Kulturgeschichte an der Universität Salzburg. Am Zentrum für Jüdische Kulturgeschichte der Universität ist sie außerdem als Studienassistentin tätig und moderiert die Radiosendung Maschehu – Mischehu, die auch als Podcast verfügbar ist. Während das Ziel der Sendung ist, innerjüdische Diversität, die im Mainstream keinen Raum findet, durch eine Vielfalt an jüdischen Themen und Gästen sichtbar zu machen und zu diskutieren, engagiert sie sich thematisch außerhalb der Sendung vorrangig zum Thema Antisemitismus und als Mitglied der Österreichisch-Israelischen Gesellschaft spezifisch zur Schnittstelle zwischen antizionistischen und antisemitischen Motiven in radikalen Gruppierungen.

Link zur Sendung Maschehu – Mischehu:

Twitter:

Selbstständig und Mutter. Geht das?

Gastbeitrag von Katharina Tolle
Frage:
„Was machst du eigentlich beruflich?“
Antwort:
„Ich schreibe Geburtsgeschichten.“
Reaktionen:
„Aha. [Pause] Was genau machst du?“
„Oh nein. Noch ein Mama-Blog.“
„Verdient dein Mann so gut, dass du zu Hause bleiben kannst?“
„Wer kümmert sich bei euch eigentlich um die Kinder?“
„Das ist aber schon eher Hobby, oder?“
Doch von vorne. Jenny und ich lernten uns 2013 auf der Konferenz IsraMUN kennen. Seitdem verfolgen wir unsere Entwicklungen gegenseitig auf Facebook. Jenny ist eine großartige Ansprechperson, wenn es darum geht, von Unternehmerin zu Unternehmerin Tacheles zu reden. Wir haben nämlich etwas gemeinsam, das häufig immer noch nicht normal scheint: Wir wuppen unsere Selbstständigkeit und unsere Rollen als Mutter dreier Kinder. Deshalb freut es mich, dass ich auf den Dreizehn Blumen über ein Thema schreiben darf, dass Jenny und mich verbindet: Wie genau machen wir das eigentlich mit unserer Selbstständigkeit?
Familie und Selbstständigkeit schließen sich nicht grundsätzlich aus. In manchen Aspekten ist eine Selbstständigkeit sogar einfacher, als ein Angestellten-Job. Dennoch ist es nach wie vor nicht die Regel, sich als Mutter dreier kleiner Kinder selbstständig zu machen. Die Sicherheit eines geregelten Einkommens ist für viele der einzige Entscheidungsfaktor. Selbstständigkeit ist nun mal mit unternehmerischem Risiko behaftet.
Ich habe lange überlegt, wie genau ich das Thema aufreiße. Letztendlich entschied ich mich zu einer Aufzählung der Vorurteile, Risiken und Fragen, die mir seit meinem Sprung in die Selbstständigkeit am häufigsten begegnet sind. Ich wünsche mir, dass meine Reaktion auf diese Themen anderen Müttern den Mut gibt, über ihren Schatten zu springen und den Schritt hin zu mehr Eigenverantwortung zu gehen. Ich wünsche mir, dass diejenigen, denen diese Fragen immer wieder gestellt werden, schneller eine Antwort finden, so dass sie ihre Hirnleistung auf Wertvolleres ausrichten können. Und ich wünsche mir, dass diejenigen, die diese Fragen bisher stellten, verstehen, warum Frauen sich für die Selbstständigkeit entscheiden. Und trotzdem gute Mütter sind.
Mutter und Job
Ja, ich könnte ein ganzes Buch darüber schreiben. (Oh, gute Idee. Hey, ist jemand von euch in einem Verlag beschäftigt!?) Die Kurzfassung hier: Muttersein ist ein Vollzeitjob. Oh, und übrigens: Vatersein ist auch ein Vollzeitjob! Wir alle, die wir Kinder haben, richten unser restliches Leben nach diesen Kindern aus. Trotzdem kommt kaum jemand auf die Idee, dass ein Mann jetzt bitteschön seinen Job an den Nagel hängen sollte, weil er Kinder hat. Sollten Mütter ihren Job an den Nagel hängen? Nein. Sollten sie Unterstützung erfahren? Ja. Muttersein ist ein Vollzeitjob, und Muttersein ist ein Job, von dem man auch mal eine Auszeit braucht. Früher war es selbstverständlich, dass Familien, und besonders auch Frauen, sich mit ihren Kindern untereinander halfen. Ich backe das Brot, du passt auf. Jetzt schlachten wir gemeinsam ein Huhn. Wer gerade weniger Blut an den Fingern hat, hält das Kleinkind davon ab, in den Teich zu springen. Ja, diese Darstellung romantisiert. Und sie bringt es auf den Punkt: Über den Großteil unserer Menschheitsgeschichte wurden die Kinder zur Arbeit mitgenommen. Entweder von den Müttern, oder den Vätern, oder anderen Menschen. Für die Kinder war es eine Kombination aus Spielen, Lernen und Mithelfen. Die Erwachsenen teilten sich die Aufsicht. Erst in den letzten Generationen wurde die Trennung zwischen Arbeit einerseits und Kinderbetreuung andererseits immer schärfer. Das hat natürlich mit unserer Arbeitsteilung zu tun, und es hat auch mit veränderten Berufsbildern und dem Konzept der Kindheit zu tun. Aus einem logischen Grund (Mütter können stillen) fiel die Kinderbetreuung fast immer in die Hände der Mutter. Daraus kristallisierte sich dann auch, dass, wenn überhaupt, die Mutter ihre Arbeit aufgeben solle. Der Vater sollte weiter arbeiten gehen.
Ich bin mit Leib und Seele Mutter. Und ich bin auch noch so viel mehr. Dieses Mehr will ich auch weiterhin sein. Deshalb baue ich mir meine „Dorfgemeinschaft“, meine Familienunterstützung, wieder auf. Die Großeltern sind wunderbare Menschen, die in unserem Fall leider für die täglichen Bedürfnisse zu weit weg wohnen. Die örtliche Kindertagesstätte gefällt mir nicht in allen Punkten. Trotzdem gehen meine Kinder dort hin. Das hat nicht nur mit Logistik zu tun, sondern auch mit dem Wissen, dass es überall Aspekte geben wird, die mir nicht gefallen. Um ehrlich zu sein, glaube ich, dass auch ich meinen Kindern nicht in allen Aspekten gefalle. Zusätzlich haben wir immer mal wieder eine Babysitterin. Sie kommt zwischendurch, obwohl ich zu Hause bin oder obwohl mein Mann zu Hause ist. Manchmal ist es einfach schön, eine helfende Hand zu haben. Und manchmal kommt sie, weil mein Mann und ich zusammen etwas unternehmen. Es ist selten — viel zu selten. Selten ist immer noch so viel besser als gar nicht! Sind wir privilegiert, weil wir genug Geld für die Kinderbetreuung haben? Ja. Ich würde mir wünschen, dass der Staat mehr dazu gibt, so dass es kein Privileg mehr ist! Bin ich eine Rabenmutter, die ihre Kinder abgibt? Nein. Wenn ich bei den Kids bin, bin ich nicht nur physisch da, sondern auch mental. Das könnte ich nicht, wenn ich nur noch die Kids hätte. Gibt es andere Frauen, bei denen es anders ist? Ja, die gibt es — und ja, das ist auch vollkommen okay so! Nicht jede Frau muss sein wie ich. Ich muss nicht sein wie jede Frau.
Fazit: Mütter waren über die größte Zeit unserer Menschheitsgeschichte berufstätig. Heutzutage kaufen wir uns das, was früher selbstverständlich zusammen getan wurde, wieder ein. Es ist manchmal mühselig, aber es geht. Mutter und Berufstätigkeit schließt sich nicht grundsätzlich aus. Muttersein mit bestimmten Arbeitszeitmodellen schon eher. Und damit sind wir beim nächsten Punkt:
Selbstständigkeit = Selbst * Ständig
„Als Selbstständige hast du doch nie Feierabend! Wie machst du das mit der Familie?“
Es erfordert eine gehörige Portion Selbstdisziplin, den Rechner auszumachen und pünktlich an der Kita zu sein. Gerne würde ich die Rechnung noch schnell schreiben… Und eigentlich müsste ich ja auch mal wieder neue Visitenkarten bestellen… Und ach, der Blogpost wartet ja noch auf die Überarbeitung. Ja, als Selbstständige hat meine eine nie endende Aufgabenliste. Ehrlich gesagt haben vermutlich fast alle Erwachsenen so eine Liste, egal, ob selbstständig oder nicht. Nur hängt bei Selbstständigen das Einkommen unmittelbarer davon ab, so dass der Druck entsprechend höher ist. Ich erzähle wohl kein Geheimnis, wenn ich verrate, dass ich unter der Dusche Blogposts im Kopf durchgehe, dass ich selbst auf dem Klo einen Notizblock für Ideen habe, dass ich auf dem Weg zum Zug überlege, wen ich anrufe wegen des nächsten Interviews. Ein kleiner Teil von mir ist tatsächlich ständig bei der Arbeit. Doch mal ehrlich: Wenn euch eure Arbeit wichtig ist, kennt ihr dieses Gefühl — auch, wenn ihr nicht selbstständig seid. Ein fester Zeitplan und die Fokussierung auf das wirklich Wichtige ist deshalb unumgänglich. Dabei hilft natürlich, das langfristige Ziel vor Augen zu haben und außerdem die Aufgaben nach dem Eisenhower-Prinzip abzuarbeiten. Ja, Selbstständigkeit hat auch mit Selbstmanagement zu tun. Das Schöne ist: Ich kann entscheiden, wann ich arbeite und wann nicht. „Mama, nächsten Donnerstag ist Vorlesetag. Kommst du?“ Vormittags mal eben in der Kita die Geschichte von Dingi dem Hafendetektiv vorlesen? Kein Problem. Dann arbeite ich dafür Samstagvormittag. Und in dieser Zeit habe ich auch den Notizblock dann nicht in der Hand. Höchstens im Rucksack. Selbstständigkeit bietet die Chance, die Arbeit dem Rest des Lebens anzupassen, nicht umgekehrt. Natürlich habe ich Kernarbeitszeiten und natürlich erwarten meine Kundinnen von mir, dass ich einen angenommenen Auftrag möglichst zügig auch abarbeite. Und das tue ich. Ob morgens um 4, bevor der Mittlere mich weckt, oder abends um 11, wenn das Baby mit verschnupfter Nase lieber im Kinderwagen draußen schläft und ich daneben sitze und meinen Monatsabschluss mache, interessiert keine Sau.
Damit kann man Geld verdienen?
Mit allem Sch*** verdienen Leute Geld. Dennoch hören selbstständige Frauen oft, dass ihr Thema ja wohl eher ein Hobby sei. Das Stichwort „Selbstverwirklichung“ spricht uns frei von jeglicher finanzieller Absicht. Und außerdem wäre es doch schade, wenn manche Leute nicht in den Genuss meiner Leistung kämen, nur, weil ich so teuer bin. Was für eine umgekehrte Welt! Ja, was ich tue, ist mir wichtig. Und ich kann das so nur tun, weil ich auch mein Geld damit verdiene! Es ist immer wieder erstaunlich, dass Menschen der Meinung sind, dass ich entweder Geld damit verdienen darf, oder es mir Spaß machen kann. Beides zusammen scheint unmöglich. Ich sehe das anders. Wir können Geld verdienen. Und es darf uns trotzdem gut tun, was wir tun.
Wie viel verdienst du damit so?
Das Gehalt von Selbstständigen ist nicht zu leicht zu berechnen. Wir haben Ausgaben, wir zahlen unsere Steuern auf das, was am Monatsende übrig bleibt. Wir kümmern uns um Sozialleistungen, für die bei Angestellten der Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin aufkommt. In einer ehrlichen Diskussion halte ich nicht damit hinter den Berg, wie viel ich verdiene. Ich halte auch nicht hinter den Berg, welche Ausgaben ich habe und was davon auf die Firma läuft und was privat ist. (Nein, ich kann nicht alles als Kosten deklarieren, was meine Familie so an Ausgaben hat…) Selbstständigkeit kann sich lohnen. Es ist schön, wenn das so ist. In den Monaten, in denen das nicht so ist, kann ich immerhin sagen, dass ich meine Zeit mit etwas verbracht habe, was ich gerne tue und was den Frauen, für die ich arbeite, einen echten Mehrwert bringt.
Du bereitest doch bloß deine Scheidung vor
Mit wurde tatsächlich vorgeworfen, ich wollte mich ja bloß finanziell unabhängig machen, damit ich meine Scheidung durchsetzen könne, ohne danach mittellos dazustehen. Hallo, geht es noch!? Abgesehen davon, dass ich es total wichtig finde, finanziell unabhängig zu sein, um sich freiwillig — Achtung, Spoiler! — aus Liebe an jemanden zu binden, ist der Vorwurf, meine Selbstständigkeit sei die Vorbereitung meiner Scheidung, absoluter Humbuk. Ja, meine Firma ist meine Firma und mein Mann hat auf mein Firmenkonto keinen Zugriff. Trotzdem ist mein Herzensbusiness nur möglich, weil mein Mann mitzieht. Er unterstützt mich, wir beraten gewisse Themen auch zusammen („Wie viele Aufträge nehme ich in diesem Zeitraum an, wenn du da deine Jahrestagung hast und die Kitaschließzeit ansteht?“). Nein, ich bereite nicht meine Scheidung vor. Ich trage dazu bei, dass wir unsere gemeinsamen Träume leben können.
Du stellt deine Firma über die Familie
Ja. Nein. Ich stelle die Familie über die Firma und die Firma über die Familie. Jetzt, da ich diesen Beitrag schreibe, bin ich nicht für die Familie da. Dadurch, dass ich diesen Beitrag schreibe, kann ich später wieder bei meiner Familie sein. Ich stelle meine Selbstständigkeit nicht mehr über meine Familie, als jede andere Person das tut, wenn sie einen Job annimmt.
Das ist doch nur eine Phase
Kann sein. Und wenn? Dann mache ich in dieser Phase genau das, was ich machen will. Und wenn dann die nächste Phase kommt, dann mache ich das.
Das hat ja gar nichts mit deinem Studium zu tun
Nein, ich brauche keinen Abschluss in Politikwissenschaften mit Abschlussarbeit zu Somalia, um Geburtsgeschichten zu schreiben. Nein, ich brauche keinen Abschluss in Volkswirtschaft mit Abschlussarbeit zu Ruanda und Burundi, um Schwangerschaftstagebücher zu schreiben. Mein Lebensweg ist nicht geradlinig. Trotzdem waren meine Studienjahre keine „verschwendete Zeit“. Alles im Leben hat mich zu dem gemacht, was ich jetzt bin. Viele Dinge aus der Studienzeit helfen mir jetzt. Vieles ist mir wichtig und hat Einfluss darauf, wie ich die Welt heute sehe. Ich weiß nicht, ob ich ohne das Studium diesen Weg gewählt hätte. Ich weiß, dass dieser Weg jetzt das ist, was ich will.
Kannst du auch noch über was anderes reden als Geburtsgeschichten?
Ja, kann ich. Und ja, tue ich auch. Es gab schon den Fall, dass Menschen mir nach einem Kennenlernen „vorgeworfen“ haben, dass ich ja gar nicht von meinem Business erzählt hätte. Ich erzähle davon, wenn es passt. Wenn es nicht passt, erzähle ich nicht davon. Wir unterhalten uns zum Thema Sommerurlaub? Da berichte ich vermutlich lieber vom Negev als von meinem Finanzkonzept. Ja, wir Frauen sind oft mit Leib und Seele selbstständig, wenn wir uns dafür entschieden haben. Wir sehen unser Business als Teil von uns. Wir freuen uns, wenn es wächst, und wir nehmen uns Kritik sehr zu Herzen. Deshalb schwanken wir zwischen zwei Extremen: „Ich liebe meinen Beruf und erzähle sofort allen alles darüber!“ und „Wenn ich das erzähle, finden die das bestimmt voll doof. Deshalb bleibe ich lieber ganz still und hoffe, dass mich niemand bemerkt.“ Keine Panik — wir finden auch ein Thema jenseits von Geburten, um zu quatschen. Wie wäre es mit Tanzen!?
Danke, dass ich das Schreiben darf, denn…
Der Sprung in die Selbstständigkeit ist für viele Frauen ein Sprung in die Unsicherheit. Es werden uns oft Steine in den Weg gelegt — manchmal absichtlich, manchmal unabsichtlich. Deshalb ist es so wichtig, dass wir wissen: Wir sind nicht allein.
Du, als Selbstständige, als Mutter, als Frau, als Weltverbessererin, du mit deinen unfertigen Projekten, mit deiner nicht makellosen Bude, mit all den Kleinigkeiten und großen Sorgen, mit den geheimen Tänzen durch’s Zimmer, wenn du einen Auftrag bekommst: Du bist nicht allein. Jenny, du, ich — wir sind die Generation Unternehmerinnen, die sich nur selbst aufhalten kann. Und du, die du den Sprung wagen möchtest: Du brauchst nicht perfekt sein, um Mehrwert zu bieten. Starte.
Und du, der du das liest und denkst: Die ist vollkommen durchgeknallt: Jop, kann schon sein 🙂 Danke, dass ich so durchgeknallt sein darf. Und jetzt: Shalom, sii juu. Mein Monatsabschluss wartet auf mich.
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Über Katharina:
Katharina wohnt in der Nähe von Berlin. Sie schreibt Geburtsgeschichten, Sternenkindbriefe und Schwangerschaftstagebücher. Ihren Blog findest du über www.ichgebaere.com und zu ihrem Newsletter kannst du dich hier anmelden: https://ichgebaere.com/geburtsgeschichtennewsletter/

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Katharina Tolle

Autorin von individuellen Geburtsgeschichten
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Finis Germania – Eine Rezension

Gastbeitrag von Eliyahu Richter (Der Wanderprophet)

Die Frankfurter Buchmesse 2017

Am Sonntag vor einer Woche ging in Frankfurt am Main die Deutsche Buchmesse zu Ende. Diese wurde in diesem Jahr vor allem von den politischen Anfeindungen und Tumulten überschattet, wie sie sich am Stand des neurechten Antaios-Verlags ereigneten. Zu Beginn der Buchmesse hatte schon der Frankfurter Börsenverein gegen dessen Präsenz und der anderer rechtspopulistischen Verlage und deren Autoren protestiert. Man wollte darauf aufmerksam machen, wer und vor allem was aus den literarischen Kreisen der Neurechten stammt.

Geht ein Nazi auf die Buchmesse…

Aber was treibt Demonstranten gegen Rechts auf bisher eher unpolitische Events, wie der deutschen Buchmesse? Neben einem Akif Pirinçci, der vor allem durch seine politisch entgleisten Pamphlete für Empörung sorgt, verlegt Antaios eben auch das Umstrittene Buch »Finis Germania« von Rolf Peter Sieferle.
Sieferle, Industriehistoriker mit einem beachtlichen Werdegang (unter anderem eine Lehrstelle an der Privatuniversität St. Gallen, Schweiz), nahm sich im Herbst 2016 das Leben, angeblich aus Verzweiflung über die Flüchtlingspolitik. Sein neustes Buch, ein Kompendium aus unterschiedlichen Essays, wurde post mortem von seinem Nachlassverwalter als »Finis Germania« im Februar 2017 veröffentlicht. Skandalös waren allein schon die Umstände, die dazu führten, dass »Finis Germania« als Lektüreempfehlung der Sachbuchliste von NDR und Süddeutsche Zeitung auftauchte. Im Alleingang nominierte SPIEGEL-Redakteur Johannes Saltzwedel den Titel und erntete Kritik, nicht nur seiner Co-Juroren. Und obwohl, oder eben weil es vom Olymp der Literaturkritik Negativkritiken hagelte, bekam »Finis Germania« in Deutschland einen gewissen Bekanntheitsgrad.
In Zeiten, wo AfD-Politiker, wie Björn Höcke von einer »Erinnerungspolitischen Wende« sprechen, verkauft sich ein Werk wie »Finis Germania«.

Holocausrelativierung als Bestseller

Sieferle fährt in »Finis Germania« eine breite Palette antisemitischer Stereotypen auf. Überhaupt liest sich vor allem der dritte Teil des Buches mit der Kapitelüberschrift »Mythos VB« (Vergangenheitsbewältigung), wie ein Handbuch zum klassischen Antisemitismus und Antijudaismus. Einen thematischen Anklang an das Buch »Der Sieg des Judenthums über das Germanenthum« (1879) von Wilhelm Marr sind von Sieferle durchaus gewollt.

Wann kommt die kommentierte Ausgabe?

Hauptaugenmerk liegt vor allem auf dem Holocaust und einer rein deutsch-nationalen Betrachtung auf eben diesem. Kritisch hervorgehoben wird hier seitens Sieferle eine von ihm wie auch anderen Rechtspopulisten konstruierte »Kollektivschuld« der Deutschen und die daraus folgende »permanente Buße«, die Deutsche seit Auschwitz auf Betreiben der Juden und der Siegermächte zu leisten haben. »Finis Germania« vertauscht auf grotesk Weise die Rollen von Opfern und Tätern: Die Deutschen sind die neuen Juden.

Eine tief verankerte antisemitische Geisteshaltung

Immer stärker offenbart sich eine tief verankerte antisemitische Geisteshaltung. Sieferle spricht von Mythen und Tabus, die eines nach dem anderen in der Menschheitsgeschichte gebrochen wurden. Nur der Antisemitismus, für ihn euphemistisch eine »Kritik an Juden«, sei noch ein Tabu, was vor allem in Deutschland nicht erlaubt sei, gebrochen zu werden. Diese Betrachtung ist nicht nur für einen Historiker skandalös.

»Auschwitz, ist zum letzten Mythos einer durch und durch rationalisierten Welt geworden. Ein Mythos ist eine Wahrheit, die jenseits der Diskussion steht.«

Was kann man in diesen Worten anderes sehen, als den krampfhaften Versuch, die Schoah, den industriellen Völkermord an den europäischen Juden, zu relativieren? Immer wieder garniert Sieferle antisemitische Stereotypen mit Bildern aus der christlichen Volksfrömmigkeit und zeigt, dass er zwar christliche Theologie als Antagonismus zum Judentum verstehen will, aber weder die christliche, noch die jüdische Theologie als solche ansatzweise verstanden hat.

»Da die Juden keinen Anteil an der christlichen Ehre haben konnten, nisteten sie sich in den Nischen dieser Gesellschaft ein, als Wucherer und Händler. Auch hier eine Affinität zu den Deutschen, die von Helden zu Händlern geworden sind, von aller Welt verachtet und auf ihren Vorteil bedacht.«

Diese verwegene Opferumkehr ist man aus der neurechten Szene gewohnt, aber selten kam so etwas mit einem derartigen christlichem Antijudaismus daher, wie »Finis Germania«. Aus dem »ewigen Juden« wurde der »ewige Deutsche« konstruiert, der auf ewig dazu verdammt ist Buße für Auschwitz zu tun.

„Mythos Vergangenheitsbewältigung“

Das Kapitel III »Mythos VB« ist vor allem auch eine Beleidigung der positivistischen Entwicklungen, die die christlich-theologischen Welt nach 1945 erreicht hat. Die katholische Kirche revidierte mit Nostra Aetate (2. Vatikanisches Konzil) den jahrhundertelangen Antijudaismus der Kirche, der sich vor allem in der Substitutionstheologie niederschlug, also der Lehre, dass die Christen das Volk des »Alten Bundes« ablösten und die Kirche den Platz Jisraels einnahm; nach Sieferle wohl verdienter Maßen, denn die Juden hatten immerhin Jesus ermordet und somit, wie er sagt das »zweite große Menschheitsverbrechen« begangen. Mit der Rheinsynode (Ende der 80er) reformierten auch Protestanten ihre Theologie im Bezug auf Juden und das Judentum.
In der christlichen Theologie nach Auschwitz wurde somit aus den »verstockten Gottesmördern, die Jesus nicht kennen wollen« die »Fratelli maggiori« (die älteren Geschwister [von Johannes Paul II.]).
Eine Erwähnung dieser positiven Entwicklung findet man in »Finis Germania« vergebens. Es scheint fast so, als ob der verstorbene Historiker Sieferle in einem sehr dunklen Teil der grausigen Vergangenheit festgefahren ist, da er nur den Antisemitismus des Mittelalters und der frühen Neuzeit bemühen will, die aber tatsächlich stattgefundene Versöhnung zwischen Juden und Nichtjuden, egal ob in Deutschland, oder anderen Teilen Europas, ignoriert er.
Vor allem Deutschland wurde mit seiner demokratischen Neugründung nach dem 2. Weltkrieg zu einem verlässlichen Partner des 1948 gegründeten jüdischen Staates Israel. Und Israelis, wie auch Juden aus der ganzen Welt, kommen mittlerweile gerne nach Deutschland, vor allem, weil doch dieses Land nicht nur »Land der Täter«, sondern vor allem auch »Land und Heimat der jüdischen Opfer« war. Überlebende der Shoah, die nun in Israel leben, erzählten, dass sie jede Nacht weinen, wenn sie an z.B. die Stadt Duisburg denken ihre alte Heimat, ihre Geburtsstadt. Tagebücher und Interviews, die Teil einer Duisburger Ausstellung waren, bezeugen das. All das ignoriert Sieferle auf schändliche Weise und verrennt sich dabei immer weiter stammtischgerecht in seinem deutsch-völkischen Ethnozentrismus: »Hier wir Deutschen und da ihr Juden!«

Auschwitz werden uns die Deutschen niemals verzeihen

Was wollte der verstorbene Historiker Rolf Peter Sieferle mit seinem Werk »Finis Germania« ausdrücken? Augenscheinlich wusste es der Autor selbst nicht so genau, aber Fakt ist, dass Sieferle penibel darauf bedacht ist, das Netz einer »deutschen Erbschuld« zu spinnen, welches seiner Meinung nach zu zerreißen gilt. Für ihn, wie eben auch den Politikern der AfD, wirkt die deutsche Erinnerung an die Schoah wie eine Art »Staatsreligion«, die ewig an die »Kollektivschuld« erinnern soll, die einzig und allein der »Mythos Auschwitz« über die Deutschen gebracht hat.

Oder wie es der österreichisch-israelische Arztes und Autore Zvi Rix sagt: »Auschwitz werden uns die Deutschen niemals verzeihen!«

Das Sommerfest 2017- Hauptsache Wasserpistolen

Gastbeitrag von Katharina Kunert

sommerfest
Kamfu mir helfen?“ fragt der Elefant

„Pssst, Eltern – ihr seid zu laut!“ Beim Taka-Tuka-Land-Sommerfest tauschen Eltern und Kinder die Rollen.

Gespannt sitzen rund 20 Kinder jeden Alters auf ihren Stühlen und lauschen konzentriert Eliyah, der mit verstellter Stimme aus dem Kinderbuch-Klassiker „Wo die wilden Kerle wohnen“ vorliest. Wenn er brüllt wie ein wilder Kerl zucken die Kinder zusammen – wenn es spannend und gefährlich wird rücken die Kleinen vor Spannung an den Rand ihrer Stühle. In ihren bunt geschminkten Gesichtern breitet sich erst ein erleichtertes Lachen aus, als der kleine Protagonist wieder in Sicherheit ist. Dann dürfen sie selbst ran – mit Puppen spielen sie die Geschichte des nächsten Kinderbuchs nach und bangen bei Wettrennen und -Namenschreiben um den Sieg ihrer Gruppen: Die Gruppe, deren Mitglieder als erstes ihre Namen eigenhändig nacheinander auf eine Tafel geschrieben hat, gewinnt. Als eine Gruppe schon in Siegesjubel ausbrechen will wird es plötzlich spannend: Wer ist dieser „RIFO“ der sich vorne auf der Tafel verewigt hat?

Dann die Erleichterung: Gruppenmitglied Ofir hat auf die Schnelle einfach in Spiegelschrift geschrieben – bei so viel Deutsch und Hebräisch auf einem Haufen kann man eben schnell mal durcheinander kommen.

Doch genau dafür sind sie hier: Um deutschsprachige Freunde zu finden und auf deutsch lesen und schreiben zu lernen – so wie Tommy (8) und Mia (5), Hellas Kinder. „Vor allem Musik hilft Kindern beim Sprachen lernen“, sagt sie – „Obwohl Kinder auch ganz flexibel sind, Wörter zu singen, die sie nicht verstehen, da helfen dann entsprechende Bewegungen“.

Auch Julia hat das Sommerfest gefallen: „Das Programm war wirklich gut – und ohne Programm geht gar nichts“, sagt sie.

Und für Felicitas ist eines klar: „Wasserpistolen müssen immer dabei sein“.

Zuerst erschienen auf http://idach.org.il/taka-tuka-land