Nach München: Ist ethnisches Profiling eine gute Idee?

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Mitgefühl ist wichtig, aber keine Lösung

Das Einkaufszentrum „Malcha“ liegt im Süden der Stadt. Nebenan ist der Bahnhof, von dort kann man mit dem Bummelzug nach Tel Aviv fahren. Malcha ist das größte Einkaufszentrum Jerusalems.
Ich bin öfter mal hier. Einkaufen im hiesigen heissen Klima ist in klimatisierten Einkaufszentren einfach angenehmer. Man trifft hier viele Familien, jüdische wie muslimische, und man sitzt ganz selbstverständlich zusammen im Bereich mit den vielen Schnellrestaurants, wo es von Burger über Pizza bis Schuwarma und Sushi für jeden Geschmack etwas gibt. Unterschiede werden hier nicht gemacht.

Zumindest nicht drinnen. Draussen vor der Tür ist das anders. Jeder muss durch die Sicherheitsschleuse, aber nur die Muslime werden besonders gründlich gecheckt. Ich als Jude muss zwar auch durch den Metalldetektor durch, aber in meine Tasche wird nur ein kurzer Blick geworfen, wenn überhaupt.

In Israel gibt es überall Sicherheitskontrollen. Nicht nur an Flughäfen oder Bahnhöfen, auch vor jedem Supermarkt und so manchem Café. Das nervt, geht aber leider nicht anders. Diese Checks sind unterschiedlich ausgeprägt, aber was sie alle gemein haben ist: Arabische Muslime werden schärfer kontrolliert. Schärfer als Juden, als die vielen philippinischen Gastarbeiter, als Christen, Touristen, als alle.
Trotzdem wollen von den knapp 20% Muslimen in Israel mehr als dreiviertel in keinem anderen Land der Welt leben. Sie verstehen deutlich, warum sie hier so behandelt werden: So ziemlich alle Attentate in diesem Land werden von arabischen Muslimen begangen. Warum sollte man also die übrigen Menschen noch zusätzlich behelligen, aus deren Reihen niemals Attentate verübt werden?

Ethnisches Profiling ist nicht politisch korrekt

Es ist nicht politisch korrekt. Das weiss ich und da weiss jeder hier. Aber es ist einfach mal verdammt praktisch, und zwar für alle, auch die Muslime: Es spart Rescourcen. Es sorgt für ein friedliches Nebeneinander in den gesicherten Bereichen, es muss also niemand seinen Nachbarn verschämt verdächtigen. Und es verhindert lange Schlangen vor den Sicherheitskontrollen, die nicht nur alle nerven, sie böten auch selbst ein einfaches Anschlagsziel.

In Deutschland hat ein iranischstämmiger Jugendlicher in einem Münchner Einkaufszentrum bei einem Amoklauf etwa zehn Menschen erschossen und viele weitere teilweise schwer verletzt. Wenige Tage vorher hat ein arabischer Jugendlicher in einem Regionalzug mit der Axt gewütet und Menschen schwer verletzt. In Frankreich hat ein furchtbares Attentat von einem arabischen jungen Mann, der einem LKW als Waffe missbrauchte, nur wenige Tage zuvor etwa 80 Menschenleben gekostet. Und diese Kette lässt sich noch sehr lange weiter fortführen über Orlando, Paris, London und Madrid.

In München wurde panisch reagiert

Wie soll man auf Terror reagieren? In München wurde panisch die ganze Stadt lahmgelegt wegen eines einzelnen Schützen. Zwei Deutsche Politiker vergalloppierten sich kürzlich komplett mit Posts bei Twitter, Rufe nach Bundeswehreinsätzen im Inneren werden laut und andere wiederum versuchen, mit Mitgefühl für die Opfer zu punkten (siehe Bild oben). Aber wer bietet eine Lösung?

Ein europäisches Problem

In Frankreich nur „Le Pen“, eine Partei gegen die die rechte FPÖ aus Österreich ein Knabenchor ist und die AfD eine Kinderkrippe. Dennoch kenne ich in Israel französische Juden, die „Le Pen“ unterstützen. Das ist erschreckend! Der Grund ist, dass nur diese Nazis pragmatische, kurzfristige Lösungen anbieten, die sogar umsetzbar sind. Sie schlagen ethnisches Profiling und engmaschige Sicherheitschecks ähnlich wie in Israel vor. Und das schlimme ist, sie haben Recht damit! Das ist die einzig praktikable Lösung im Moment. Aber sie kleben ein rassistisches Label darauf, denn sie verdächtigen alle Muslime und Araber und nur die, potentielle Mörder zu sein. Dabei sollte es doch umgekehrt sein: Der Generalverdacht gilt für alle, aber Gruppen, deren Mitglieder erfahrungsgemäss selten bis nie Anschläge ausführen, wie Renter oder etwa Biergartenbesucher, bekommen einen Vertrauensbonus. Und nach einer leider notwendigen Sicherheitskontrolle sind wieder alle gleich. Wie im Einkaufszentrum „Malcha“ in Jerusalem.

Wenn die falschen Leute aus falschen Gründen das Richtige machen

Die Parteien aus dem demokratischen Spektrum in Europa überlassen aus Angst, praktikable Lösungen umzusetzen, die einen rassistischen Nachgeschmack haben könnten, den wahren Rassisten das Feld. Dabei ist ethnisches Profiling richtig eingesetzt ein Vorteil für alle, auch für die direkt Benachteiligten. Machen es aber die falschen Leute aus falschen Gründen, bin ich der erste, der dagegen ist.

Mörder sind Mörder, unabhängig von der Ethnie

Aber ethnisches Profiling kann gute Polizeiarbeit und Geheimdienstarbeit nur ergänzen, niemals ersetzen. Denn auch Nichtmuslime können Terroristen und Mörder sein, wie etwa der Fall Breivik aus Norwegen zeigt. Und der scheint auch mit dem Anschlag jetzt in München zusammenzuhängen. Der Amokläufer aus München hat wohl nur zufällig in das Hochrisikoprofil „Junger männlicher Muslim“ gepasst. Das ist den Rechten aber egal. Den Opfern übrigens auch.

UPDATE

Der Artikel ist jetzt auch auf welt.de zu lesen:

http://www.welt.de/debatte/kommentare/article157308066/Israel-zeigt-dass-ethnisches-Profiling-hilft.html