TAZ mag keine Rabbiner

Dammtor Bahnhof

Ganz in der Nähe des des Bahnhofs Dammtor in der Rothenbaumchausse befindet sich das Chabad Zentrum in Hamburg. Dort wurde mit der finanziellen Unterstützung des jüdischen Unternehmers Garegin Tsaturov das Rabbinerseminar „Or Jonathan“ etabliert. Das Publikationsnetzwerk sz:h hat einen schönen Artikel mit vielen Hintergrundinformationen dazu geschrieben. Ich werde daher die dort genannten Details hier nicht wiederholen.

Ich beim Morgengebet zu Gast im Chabad-Zentrum Hamburg

Der Landesrabbiner Shlomo Bistritzky leitet das Rabbinerseminar (Kollel). Er gehört der Chassidischen Gruppe Chabad an, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, Jiddischkeit in die Welt zu tragen. Rabbi Shlomo kommt aus Israel und ist mit seiner Frau Chani vor Jahren nach Hamburg gekommen, um dort diesem Ziel und der Gemeinde zu dienen. Als Chabad-Mitglied hat er mit viel Gegenwind kämpfen müssen, vor allem aus dem alten Gemeindevorstand. Aber die Gemeindemitglieder mögen ihn. Sie mögen seine offene Art, die jedem das Gefühl gibt, willkommen zu sein. Was mich nicht überrascht, aber offenbar für manche unvorstellbar ist, es kommt auch ein Hamburger lesbisches Paar, von denen eine der Frauen eine Kippa trägt, gerne zu Rabbi Shlomos Veranstaltungen.

Unvorstellbar ist das offenbar für Petra Schellen von der TAZ. In ihrem Artikel schreibt sie daher gefühlte Wahrheiten (oder auch alternative Fakten) über Chabad und das Rabbinerseminar und gibt schulmeisterlich Ratschläge, wie die Juden in Deutschland und speziell Hamburg zu leben haben.

Ein paar Dinge will ich hier richtig stellen:

  1. Chabad ist orthodox, aber keine „ultra-orthodoxe Sekte“, wie Schellen behauptet. Eine Sekte separiert sich von Rest der Glaubensgemeinschaft. Chabad tut das Gegenteil. Für sich selbst wählen sie einen „ultra-orthodox“ anmutenden Lebensstil, aber sie erwarten von niemandem, das auch auf sich zu nehmen. Das kann ich aus eigener Erfahrung mit Chabad bezeugen.
  2. Chabad sei den Liberalen suspekt und will aus den Einheitsgemeinden „orthodoxe“ Gemeinden machen, schreibt Schellen. Die Einheitsgemeinden in den meisten Deutschen Städten sind seit je her orthodox geführt und dienen allen Juden, egal welcher Ausprägung. Wäre das nicht so, würde man Juden wie mich, die orthodox leben und Juden, die eine andere Entscheidung für sich getroffen haben, voneinander trennen. Das kann in niemands Interesse sein. Vor allem, da wir nur noch so wenige Juden in Deutschland haben. Chabad will und wird das nicht ändern. Wozu?
  3. Das Rabbinerseminar in Hamburg sei nicht nötig, schreibt Schellen weiter. Wie bitte? Wer entscheidet das? Es gibt nur ein Rabbinerseminar in Berlin, das orthodoxe Rabbiner ausbildet. Das ist genug für ein ganzes Land? Und Schellen entscheidet das auf welcher Grundlage? Das beste Gegenargument liefert sie sogar selbst: Alle Absolventen haben sofort eine Stelle gefunden. Bedarf scheint also da zu sein.
  4. Schellen kritisiert, dass die Studenten des Rabbinerseminars aus anderen Städten stammen. Wie absurd dieser Vorwurf ist, wird jedem bewusst, der sich seine Uni nach Inhalten und nicht nach Standort aussucht. Garegin Tsaturov hat das Seminar finanziert und sich für Hamburg entschieden. Ich kenne seinen persönlichen Grund dafür, aber der tut nichts zur Sache.
  5. Chabad unterstütze laut Schellen radikale Siedler in Israel. Das ist absolut falsch. Chabad ist unpolitisch. Das „Kvar Chabad“ in Israel (Chabad-Dorf) ist in der Nähe Tel Avivs neben dem Flughafen und weit weg von der „Grünen Linie“. Das hat sich Schellen einfach ausgedacht, um Chabad zu diskreditieren. „Siedler“ ist ein Schimpfwort unter Linken.
  6. Zu guter Letzt nimmt Schellen noch das Wirt „gleichgeschaltet“ in den Mund. So ekelhaft es ist, diese Bezeichnung zu verwenden, so sehr verwundert es, da sie doch weiter oben im Text kritisierte, dass es jetzt verschiedene Rabbinerseminare gibt.

Falls irgendjemand bei der TAZ das hier liest: Euer Text ist an Peinlichkeit kaum zu überbieten. Und wenn ihn jemand antisemitisch nennt, dann werde ich nicht widersprechen. Ihr nennt ja auch jeden, den ihr nicht mögt einen Siedler. Totschlagargumente unter sich.

Update 25.5.2018

Die TAZ hat den Artikel kommentarlos offline genommen. Immerhin.

4 Gedanken zu “TAZ mag keine Rabbiner

  1. Danke für diese Worte…Frau Schellen interessiert auch nicht wirklich, worüber sie schreibt, sonst würde sie nämlich wissen, dass der Zentralratsvorsitzende schon seid einigen Jahren nicht mehr Kramer, sonders Schuster heißt..

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  2. „Alle Absolventen haben sofort eine Stelle gefunden. Bedarf scheint also da zu sein.“
    Das freut mich 🙂

    was hast du würfelförmig auf dem Kopf?

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