
Dr. Michael Blume sagte in einem Tweet, ich solle, wenn Twitter meinen Account wieder frei schaltet mit dem Florett und nicht mit dem Degen fechten. Wohl zu meinem eigenen Schutz. Im Film „The Untouchables“ sagte jemand: Man bringt kein Messer mit zu einer Schießerei. Und seit dem wird dieser Vergleich immer wieder zitiert. Von Indiana Jones, The Punisher und vielen anderen.
Twitter ist keine Schießerei, eher eine Kneipenschlägerei. Und in einer solchen wirkt man mit einem Florett etwas verloren. Auf meinem Account geht es um viele Themen, vom Challahbacken und Hummusrezepten über Antisemitismus, Israel, Judentum (und der schamlosen Bewerbung des Buches „Frag uns doch!“ von Marina Weisband und mir) bis zu Cybersecurity und Netzpolitik. Und letzteres Thema hat mich jetzt selbst erwischt: Hass im Netz und was die Platformanbieter dagegen tun oder nicht tun.
Als Jude in Sozialen Medien ist man regelmäßig Antisemitismus ausgesetzt. Am Anfang meiner Twitterkarriere habe ich noch so wenig wie möglich geblockt, inzwischen bin ich viel großzügiger mit dem Blockknopf. Es gibt einfach zu viele Antisemit:innen da draußen. Und ab und zu, wenn es zu viel wird, dann melde ich die Accounts. Und fast immer schreibt mir Twitter, dass die getätigten Aussagen nicht gegen Deutsches Gesetz verstoßen.
Ich denke dann immer: Krass. Die beschäftigen also Volljuristen, die das mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit innerhalb von Minuten feststellen können! Und wenn man dann die selben Tweets an Hassmelden übergibt, werden sie komischerweise häufig von tatsächlichen Juristen angezeigt.
Ich wurde gesperrt, weil mir in einem Tweet die Hutschnur geplatzt ist. Natascha Strobl hat einen Brief veröffentlicht, der in ihrem Email-Postfach gelandet ist, in dem ihr die übelsten misogynen und andere Beleidigungen zuteil wurden. Ich schrieb darauf hin: „Aaaahhhh!!! Dem möchte man am liebsten die Fresse polieren!“ Zugegeben, kein Florettstich, eher ein schlag auf den Tisch mit der blanken Faust, so dass die Gläser am Nachbartisch scheppern. Aber ich habe über keine konkrete Person (der Hasser war anonym) und nicht mal einen Twitteruser geschrieben und auch weder selbst die Politur angedroht, noch andere dazu aufgerufen. Grammatik, you know?
Twitter versucht, sich an das NetzDG zu halten. Und dass dieses Gesetz so schlecht gemacht ist, dass es man es eigentlich gar nicht umsetzen kann, ist auch nicht die Schuld von Twitter. Aber was durchaus ihre Verantwortung ist, ist ihr Verhalten bei missbräuchlichem Verhalten ihrer Nutzer. Und es ist nicht nur meine Wahrnehmung, dass Twitter die Meinungsfreiheit vor allem bei Feinden dieser besonders ernst nimmt und Accounts aus dem linken Spektrum (oder was dafür gehalten wird) besonders gerne rigoros gesperrt werden. Außer, man hat einen guten Anwalt.
Twitter investiert tatsächlich in Forschung zu Bots und Trollen und wie man sie erkennt und nutzt das auch. Allerdings ist die Gegenseite auch nicht unkreativ. Ich habe mich auf die Suche gemacht und habe herausgefunden, wer sich damit brüstet, mich erfolgreich gemeldet zu haben.
Der Account, der meine Sperrung durch die Meldung veranlasst hat ist ein Trollaccount, der offensichtlich keine anderen Hobbies hat, als politische Gegner sperren zu lassen. Die Person sympathisiert offen mit dem Hoecke-Flügel der rassistischen AfD und twittert Fotos von aus SIM-Karten gelegten Figuren. Der Hintergrund ist, dass Prepaid-SIMs aus dem europäischen Ausland sowohl Strafverfolgung erschweren als auch Twitters Schutzmechanismen gegen das Öffnen von Ersatzaccounts aushebeln. Diese Leute investieren also Zeit und Geld in die Jagt auf linke Accounts mit Reichweite in Sozialen Medien.
Als ich bereits gesperrt war, hat diese Person oder andere aus ihrem Umfeld mein Twitterprofil mit Hilfe der Suchfunktion durchforstet, und Tweets mit dem Wort „schlagen“ oder „Fresse“ gesucht und durchgemeldet. Twitter hat daraufhin mehrere dieser Tweets gelöscht und eine weitere Sperre veranlasst (die die Ursprüngliche 7-Tage Sperre aber nicht weiter verlängerte). Diese Tweets waren alle im Thread-Zusammenhang kein wirkliches Problem, aber einen davon möchte ich besonders hervorheben, der auch für sich alleine stehen kann:

Ich beschreibe darin die Herausforderung als Jude erkennbar durch Deutsche Großstädte zu laufen. Und dass ich aufgrund meiner Statur weniger Probleme habe als andere. Dieser Tweet beschreibt also, wie Hass sich in Gewalt auf der Straße übersetzt, der Grund, warum Twitter gegen Hass online vorgehen muss! Es ist absurd!
Aber die Sache hat auch sein Gutes. Ich habe 7 Tage Ruhe von Twitterstürmen und mein Account, dessen Followerzahlen seit ein paar Monaten stagnieren, hat über 100 neue Interessenten gewonnen, obwohl ich mich zum Schutz vor weiteren Meldeaktionen hinter ein Schloss geflüchtet habe. Der Versuch, mich mundtot zu machen, wird scheitern. Im Gegenteil. Meine Reichweite steigt. Und auch wenn ich gesperrt bin, blocken kann ich noch. Und das mache ich auch. 😈

P.S.: A propos Challahbacken. Jeden Freitag poste ich ein Foto von den Challot, die die Kinder und ich gebacken haben. Das Feedback ist meist geprägt von Mutuals, die mir einen Schabbat Schalom wünschen. Diese Woche hat meine Frau Jenny den Tweet übernommen und hat damit sehr viele Likes und Retweets erreicht. Tja. Jede Challah ist interessanter als ihr Hater und Trolle im Internet.
P.P.S.: Ich darf lesend auf Twitter zugreifen und ich lese euren Support unter dem Hashtag #freeEliyah. Und ich danke euch dafür!!
Ich bin dauerhaft bei Twitter gesperrt, weil irgendwelche Nazispacken zu Hauf meinen Account als gewaltverherrlichende gemeldet haben. Mein Profilbild war das Plakat der Partei Die PARTEI: „Nazis töten.“ und mein Avatar eine Southpark Figur mit Charlotte Roches „Kleid“ mit der Aufschrift „Kill BILD“ und zwei Schrotflinten.
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Das sind absichtlich doppeldeutige Formulierungen, da kann man nicht erwarten, dass Twitter das versteht. Andersherum ist es auch nicht ok, wenn die NPD neben einer Synaoge ein Plakat mit „Gas geben“ aufhängt (was natürlich inhaltlich und von der Menschenfeindlichkeit her nicht mit „Nazis töten“ vergleichbar ist).
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Das mit den Volljuristen bei Twitter bezweifle ich sehr, denn ich wurde sogar mal gesperrt, gerade weil ich (als Volljurist) auf die Rechtslage hinwies. In einem Thread um angezündete Papierkörbe oder Autos wies ich darauf hin, dass das keine „Gewalt“ sei, weil Sachen nichts spüren können. (So auch die herrschende juristische Meinung zu § 240 I StGB, vis absoluta, u.s.w.)
Schwupp wurde der Tweet gelöscht und der Account einen Tag gesperrt. Autos sind anscheinend heilig, da darf man nicht kritisieren.
Zuletzt wurde ein Tweet zu den Hohenzollern zwar nicht gelöscht, aber „in Deutschand zurückgezogen“. Wahrscheinlich weil in dem angehängten Artikel Hakenkreuze zu sehen sind. Naja, das lässt sich nicht vermeiden, wenn man die Hohenzollern historisch einordnen will: https://andreas-moser.blog/2021/10/04/hohenzollern/ – und ist auch durch § 86a III StGB in Verbindung mit § 86 III StGB gedeckt.
Ich würde das nicht aufs NetzDG schieben. Wenn Twitter Geld und Bock hätte, Leute einzustellen, die (a) Jura studiert haben, (b) sich in aktuellen politischen Diskussionen und Codes auskennen, und (c) Verständnis für Ironie und Humor haben, dann würde das viel besser laufen. Aber wenn man diese Tätigkeit in Billiglohnländer auslagert, wo Teenager mit Hilfe von Checklisten und schlechten Google-Übersetzungen entscheiden sollen, was in Deutschland strafbar ist oder nicht, tja, das kann nicht klappen.
Dieses Shadow-Banning fände ich übrigens noch nerviger als komplett gesperrt zu sein. Denn in letzterem Fall kann man wenigstens ein paar Tage abschalten, Spazieren gehen oder Bücher lesen. Ich fand das so entspannend, dass ich mich jetzt manchmal ein paar Tage selbst sperre. Das ist richtig erholsam!
Jedenfalls alles Gute und ein Hoch auf unsere Blogs! (Bis diese zensiert oder gesperrt werden.)
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Das mit den Volljuristen war natürlich ironisch gemeint. Es ist deswegen ja so absurd, dass Twitter so eindeutige Aussagen macht über die rechtliche Einschätzung zu Tweets.
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Lieber Andreas, du machtest mich neugierig auf deinen Blog, ich schaute hinein und bin entzückt 🙂
Diese Burgen in den Weinbergen sind ja meine Umgebung, Bawü, wie schön :)))
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… upps, Andreas du hast mehrere Blogs? Ich meinte die Burgen, wenn ich dein Pic anklicke, nicht den Link mit den Hohenzollern, welche sicher interessant sind, aber nicht begeisterungsfähig.
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Oh, das freut mich sehr!
Ich habe in BaWü verlängert, nach dem Housesitting im Bottwartal bin ich jetzt für drei Wochen in Bad Mergentheim. Auch sehr schön!
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nun schaue ich mal wieder auf dein Blog, lieber Eliah, weil ich hier schon informatives und schönes fand. Ich bin grad geschockt. Ich bin nicht auf twitter, aber die Ausschnitte, die du hier zeigst sind auch nicht gerade verlockend. Schade, dass du in eine miese Schlammschlacht verwickelt wurdest. Sowas wünsche ich niemandem.
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