ALT-Texte sind wichtig. Ich schreibe sie inzwischen eigentlich immer, wenn ich auf Social Media Bilder poste. Und sie helfen nicht nur Lesern mit eingeschränkter Sicht, sie können auch Kontext für Sehende liefern.
Der Anteil Menschen, die auf Social Media aktiv sind und sehbeeinträchtigt sind liegt um die 2%. Man kann also sagen: Wenn ich mit meinen Posts 98% meiner Leser erreichen kann, warum soll ich mir die Mühe machen, die ALT-Texte zu schreiben, was mich Zeit kostet, die ich dann für andere Posts nicht habe?
So denken viele, aber das ist falsch. Für mich als Jude ist das sehr einfach zu verstehen: Es leben keine 2% Juden auf diesem Planeten und dennoch ist es nicht ok, Antisemitismus gedeihen zu lassen, wenn er doch 98% der Menschen gar nicht betrifft. Und es gibt einfach zu viele von diesen 98% Gruppen und die Wahrscheinlichkeit, in keiner von ihnen auf der 2%-Seite zu stehen ist wiederum sehr gering. Wenn man also hier faule Kompromisse macht, dann muss man sich nicht wundern, dass andere wenn es einen selbst betrifft auch solche Kompromisse machen. Wir bauen ja auch an Bahnhöfen nicht die Fahrstühle ab, weil 98% der Menschen Treppen laufen können. Und bei diesem Beispiel wird es vielleicht besonders deutlich: Jedem von uns wird es wahrscheinlich irgendwann zumindest zeitweise passieren, auf Fahrstühle angewiesen zu sein. Und sei es, weil man mit vielen Koffern unterwegs ist.
Es gibt sogenannte ALT-Text Warriors, die Menschen, die keine ALT-Texte schreiben dafür angreifen und bloßstellen oder zumindest meinen, ihre Posts nur deswegen ignorieren zu müssen. Und so wichtig ich ALT-Texte finde, so falsch finde ich auch das.
Viele Menschen betreiben auf Social Media kostenlose Aufklärungsarbeit und ihre Posts schreiben sie nicht hauptberuflich, sondern nebenbei. Und auch wenn Leute sagen, ein schlechter ALT-Text wäre besser als gar kein ALT-Text, so kann ich verstehen, wenn man das anders sieht. Ich will mir keine Blöße geben durch schlecht geschriebene und irreführende ALT-Texte. Und da ich selbst diese Texte schreibe, kann ich bestätigen: Der Zeitaufwand dafür ist nicht zu vernachlässigen. Es kostet Zeit und Mühe.
An einer U-Bahn Station ohne Fahrstuhl ist jeder Fahrgast mit gesunden Beinen in der Lage, Menschen im Rollstuhl oder mit Kinderwagen oder viel Gepäck die Treppen hoch oder runter zu helfen. Und das passiert auch regelmäßig. Dennoch käme niemand auf die Idee, diese Hilfe zu verlangen. Man würde sich an die Stadt wenden, endlich für funktionierende und flächendeckend verfügbare Fahrstühle zu sorgen. Und genau so ist es bei Social Media Plattformen auch: Natürlich sollte jede:r Benutzer:in für die eigenen Medien ALT-Texte schreiben. Aber die Warriors sollten sich an die Plattformen wenden, dass sie endlich eine technische Lösung umsetzen, die diese Texte auto-generiert. Die Technologie dafür ist da und verfügbar! Sie ist nur nicht kostenlos. Aber eine Treppe ist auch billiger als ein Fahrstuhl.

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