Klebt einen Gelben Stern drauf!

 

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Foto: Viktor Hardarson via Twitter

Der Europäische Gerichtshof EuGH hat entschieden: Israelische Produkte aus der Westbank (Judäa und Samaria) müssen gesondert markiert werden, um dem Verbraucher eine Entscheidungsmöglichkeit zu geben. Mit anderen Worten: Damit er gezielt „Siedlerprodukte“ boykottieren kann. Es geht bei der Markierung nämlich nicht um alle Produkte aus dem Gebiet, sondern nur um die, die von Juden oder jüdischen Unternehmen produziert werden. Und das steht sogar ausdrücklich in der Urteilsbegründung drin.

Ich weiß ja nicht wie andere das sehen, aber ich finde das bedenklich. So bedenklich, dass ich einen überspitzten Tweet auf Twitter dazu abgesetzt habe.

Wie hältst Du es mit den Siedlungen?

Ich habe viel Zustimmung dafür bekommen. Aber nicht nur. Ich wurde unter anderem gefragt: Bist Du für Siedlungen? Das ist die Gretchenfrage der Israelkritiker, die ihre Kritik für durchweg legitim und nicht antisemitisch halten.

Am 9. November, wenn Deutschland sich der Kristallnacht schämt und des Mauerfalls freut, kreucht so manche Deutschtümelei an die Oberfläche. Nicht nur dort, in ganz Europa freuen sich Nazis an diesem Tag. Manche sogar ganz besonders „kreativ“. Das Bild oben stammt aus Schweden von genau diesem Tag. Ein Naziarschloch hat jüdische Häuser mit Judensternen markiert. Daran musste ich denken, als ich vom EuGH-Urteil hörte: Es werden 2019 wieder gelbe Judensterne aufgeklebt.

Doch wie halte ich es mit den Siedlungen? Bin ich dafür? Bin ich dagegen? Das will ich nicht mit einem Ja oder Nein beantworten.

Siedlungen und Frieden

Es gibt in Israel einen Witz, der schon ein paar Jahre auf dem Buckel hat, aber leider immer wieder aktuell wird, so wie jetzt gerade zur Eskalation in Gaza. Der Witz geht so:

Ein Exil-Israeli ruft bei Freunden in Israel an und fragt:
– Was gibt’s Neues? Wie ist die Lage im Norden?
– Ach, schrecklich! Die Hisbollah rüstet unter den Augen der UN auf und wir warten nur, dass es wieder explodiert.
– Und wie in Gaza?
– Grauenvoll. Der Islamische Jihad schießt Raketen aus allen Rohren und dass noch keiner tot ist, grenzt an ein Wunder!
– Hmm, und in der Westbank?
– Och, da ist alles ruhig, da haben wir uns ja noch nicht unilateral zurückgezogen!

Und das ist leider die bittere Wahrheit. Die Siedlungen garantieren uns den Frieden, zumindest den kalten Frieden.

Judenrein? Juden raus!

Die nächste Wahrheit ist, dass es nicht sein kann, dass es einen weiteren Ort auf der Welt geben soll, an dem es ausgerechnet und nur Juden verboten sein soll, zu leben. Davon gibt es schon genug auf der Welt. Wer behauptet, die Siedlungen seien ein unüberwindbares Friedenshindernis, denn sie machen die Zwei-Staaten-Lösung, die die einzige Lösung sei, unmöglich, der behauptet, dass die Palästinenser nur einen „judenreinen“ Staat haben wollen und können. Wer das will, mit dem habe ich keine Basis für Friedensgespräche. Tut mir leid. Es gibt keinen Grund, warum diese Dörfer nicht auch Jüdisch-Palästinensisch werden können, so wie es arabische Dörfer mit arabischen Israelis in Israel gibt.

Hebron

Ein besonderes Augenmerk verdient in dem Zusammenhang Hebron. Das ist eine „Siedlung“, in der sich das Grab der Jüdischen Patriarchen befindet und die seit Jahrtausenden von Juden bewohnt wird mit nur einer einzigen Unterbrechung: Die etwa 20 Jahre, die Jordanien das Gebiet besetzt hielt und alle Juden aus Hebron ermordet oder vertrieben hat. Die zurückgekehrten Nachkommen der Überlebenden gelten heute als Siedler und die zugezogenen Araber, die die Häuser der Juden gestohlen haben, als Einheimische.

Wirtschaft und Arbeit für Palästinenser

In den von der PA kontrollierten Gebieten ist die PA auch der größte Arbeitgeber. Das erklärt auch einen Teil ihrer Macht. Die Siedlungen aber sind knapp dahinter, sie beherbergen Industrie und Landwirtschaft, die viel Arbeit für Palästinenser bietet. Sodastream war ein Beispiel dafür. Doch die BDS-Bewegung hat erreicht, dass die Fabrik aus den Siedlungen ins israelische Kernland umgezogen ist. Gelitten haben darunter hauptsächlich die Palästinenser. Ein Boykott der Siedlungsprodukte trifft also auch die, mit denen man sich solidarisch wähnt. Und was ist friedensstiftender, als gemeinsam zu arbeiten und zu leben?

So halte ich es mit den Siedlungen!

Wenn man meine Zeilen bis hier hin liest, dann stellt sich die Frage: Warum sage ich nicht einfach laut und deutlich, dass ich ein Freund der Siedlungen bin? Nun, das bin ich eben nicht.

Ich kenne die Siedlungen von innen

Ich war, im Gegensatz zu wohl fast allen, die mir die Gretchenfrage stellen, mehrfach in verschiedenen Siedlungen. Nicht alle sind gleich. Manche davon würde ich sofort räumen, andere sofort an das Israelische Staatsgebiet angliedern.

Schwerbewaffnet am Schabbat

In einer Siedlung habe ich mal einen ganzen Schabbat bei einer Familie verbracht. Der Vater der Familie war Leiter der Sicherheitsabteilung dort. Mitten in der Siedlung steht eine große, schöne Synagoge aber er geht jeden Schabbat zum Morgengebet mit ein paar Freunden in eine kleine, heruntergekommene Synagoge mit Einschusslöchern in der Fassade abseits des Orts direkt neben dem Grenzzaun zur Straße. Auf der anderen Seite dieser Straße ist ein arabisches Dorf. Er und seine Freunde gehen dort hin, um den Arabern gegenüber zu zeigen, dass der Anspruch auf diesen Teil der Siedlung alle sieben Tage der Woche gilt. Ich wurde eingeladen, mit zu gehen. Meine Neugierde war größer als meine Angst und wir marschierten schwer bewaffnet mit Sturmgewehren und einem gepanzerten Armeemobil in der Nähe zu der Synagoge. Ich mittendrin, unbewaffnet natürlich. Das Gebet fand auf Holzbänken mit angelehnten Gewehren statt. Es war surreal.

Ich bin nicht einverstanden mit vielen Siedlern

Diese Männer und ich haben politisch nichts gemein. Ich bin nicht einverstanden mit ihrem Auftreten und der Aggression, die ihre Entscheidung, dort zu wohnen in sich trägt. Ich bin kein Freund dieser Siedler.

Es gibt genügend moralisch vertretbare Gründe, warum man diese Menschen aus dem Dorf vertreiben wollen könnte, in dem sie leben. Dass sie Juden sind, ist aber keiner davon.

Friedensnobelpreis für Siedlungen

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In Paris haben sich letzte Woche Vertreter von über 70 Nationen zusammengefunden, um für Israelis und Palästinenser zu entscheiden, was gut für sie ist. Dummerweise war von beiden betroffenen Parteien niemand anwesend. Die gesamte Veranstaltung war eine Farce und die Zeit, die vielen Flugkilometer und die tausenden Artikel und Schriftstücke, die darüber geschrieben wurden, nicht wert. Genau wie dieser. Daher schreibe ich lieber über die Situation hier in Israel vor Ort, weit weg von Paris. Und zwar bei den Salonkolumnisten:

http://www.salonkolumnisten.com/friedensnobelpreis-fuer-die-israelischen-siedlungen/

EU-Israel: Ist diese Beziehung noch zu retten?

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Lars Faaborg-Andersen in seiner Residenz

In 85% der Angelegenheiten haben wir eine hervorragende Zusammenarbeit. So in etwa begann letzte Woche der Botschafter der EU in Israel Lars Faaborg-Andersen seine Rede bei einer intimen Veranstaltung in seiner Residenz mit etwa 50 sogenannten young professionals, von denen die meisten im politischen Bereich arbeiten.

Also beginne auch ich meinen Bericht mit Positivem: Die Residenz, die quasi direkt am Strand von Herzliya Pituach liegt, war wirklich beeindruckend. Eine wunderschöne Villa mit eigenem Pool im Garten und einer eleganten, europäischen Einrichtung.

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Lena und ich machen Selfies während des Vortrages.

Wir, also die EU und ihr, Israel hätten ja so viel gemeinsam, sagte der Botschafter, etwa die gleichen demokratischen Werte.

Nachdem der er die Beziehung zwischen Israel und der EU pflichtbewusst gelobt hatte, ging es ans Eingemachte:

  • Atomdeal mit dem Iran: Die EU wisse zwar, dass der Iran Terrororganisationen unterstützt, aber um Irans Atomprogramm einzudämen, war das ein guter Deal, sagt er. Eine genaue Begründung, was an der Unterstützung eines klerikalen Regimes gut sein soll, blieb er schuldig.
  • Die jüdischen Siedlungen im Westjordanland nannte er das grösste Hindernis für den Frieden. Er räumte zwar ein, dass es gut möglich sei, dass die großen Siedlungsblöcke an Israel gehen könnten, aber die im Westjordanland verstreuten Siedlungen wären ein großes Problem. Es ist, als würde man ein Stück von einer Pizza essen bevor klar ist, wer wie viel davon bekommt, sagt er. Dass Palästinenser und die PA offen aussprechen, dass sie die ganze Pizza nur für sich wollen, unterschlägt er.
  • Israel behandelt Beduinen und Palästinenser nicht menschenwürdig, so sein Vorwurf.

In der darauffolgenden Fragerunde, musste er starken Gegenwind aushalten. Vieles lächelte er einfach weg. Auf den Einwurf, dass Palästinenser zum Terror von Seiten der palästinensischen Regierung aufgestachelt werden, antwortete er, die EU würde das jedes Mal deutlich kritisieren. Ahja. Dabei gab er sogar zu, dass er immer wieder die Verwaltung der Palästinensischen Autonomiebehörde darauf hinweisen müsse, von ihren offiziellen Internet-Seiten Videos zu entfernen, die die Terrorattentäter preisen.

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Hier quäle ich den EU-Botschafter mit Fragen

Eine junge Frau befragte ihn zum Druck, den die EU ausübt, um Israel an den Verhandlungstisch zu zwingen, indem sie israelische Produkte aus dem Westjordanland boykottieren. Sie fragte, welche Druckmittel denn genutzt würden, um die Palästinenser an den Verhandlungstisch zu zwingen. In vielen Worten versuchte er zu vermeiden zu sagen, dass eben kein Druck ausgeübt wird.

Ich selbst hatte auch die Gelegenheit, etwas zu sagen.  Ich entgegnete auf seinen Vorwurf, Israel würde Beduinen und Palästinenser nicht menschenwürdig behandeln, dass Europa kein gutes Beispiel abgibt. Wie kann es sein, dass in Ländern wie Bulgarien Sinti und Roma in Gettos eingesperrt sind und kaum Rechte haben und in Ländern wie Lettland, Minderheiten, die seit Generationen dort leben, keinen Pass bekommen? Er antwortete, es gebe jetzt in der EU Kommissionen, die sich darum kümmern. Natürlich ist es problematisch auf einen Vorwurf mit „ihr aber auch“ zu antworten. Wenn der Vorwurf aber von einer Seite kommt, die sich mit übertriebenen und verfälschten Fakten als Moralapostel aufspielt, dann muss man sich einfach wehren und die Relationen wieder gerade rücken.

Auf meine Frage, warum in Deutschland bei sogenannten Anti-Israel-Demos Slogans wie „Hamas, Hamas, Juden ins Gas“ als Israelkritik durchgehen, hat ihn in Verlegenheit gebracht. Er wusste nichts davon und sagte, er könne es sich nicht vorstellen, dass es so ist.

Auch wenn ich nichts wirklich Neues gelernt habe auf der Veranstaltung, so habe ich doch viele Menschen getroffen und hatte die Möglichkeit, mich und meine Organisation GIWA,  die German-Israeli Women Association, bei anderen Politaktivisten vorzustellen. Denn wenn der EU-Botschafter nicht willens oder in der Lage ist, die Beziehungen zwischen Israel und der EU zu verbessern, dann machen wir das eben selbst. 😉

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Mona und ich von GIWA

 

 

SPON Lumpenartikel

Man kann ja vom Siedlungsbau halten, was man will. Ich selbst bin auch kein uneingeschränkter Freund davon, vor allem illegal errichtete Siedlungen sind untragbar und müssen zerstört werden und werden auch regelmässig von der Israelischen Verteidigungsarmee zerstört. Aber wenn beispielsweise in Gilo, ein Stadtteil Jerusalems, der von hauptsächlich jüdischen Israelis bewohnt ist, in allen geschmiedeten Teilungsplänen Israel zugesprochen werden soll und nur zufällig hinter den Grenzen von 1967 liegt, die eigentlich nur eine Waffenstillstandslinie aus einem Israel aufgezwungenem Krieg ist, gebaut werden soll, dann wünsche ich meinen Nachbarn dort wunderschöne neue Wohnungen. Das sehen Israelfeinde und Freunde auf der Welt zwar anders, aber weder Feinde noch Freunde kann man sich als Staat aussuchen.
Jetzt werden wieder neue Wohnungen in Stadtteilen gebaut, die hinter der auch „Grüne Linie“ genannten Waffenstillstandslinie liegen und SPON echauffiert sich erwartungsgemäss. Soll sein. Was mich an dem Artikel aber so stört, ist die perfide Schuldumkehr schon in der Überschrift. Der Tod des bestialisch ermordeten Mädchens, das mit seinen Eltern an einer Strassenbahnhaltestelle wartete und nur drei Monate alt wurde, wird Netanjahu angelastet und nicht dem Mörder, der sein Auto zur Waffe machte und es absichtlich in eine Gruppe wartender Zivilisten steuerte. Noch dazu wird dieser Mord gleichgesetzt mit einem tragischen Unfall mit Fahrerflucht, bei dem eine fünfjährige Araberin getötet wurde und als Reaktion darauf gerechtfertigt. Die Fahrerflucht war aber nur ein Schutz vor dem drohenden Lynchmord und der Fahrer stellte sich der Polizei.
Der Mörder aber wird heroisiert. SPON schreibt: „Die Polizei erschoss den 21-Jährigen bei seinem Fluchtversuch zu Fuß und bezeichnete ihn als Terroristen.“ Was ist er denn sonst? Ein ambitionierter Autofahrer mit politischen Absichten?
Danke SPON, für diesen Lumpenartikel.

https://www.spiegel.de/politik/ausland/israel-netanjahu-provoziert-ostjerusalem-a-999649.html