
Heute haben alle Menschen der Welt, zumindest die anständigen unter denen, die überhaupt davon wissen, den ermordeten Menschen des Holocaust gedacht. Danke. Unter diesen Opfern ist auch mein Großvater und seine ganze Familie. Und bis auf wenige Überlebende auch die Familie meiner Frau.
Aber warum soll man Gedenken? Vor allem, wenn man nicht gerade direkt betroffen ist wie wir Nachkommen der Opfer oder die Nachkommen der Täter? Man gedenkt, um daraus seine Schlüsse zu ziehen, um etwas zu lernen.
Und das ist der üble Beigeschmack bei der ganzen Veranstaltung. Denn manche lernen daraus Dinge, für die ich sie lieber nicht hätte Gedenken lassen. Hier die Lehren, die man zieht:
1. Es ist nicht OK, Menschen einfach so zusammenzupferchen und dann in Gaskammern zu stecken, um sie massenhaft abzuschlachten
Ja, das stimmt natürlich. Aber wer den Holocaust brauchte, um das zu kapieren, der hätte wohl selber mitgemacht und sich dann auf einen Befehlsnotstand berufen. Und er (oder natürlich auch sie) hätte dann auch folgende Lehre ziehen wollen:
2. Man darf sich nicht erwischen lassen
Ja, schon blöd, wenn man nicht vorsichtig genug war und dann bei der Entnazifizierung nicht genügend Lügengeschichten parat hatte, um sich vor der Verantwortung zu drücken.
3. So was kommt von so was
Will sagen, wir müssen aufpassen, dass wir Juden uns nicht noch mal so schlecht benehmen, dass man uns unbedingt umbringen will. Denn: Ja, natürlich, das war so nicht ok vonnem Adolf, aber einen Massenmord, sofern er denn stattgefunden hat, macht man doch nicht ohne Grund!
4. Die Juden müssen deswegen besonders gute Menschen sein
Denn wer dem Holocaust entronnen ist, der hat eine von den Nazis betriebene Besserungsanstalt besucht, die leider nicht viele überlebt haben. Und deswegen ist es wichtig, dass Juden heute bessere Menschen sein müssen als alle anderen Menschen der Welt. Und auch anders be- und verurteilt werden, wenn sie sich mal nicht so christlich, äh, jüdisch benehmen, wie sie sollten. Etwa, wie sie mit den Palästinensern umgehen. Das führt doch nur zu Punkt 3. (siehe oben).
5. Wer am besten erinnert, ist am unschuldigsten
Ja, besonders hübsch ist das Holocaust-Denkmal im Zentrum unserer wunderschönen Hauptstadt nicht, aber immerhin ein Publikumsmagnet. Ausserdem können wir soooo stolz sein, das Gedenken perfektioniert zu haben. Die Devise war: Nicht kleckern, sondern klotzen! Die Klotzen dann noch direkt neben dem Brandenburger Tor verteilt, und keiner kann uns nachsagen, wir hätten irgend welche Kosten und Mühen gescheut. Und nun lasst uns mit dem Moralinsauer in Ruhe. Schlussstrich.
6. Nie wieder!
Ja, nie wieder. Nur was man nie wieder soll, darüber ist man sich nicht ganz einig. Die einen wollen nie wieder Juden umbringen. Sehr löblich (siehe Punkt 1). Die anderen wollen nie wieder Krieg, egal welchen und egal zwischen wem. Und wieder andere wollen nie wieder mit dem Holocaust behelligt werden. Und wenn, dann nur, um Juden zu erklären, dass sie selbst auch nie wieder überhaupt jemanden töten dürfen, und sei es in Notwehr. Denn Juden sind ja… siehe Punkt 4.
Was wir Juden daraus gelernt haben
Wir haben gelernt, dass wir einen eigenen Staat mit einer eigenen Armee und eigener Regierung, Gerichtsbarkeit, Gesetzgebung und allem was dazu gehört brauchen. Denn auf andere Staaten können wir uns nicht verlassen. Die Aliierten, denen wir durchaus dankbar sind für die Befreiung von den Deutschen, haben es nicht mal hinbekommen, die Gleise nach Auschwitz zu bombardieren. Jetzt haben wir unsere eigene Luftwaffe mit den modernsten Flugzeugen der Welt.
Und das ist meiner Meinung nach die einzige echte Lehre, die man aus dem Holocaust ziehen kann:
7. Wer einen Holocaust androht, dem muss man glauben
Wer dann wieder Appeasement versucht wie das Münchner Abkommen, der hat nichts gelernt. Genau wie diejenigen, die gerade den Iran mit Atomdeals appeasen wollen. Denn eines wissen wir sicher: Es ist passiert und das heißt, es kann wieder passieren.
Wehrmachtshauptmannssohn Bernhard Wasel:
Ich lernte, dass ein Gedenken auch der Nachkommen der Täter zwingend notwendig ist und auch langfristig bleibt.
Der erste Eindruck aus Deinen Anmerkungen und Schlußfolgerungen zum Holocaust-Gedenken ist, dass da sehr viel Ablehnung und Mißtrauen den heutigen (Bio-)Deutschen, den Nachkommen der Tätergeneration, gegenüber ist. Nun könnte man sich als nach den Taten Geborener ‚unschuldig‘ fühlen (wollen) und solche Ablehnung zurückweisen. Doch das ist voreilig und auch falsch. Unschuldig ist der Täternachkomme – wenn überhaupt – nur im Kindesalter. Mit Heranbildung seines eigenen kritischen Verstandes jedoch nicht mehr. Er ist der Geschichte seiner Eltern verhaftet und erkennbar in diese verstrickt.
Wer der Nachkommen hat den Familienfrieden riskiert und der Verdrängung und Verleugnung der Jahre ab 1945 vehement und beharrlich widersprochen und widerstanden? Wer hat sich dem Verallgemeinern verweigert und dem hochstilisierten Bild vom verführten Volk. Wer hat gebrochen oder zumindest den Bruch riskiert mit den Verwandten, die Massenmord selbst betrieben oder dabei geholfen oder diesen gebilligt haben. Wer hat sich für umfassende geschichtliche Aufarbeitung und – soweit möglich – Restitution ausgesprochen. Wer hat Reparationsleistungen an das jüdische Volk oder Israel gefordert, nicht als Sühne, sondern als simplen und selbstverständlichen rein materiellen Ausgleich der wirtschaftlichen Folgen des Holocaust und natürlich nicht als Ersatz für Strafe und Sühne und ehrliche Aufarbeitung.
Wer hat sich empört über re-integrierte Nazis und seine eigenen Verwandten in diese Kritik einbezogen und angeklagt.
Antwort:
Zu Wenige und diese meist zu wenig (mich eingeschlossen).
Stattdessen haben wir viel zu sehr unseren eigenen inneren Frieden in den Mittelpunkt des Gedenkens gestellt und wollten über die (oft noch nicht einmal real vorhandenen) Massengräber nur möglichst schnell in eine goldene deutsche Zukunft als respektables Mitglied der westlichen Wertegemeinschaft ‚durchstarten‘ mit Wirtschaftswundersiebenmeilenstiefeln‘ und als ‚Wir-sind-wieder-Wer-Frontstaat‘ der NATO zum Warschauer Pakt.
Ich danke Dir für Deine Offenheit und daß Du unsere Erinnerungskultur kritisch siehst, diese Zeilen eingeschlossen.
Es ist nicht wieder gut und wird auch nicht wieder gut. Es ist geschehen und kann nicht getilgt werden. Es muss und soll uns bestimmen. Und dieses Bestimmen ist die einzige kleine mögliche Gewähr, dass es nicht wieder geschehen wird. Doch darauf sollte sich niemand verlassen!
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Danke vielmals für Deinen Kommentar!
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Hat dies auf Die 13 Blumen rebloggt.
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Juden haben daraus gelernt nicht mehr Opfer sein zu wollen. Viele Deutsche haben gelernt nicht mehr Täter sein zu wollen.
Aber das ist verdammt schwierig.
Reicht es aus ,dass wir einen demokratischen Rechtsstaat haben?
Der den Saudis Waffen liefert und Firmen duldet, die jedem Schurken gerne jede Waffe verkaufen. Da ist es nur ein schwacher Trost, dass Heckler und Koch viel teurer ist als Kalaschnikof, und vielleicht sogar schlechter schießt.
Die Kinder von Tätern und Opfern eint, dass beide oft traumatisierte Eltern haben. Die Täterkinder haben dabei sicherlich den Vorteil, dass sie wenigstens auf ihre Eltern schimpfen und sie auch hassen konnten.
Nils
Wehrmachtsgefreitenkind
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