Als ich diesen Tweet abgesetzt hatte, ging es mir gar nicht darum, ein Religionsbekenntnis abzulegen. Kein spirituelles Outing auf Twitter. Es ging um etwas ganz anderes, und das erkläre ich hier:
Aber viele haben es als Bekenntnis zum Judentum wahrgenommen und schrieben als Antwort solche Tweets:
„Nur das du es weißt, dass ist mir scheissegal.“
„Und ich Atheist. Und deswegen ist mir das völlig Wumpe!“
Es gab noch viel mehr Antworten, wo andere einfach ihre Sozialisation oder Religion kundgetan haben oder „Ich bin ein Mensch!“ riefen, wohl um mir zu verdeutlichen, dass ich nichts Besonderes wäre mit meinem Jüdischsein.
Und das ist einfach mal falsch. Es ist so falsch, wie auf #BlackLivesMatter mit #AllLivesMatter zu antworten. Es ist nämlich nicht egal, ob jemand Schwarz oder Weiss ist oder ob er Jude, Moslem oder Christ ist. Dass es in einer idealen Welt egal sein sollte, darüber gibt es gar keinen Dissens. Dass in einer idealen Welt alle Leben zählen und Zugehörigkeit zu einer Religion kein Grund für Diskriminierung sein darf und alle Menschen in ihren Rechten und Pflichten gleich sind. Aber unsere Welt ist nicht ideal.
Und in dieser Welt ist es eben nicht egal. Wer Schwarz ist, wird nur auf Grund seiner Hautfarbe diskriminiert. Nachweislich. Das nennt man Rassismus.
Wer Jude ist, ist Teil einer Schicksalsgemeinschaft, die Jahrtausende Mord, Entrechtung und Vertreibung erlebt hat und wird immer wieder mit den miesesten Verschwörungsmythen konfrontiert. Das nennt man Antisemitismus.
Und sowohl Rassismus und Antisemitismus sind heute so aktuell wie eh und jeh und wachsen weiter zusammen mit der Furcht vor Globalisierung, Corona und davor, dank neuer Technologien zu den Abgehängten zu zählen, die nicht mehr schritthalten können.
Sagt mir also nie wieder „Egal“ ins Gesicht, wenn ich aus welchem Grund auch immer sage: Ich bin Jude.
Lieber Eliyah,
Danke für diese offenen und besonnenen Worte. Mir ist bewusst geworden, dass das offene Bekenntnis zur jüdischen Religion für Dich einen wichtigen Teil Deines Daseins darstellt. Und mir ist für mich klar geworden, dass ich bei einer ersten Begegnung mit Dir auf Dein Bekenntnis mit einem Lächeln und „egal“ geantwortet hätte. Aus folgendem Grund: ich würde Dich nicht als zu Verfolgenden, Verschwörer oder sonst zu benachteiligenden angesehen haben. Vielmehr wollte ich damit zum Ausdruck bringen, dass meine Achtung vor Dir jedwedes religiöses Bekenntnis umfasst und ich darauf Rücksicht zu nehmen willens gewesen wäre. Damit verbunden wäre selbstverständlich zunächst auch die Aufnahme in meinen Zirkel, den Du jedoch abzulehnen scheinst mit der Kritik am „egal“. Es tut mir leid. Aber wer bin ich denn? Ich frage auch Menschen, von denen ich glaube, dass sie einen räumlich weiter gefassten Horizont haben, wo sie herkommen – weil es mich interessiert und ich anerkennen will, dass sie es geschafft haben, bis zu mir zu kommen. Ich würde Euch gerne verstehen können ohne mir gleich Euer Weltbild aneignen zu müssen…aber da habe ich wohl noch viel zu lernen. Vielleicht auch, einer verlorenen Chance nicht hinterher rennen zu wollen.
Liebe Grüsse
Ulli
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