Simchat Grundgesetz

Heute feiern wir Juden Simchat Torah. An diesem Tag freuen wir uns, dass wir die Torah, unser Gesetzt erhalten haben. Wer es noch rechtzeitig heute Morgen in eine Synagoge schafft, sollte sich das Spektakel ansehen. Wir nehmen alle Torah-Rollen aus dem Schrank und tanzen und singen mit ihnen durch die Synagoge. Die Lautstärke ist ohrenbetäubend obwohl keine Instrumente, Mikrofone oder andere Hilfsmittel verwendet werden. Und die Freude ist groß.

Dabei ist die Torah ein Gesetzbuch, das uns vieles verbietet: Schweinefleisch essen, am Schabbat Auto fahren, heiraten wen wir wollen und vieles mehr. Warum tanzt man mit so einem restriktiven Buch, das auch noch drakonische Strafen wie eine Steinigung kennt (die, nebenbei bemerkt, seit 3000 Jahren nicht mehr Anwendung findet)?

Die Jüdische Religion ist von Anfang an darauf aufgebaut, dass es neben Juden noch andere Menschen mit anderen Religionen gibt. Daher missionieren wir nicht. Für diese anderen Menschen kennen auch wir Gesetze, nämlich die „Sieben Gesetze Noach“. Noach, das war der Kerl mit der Arche.

Diese Sieben erinnern stark an die Zehn Gebote. Eines davon aber ist besonders: Es besagt „Du sollst ein Gesetz und Gerichte etablieren“. Welche das sind, wird nicht genauer spezifiziert. Daher ist auch das Deutsche Grundgesetz durch die Torah legitimiert.

Noach hat eine Arche gebaut, da G-tt mit der Menschheit und ihrer Ungesetzlichkeit unzufrieden war. Ein Neuanfang war nötig und zum ersten Mal gab es ein verbindliches Gesetz.

Gesetze sind das Fundament der Zivilisation. Daher tanzen wir. Daher freuen wir uns. Das Gesetz steht über dem einzelnen Menschen, sei er eine Bundeskanzlerin oder ein einfacher Arbeiter. Es ist unabhängig von persönlichen Befindlichkeiten. Daher wollen Autokraten und solche, die ein autoritäres System etablieren wollen, das Gesetz unter ihre Kontrolle bringen. Sei es ein Erdogan in der Türkei oder eine AfD in Deutschland oder ein Putin in Russland.

Wir Juden tanzen jedes Jahr ausgelassen mit der Torah. Dem Fundament unserer Religion und, was wichtiger ist, dem Fundament unserer Zivilisation. Diese Freude lernen Kinder von klein auf. Es ist an der Zeit, dass wir auch mit den bürgerlichen Gesetzen tanzen. Morgen ist der „Tag der Deutschen Einheit“. Nehmt euch eine Kopie des Grundgesetzes und tanzt!

Rabbi Lord Jonathan Sacks erklärt Populismus – must read!

Am Schabbat in der Synagoge liegt oft ein Heft aus mit dem Titel „Torah Tidbits„. Es ist eine Sammlung von Texten verschiedener Rabbiner und anderen Autoren und Autorinnen, die sich mit dem Torah-Wochenabschnitt beschäftigen. Diese Woche war es der Abschnitt „Korach“.

Wenn ich das Heft in die Hand bekomme, dann lese ich immer als erstes und oft auch als einziges den Text von Rabbi Lord Jonathan Sacks. Er ist ein scharfer Denker, schreibt eindringlich und verständlich und schafft es jede Woche, das Thema des Wochenabschnitts mit aktuellen Ereignissen oder weltlichen Dingen in Einklang zu bringen. Er wurde ganz zu Recht zum Lord ernannt und trägt diesen Titel an zweiter Stelle nach dem „Rabbi“. Auch das ist richtig.

Diese Woche geht es um die Geschichte Korachs. Kurz zusammengefasst passiert folgendes:

Die Spione, die ins Gelobte Land Israel geschickt werden, kommen mit schlechten Nachrichten zurück: Das Land sei bewohnt von Riesen und uneinnehmbar. Das Versprechen G’ttes, dieses Land den Israeliten zu geben, scheint nicht einlösbar. Als Reaktion auf die Spione verdonnert G’tt die Israeliten zu 40 Jahren Wanderschaft durch die Wüste und bis auf wenige Ausnahmen darf niemand das Gelobte Land sehen. Erst die nächste Generation wird dort leben können.

Die Leute sind sauer. Der Auszug aus Ägypten mutet wie ein Schuss ins eigene Knie an. Korach und seine Gefolgsleute klagen und greifen Moses direkt an. Warum hat er seinen Bruder Aaron zum Hohepriester gemacht und überhaupt die wichtigsten Positionen an seine Familie verteilt? Das ist doch Vetternwirtschaft par excellence!

Moses wehrt sich und verweist auf den Willen G’ttes. Er erbittet ein Wunder, das auch geschieht: Korach und seine Leute werden vom Erdboden verschluckt. Aber hat Moses gewonnen?

Rabbi Lord Sacks hat eine interessante Sichtweise darauf. Er nennt Korach den „Ersten Populisten“ und beschreibt sehr genau, was Populismus ist und warum Moses falsch reagiert hat. Korach vs. Moses war nicht Schwarz vs. Weiss. Und die Populisten heute haben mit ihren Vorwürfen auch nicht nur unrecht. Wie man damit umgeht, beziehungsweise, wie man damit nicht umgeht, das kann man von Rabbi Sacks und der Torah lernen. Aber lest selbst:

The story of Korach has much to teach us about one of the most disturbing phenomena of our time: the rise of populism in contemporary politics. Korach was a populist, one of the first in recorded history – and populism has re-emerged in the West, as it did in the 1930s, posing great danger to the future of freedom.

Populism is the politics of anger. It makes its appearance when there is widespread discontent with political leaders, when people feel that heads of institutions are working in their own interest rather than that of the general public, when there is a widespread loss of trust and a breakdown of the sense of the common good.

People come to feel that the distribution of rewards is unfair: a few gain disproportionately and the many stay static or lose. There is also a feeling that the country they once knew has been taken away from them, whether because of the undermining of traditional values or because of large scale immigration.

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Gut Schabbes Selfie – Pinchas

IMG_1273Mein letzter Gut Schabbes Selfie ist schon eine Weile her. Seit Pessach habe ich keinen mehr geschrieben. Ich weiss auch seit Pessach nicht so genau, zu welcher Parascha, also zu welchem Abschnitt ich etwas schreiben soll. Seit dem sind wir in Israel dem Rest der Welt einen Abschnitt voraus, denn währen wir schon Schabbat gefeiert haben, wurde ausserhalb Israels der letzte Tag von Pessach gefeiert. Wir lesen diese Woche „Pinchas“ während man etwa in Deutschland „Balak“ liesst (nein, nichts über Fussball). Bald werden zwei Abschnitte zusammen gelesen und so werden wir wieder eingeholt, aber diesen Schabbat noch nicht.

In Pinchas ist eine Stelle, die mir besonders gut gefällt. Es geht um fünf Damen: Machlah, Noah, Chogla, Milka und Tirza.
Sie fordern ihren Anteil am Land Israels ein, der ihnen verwehrt werden sollte, nur weil sie Frauen sind. Sie kamen zu Moses und verlangten ihr Recht. Moses sagte Nein. Sie kamen mit einem neuen Argument, und wieder sagte er Nein. Auch ein drittes Mal verwehrte er ihnen, was ihnen zustand. Danach erst konnten sie ihn überzeugen und er änderte seine Meinung.

Ist das nicht unglaublich? Moses, der größte aller Propheten sagt drei Mal Nein und diese mutigen Frauen widersprechen! Und er ändert seine Meinung, weil er versteht, dass sie Recht haben. Weil ihre Argumente gut sind, besser als seine!

Ausserdem sie sind die besseren Juden in dem Moment. Sie fordern ihren Anteil an Israel. Sie fordern, weiter zu gehen und nicht umzukehren. Sie wollen das jüdische Leben in Israel gestalten, während zur gleichen Zeit die Männer laut klagen über den Weg durch die Wüste und nach Ägypten zurück wollen.

Chabad, eine jüdische, chassidische Gruppe, die man wohl „ultra-orthodox“ nennen kann, schreibt auf ihrer Webseite (english) einen wunderbaren Text darüber, wie im Judentum die Frau bisher zu sehr unterdrückt wurde und dass uns der Wochenabschnitt Pinchas eines besseren belehren sollte.

Unsere Religion ist nicht statisch. G-tt sei Dank. Und nächste Woche lest ihr das auch ausserhalb Israels in der Synagoge.

Gut Schabbes Selfie – Jitro

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Zwei Tafeln zartbitter!

Der gute, alte Jitro. Ein Konvertit wie ich, der Moses die Leviten liest. Schon alleine deshalb gefällt er mir und ich fühle mich ihm verbunden. 😉 Er gab Mosche praktische Tipps, wie man als frischgebackener Religionsstifter mit so alltäglichen Problemen wie beispielsweise begriffsstutzigen Anhängern umgehen sollte.

Das wichtigste Ereignis in diesem Wochenabschnitt ist aber nicht Mosches Schwiegervater, es sind die beiden Tafeln, die Mosche vom Berg Sinai mitgebracht hat. Keine Schokoladentafeln wie im Bild, sondern Steintafeln mit den Zehn Geboten.

Aber Schokolade passt auch, vor allem, wenn sie bittersüss ist. Diese Zehn Gebote, die ersten fünf für das Verhältnis zwischen den Menschen und G-tt und die zweiten fünf für das Benehmen unter den Menschen. Bittersüsse Gebote sind es, denn sie sind zwar streng und resolut, aber ermöglichen uns ein ethisches Zusammenleben.

Das erste der zweiten fünf lautet: Lo tirzach! Die gängige Übersetzung „Du sollst nicht töten!“ ist, sagen wir mal, ungenau. Das hebräische Verb „razach“ wird nur für Mord und Menschenschlachtung verwendet. Notwehr, Töten im Krieg und auch das Schlachten von Tieren ist nicht Teil dieses Verbotes.

Wenn also jemand mit einem Messer auf einen Menschen los geht, und dabei erschossen wird, dann hat nur einer der Beteiligten dieses Gebot verletzt. Genau: Der mit dem Messer in der Hand. In dieser Woche traf es einen Arbeitskollegen von mir. Er hat überlebt, sein Angreifer auch. Baruch HaShem. Wenn gar keiner getötet wird, ist es irgendwie besser. Aber immer noch bitter. Ganz ohne süss.

Gut Schabbes Selfie – Vayigasch

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Eliyah (träumend)

Josef, eine tragische Figur. Diesen Wochenabschnitt lesen wir, wie sich Josefs Traum aus dem Abschnitt Vayeshev erfüllt. Damals träumte Josef, dass seine Brüder sich vor ihm niederwerfen und nun, da es passiert, ist Josef am Ziel?

Als er seinen Traum träumte, war er der Liebling seines Vaters. Besonders durch das besondere, farbenfrohe Kleidungsstück, das sein Vater ihm schneiderte, war es deutlich für alle sichtbar.

Josef überlebte die Gefangenschaft in Ägypten nur, weil er Träume deuten konnte. Wenn man sich die drei genannten Träume ansieht, die des Bäckers, des Weinschenk und des Pharao, dann muss man leider feststellen, dass für die Deutung nicht viel Phantasie vonnöten war. Diese Träume waren alle ziemlich unmissverständlich. Mit G-ttes Hilfe hat er erkannt, dass diese Träume wahrhaftige Visionen sind und hat sie quasi handwerklich geschickt in die Praxis übersetzt.

Tragischerweise hat er seine eigenen Träume falsch, zu phantasievoll gedeutet. Er dachte wohl, er wäre der nächste Führer des Stammes Israel, der Statthalter Jakobs, dessen Liebling er war. Doch es wurde Jehuda. Sein Traum ist genau so praktisch in Erfüllung gegangen, wie die anderen. Die Brüder haben sich tatsächlich vor ihm als König Ägyptens in den Staub geworfen.

Jehuda, der in der vorletzten Woche noch der Hurengänger war, zeigt diese Woche wahre Stärke. Er steht zu seinem Wort und ist bereit, sein Leben für das seines Bruders zu geben. Andere Träume übersetzen und als Pharao umsetzen, das konnte Josef. Aber die Zukunft gehörte ihm nicht.

Gut Schabbes Selfie – Vayezei

Zugegeben, ich sehe nicht sonderlich glücklich aus auf dem Foto. Es ist Donnerstag Abend und ich habe gerade den Wochenabschnitt für diesen Schabbat gelesen. Da die Freitage im Winter so kurz sind, schaffte ich es die letzten zwei Wochen einfach nicht, einen Gut-Schabbes-Selfie zu schreiben, daher diese Woche schon jetzt. Das Buch in meiner Hand ist eine Ausgabe der Torah, kommentiert und mit einer Übersetzung ins Englische.
Der Abschnitt heisst „Vayezei“, also „Es verliess (Jakob)“. Mich verlassen die Kräfte, daher mein Gesichtsausdruck. Jakob wiederum verlässt seine Heimat, um zu Laban zu gehen. Dort wird er seine Frauen heiraten und seine Söhne, die später die Stammesfürsten der 12 Stämme Israels werden, werden geboren.
Auf dem Weg dort hin macht er auf dem Berg Moria eine Pause und schläft. Der Ort, an dem er schläft ist genau der, an dem heute der Felsendom in Jerusalem steht und die Stelle auf dem Berg ist die, an der der Jüdische Tempel sein Allerheiligstes hatte. Jakob träumte dort einen Traum von Engeln, die auf einer Leiter gen Himmel und wieder hinabstiegen.
Heute an diesem Donnerstag wurden wieder viele Menschen getötet in Israel, in den „Gebieten“ und im Zentrum Tel Avivs. Dieser Berg, auf dem Jakob schlief, ist der Anlass für die Gewalt. Aber der Grund ist grundloser Hass.
Jakob wurde von Laban mehrfach betrogen. Hundertmal, sagt die Torah, hat Laban seine Abkommen gebrochen. Und trotzdem hielt Jakob Wort. Und trotzdem machte er Frieden mit Laban. Es war ein kalter Frieden mit einer Mauer, die die beiden trennen sollte, aber er hielt.
Auch wir Israelis wurden und werden hundertemal hinterrücks gemeuchelt, zerbombt, erschlagen und betrogen, und dennoch wollen wir weiter Frieden schliessen. Und auch wir haben eine Mauer gebaut.
Manchmal ist es erschreckend, wie aktuell doch die Torah ist.
Ich sehe nicht glücklich aus. Wie soll ich es auch sein angesichts der Toten in Paris, in Tel Aviv und überall auf der Welt, gemordet von grundlosem Hass.
Schabbat Schalom.

Homo-Ehe?

11267356_881644651897325_4153708862703344819_nIn meinem Beitrag gestern schrieb ich darüber, wie ich mich als heterosexueller, religiöser Jude zu Menschen verhalte, die homosexuell sind. Aber wie soll ein Staat mit ihnen umgehen?
In Israel gibt es keine zivile Ehe. Wer sich nicht von einem Rabbi, Imam oder Priester trauen lassen will, der muss ins Ausland fahren für einen Trauschein. Etwa nach Zypern, wohin es deswegen geradezu einen Hochzeitstourismus gibt. Der Staat erkennt nämlich anstandslos im Ausland geschlossene Ehen an. Aber auch nicht-verheiratete Paare kommen in den Genuss von erweiterten Rechten. Man bekommt etwa ein unbefristetes Arbeitsvisum als Nicht-Israelischer Lebenspartner eines Israelis.
In Israel werden die Stimmen lauter, dass es doch bitte im Land möglich sein muss, eine Zivilehe ohne Religionsdiktat einzugehen. Aber ist das der richtige Weg?
Die Ehe hat aus staatlicher Sicht weitreichende Folgen. Es geht um Erziehungsrecht, Adoptionsrecht, Erbrecht, Arbeitsrecht, Staatsbürgerschaftsrecht, Steuerrecht, Rente oder auch darum, wer im Ernstfall, etwa bei einem Unfall oder schwerer Krankheit, informiert wird oder Entscheidungen trifft. Das sind alles keine Lappalien und komplexe, gewachsene Strukturen mit ihrer Berechtigung.
Die Frage nach der Homo-Ehe ist also nicht, ob gleichgeschlechtliche Paare sich offen lieben und zusammen leben dürfen und ein gemeinsames Konto führen können. Das ist alles in Deutschland bereits gegeben. In Israel übrigens auch. Es geht um mehr.
In Irland wurde kürzlich die Homo-Ehe mit allen Rechten und Pflichten wie für heterosexuelle Paare eingeführt. Ausgerechnet diese Erzkatholen aus Irland?? Deutschland und andere Länder sehen sich daher unter Zugzwang.
Ich bin gegen die Homo-Ehe. Will sagen, in meiner Religion haben zwar Homosexuelle Platz, wie ich gestern ausgeführt habe, aber keine gleichgeschlechtlichen Eheschliessungen. Aber in dem Moment, wo ich den Wirkungsbereich meiner Religion verlasse, ist das was anderes. Dort, also bei Christen, Atheisten, Muslimen, Hindus oder was auch immer, bin ich weder dafür noch dagegen. Es geht mich einfach nichts an! Und unter uns: Das Liberale Judentum ist aus meiner Sicht ebenso eine komplett andere Religion, auch wenn deren Mitglieder, zumindest größtenteils, Juden sind und sie gleichnamige Feste feiern wie wir.
Ehe ist ein ursprünglich religiöses Konzept. Nicht jede Gesellschaftsform, jede Generation und jedes Volk misst ihr Bedeutung zu, auch wenn die Ehe weit verbreitet ist. Und da sie etwas religiöses ist, ist es in Israel eigentlich folgerichtig, wenn der Staat sich aus der Eheschliessung so weit es geht heraushält. Deswegen fragt hier auch niemand ernsthaft nach einer Homo-Ehe. Dafür ist der Staat Israel überhaupt nicht zuständig.
Für Deutschland, das so viele verschiedene Traditionen, Religionen und Kulturen unter seinen Bürgern hat, könnte man einen radikalen, liberalen Lösungsansatz finden: Die Zivilehe wird abgeschafft! Wer wen und wo mit welcher Zeremonie heiratet, ist Privatsache. Die oben genannten Rechtsfragen werden über Verträge geregelt, die man gerne auch „Ehevertrag“ nennen kann, aber eben nicht muss. Der Staat kann einschränken, wer welche Verträge abschliessen darf. Etwa Minderjährige ausschliessen (wie bei den meisten anderen Verträgen auch) oder Geschwister- und Vielehen untersagen. Aber diese Einschränkungen müssen wohl bedacht sein und sind auch anpassbar.
Israel wäre also gut daran geraten, keine Zivilehe einzuführen, sondern lieber die Religionen, die eine rechtsgültige Ehe schliessen dürfen, zu erweitern. Und Deutschland? Es wird schwer, die Zivilehe abzuschaffen. Sie ist im Grundgesetz verankert. Und das Grundgesetz als Ganzes ist meines Erachtens wertvoller, als das Recht von Homosexuellen, etwa Kinder zu adoptieren. So traurig das für die Betroffenen auch ist. Aber wer weiss, vielleicht schafft es ein Bundestag ja, das Grundgesetz in diesem Punkt zu liberalisieren?

 

Homoehe

11351168_880961261965664_58994904588655981_nDie „Homoehe“ wird gerade heiss diskutiert. Und auch ich wurde schon gefragt, was ich davon halte.
Ich versuche einfach mal, systematisch daran zu gehen und da ich religiös bin, bedeutet das, dass ich nachsehe, was die Torah dazu sagt.

Was spricht gegen die Homo-Ehe? Am deutlichsten noch das Dritte Buch Mose (Leviticus), Kapitel 20, Vers 13. Dort steht:

„וְאִישׁ, אֲשֶׁר יִשְׁכַּב אֶת-זָכָר מִשְׁכְּבֵי אִשָּׁה–תּוֹעֵבָה עָשׂוּ, שְׁנֵיהֶם; מוֹת יוּמָתוּ, דְּמֵיהֶם בָּם.“ Übersetzt heisst das: „Und wenn ein Mann bei einem Manne liegt wie bei einer Frau, haben beide einen Gräuel getan, sie sollen sicher sterben, ihr Blut soll auf ihnen sein.“

Puh, sieht bisher nicht gut aus für die Homo-Ehe, sogar sterben soll ein schwuler Mann. Wenn man nun noch den Kitzur Schulchan Aruch, also die üblichste Gesetzessammlung nach den Gesetzen zur Ehe durchsucht, dann kommt eine gleichgeschlechtliche Ehe nicht mal in einem Nebensatz vor. Es wird geregelt, wen ein Kohen, eine Witwe, eine Konvertitin oder ein Mamser (dazu andermal) heiraten darf. Aber ein Mann einen Mann oder eine Frau eine Frau wird nicht mal erwähnt.

Es sieht also wirklich duster aus für die Homo-Ehe im Judentum. Aber bevor wir resigniert die Bücher zuschlagen, schauen wir doch lieber mal, was auf der Haben-Seite zur Homosexualität gilt:

– Der oben genannte Vers aus dem 3. Buch Moses lässt sich verschieden übersetzen. Die meisten Übersetzungen, vor allem die christlichen, lauten, die beiden Männer sollen getötet werden. Aber das ist eigentlich verkehrt. Wenn man Exodus 31:15 im Vergleich sieht, in dem eindeutig die Todesstrafe für das Brechen des Schabbat geschrieben steht, dann steht dort im hebräischen original „מוֹת יוּמָת“ und nicht „מוֹת יוּמָתוּ“. Ein Vav mehr macht den Unterschied. Die Torah verlangt also nicht, dass homosexuelle Männer getötet werden, sie prophezeit ihnen nur den Tod. Sterben meint im biblischen Sinn nicht nur den sofortigen Tod, sondern auch den Tod aller Nachkommen bis zur siebten Generation. Das war etwa die Strafe für Kain dafür, dass er seinen Bruder Abel erschlagen hat. Wir sind laut der Torah alle Nachkommen von Seth, dem jüngeren Bruder von Abel und Kain.
Dass ein schwules männliches Paar ohne Hilfe einer Frau keine Kinder bekommt, ist einleuchtend. Und sterben müssen sie auch, wie jeder Mensch. Prophezeiung erfüllt.
– Angenommen, meine Übersetzung ist falsch und es ist eine Aufforderung zum Töten, dann haben die Sanhedrin schon vor Jahrtausenden die durch Menschen verfügte und verübte Todesstrafe abgeschafft. Nur G-tt selbst kann richten und er hat bis in die siebte Generation Zeit, die Strafe zu vollziehen. Wir müssen ihm dabei nicht helfen.
– Die Torah verbietet in dem Vers nicht die Liebe zwischen Männern, sondern nur den sexuellen Akt. Männer dürfen Männer heiss und innig lieben, nur nicht mit ihnen schlafen.
– Frauen werden gar nicht sanktioniert. Sie dürfen andere Frauen lieben und mit ihnen schlafen. Orthodoxe Rabbiner werden das zwar nicht erlauben, aber mit der Torah können sie ein Verbot nicht begründen.
– Wenn heute ein Jude den Schabbat bricht, dann töten wir ihn nicht nur nicht wie in Exodus 31:15 verlangt, wir laden ihn zum nächsten Schabbat-Essen wieder ein, geben ihm sogar einen Aufruf zur Torah beim Schabbatmorgeng-ttesdienst und rechnen es ihm auch sonst nicht böse an. Dabei sagt die Torah unmissverständlich, dass er zu töten ist. Bei einem Mann, der mit einem Mann geschlafen hat ist die Torah in diesem Punkt mindestens missverständlich, wenn nicht sogar nachgiebig. Um wie viel nachgiebiger müssen wir also gegenüber einem schwulen Paar sein, wenn wir schon einen Schabbatbrecher ohne Wenn und Aber akzeptieren?

Aber heiraten? Das geht zumindest im orthodoxen Judentum nicht. Dazu fehlen einfach die entsprechenden Gesetze.
Was aber der Staat macht, der ja unabhängig von Kirche und Religion ist oder zumindest sein sollte, ist eine andere Geschichte. Und was ich dazu denke, schreibe ich morgen mal auf. Bli neder (also, wenn ich dazu komme).